Hat die Stadt eine Scheibe – ja oder nein?

von 31. Juli 2017

Die Stadtverwaltung plant, nach längerem Ringen inzwischen auch mit Zustimmung der Stadtratsmehrheit, die Scheibe A für 30 Jahre zu einer Nettokaltmiete von maximal 9,90 Euro pro Quadratmeter anzumieten. Die Anmietung der geplanten Fläche von 11.500 Quadratmetern würde über die Gesamtlaufzeit 40,97 Millionen Euro kosten; Nebenkosten und Aufwendungen für die Ausstattung der Büros nicht mitgerechnet.

Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand will die Scheibe A zum Sozialrathaus machen und hätte damit vielleicht schon eher Erfolg gehabt, wenn er nicht wieder, wie schon so oft, den Stadtrat verärgert hätte mit Schnellschüssen und Alleingängen. Im Februar 2017 hatte der OB bereits einen Grundsatzbeschluss durchpeitschen wollen. Die notwendige Entscheidungsgrundlage, ein Bericht über alle Verwaltungsstandorte in Halle auf mehr als 100 Seiten, war den Räten jedoch erst wenige Stunden vor der Stadtratssitzung zugegangen.

Zuletzt hatte die Scheibe A, die gegenüber des Neustadt Centrums recht attraktiv gelegen ist, mit einer Zwangsversteigerung und einer hohe Grundschuld Schlagzeilen gemacht. Wie es mit den anderen Scheiben weitergeht, ist unklar. Seit Anfang 2015 hat der OB die Scheiben auf seiner Agenda und verkündet, das Problem lösen zu wollen. Der letzte große Anlauf für eine Generallösung lag da bereits länger zurück und fiel noch in die Zeit von Planungsdezernent Friedrich Busmann. 1998 war die Revitalisierung des Neustädter Zentrums Teil des Antrags für das Förderprogramm “Urban 21”. 2001 und 2008 folgten weitere Beschlüsse zur Förderung der Neustadt, diesmal im Programm “Soziale Stadt”. Für die Scheiben hat das alles nichts geändert. Seitdem die fünf Hochhäuser Anfang der 1990er Jahre auseinandergerissen wurden durch die Treuhand, deren dubiosen Machenschaften gerade in Halle bundesweit Schlagzeilen machten, ist nur eines der Häuser hergerichtet worden und dort sitzt nun, ausgerechnet, das Jobcenter.

Immer wieder wechselten die Eigentümer. Die Hochhausscheibe B ist seit 2015 in der Hand eines Syrers, der später auch die Freybergs Brauerei (Meisterbräu) gekauft hat, die nach vielen Jahren Leerstand und Vandalismus bereits arg verstümmelt ist. Die Scheibe C, einst Landesimmobilie und als neues Finanzamt Halle diskutiert, gehört ebenfalls seit Ende 2015 zwei Berlinern. Die Scheibe E war nach dem Verkauf durch Möbel-Händler Lührmann einige Zeit einem Immobilienunternehmen aus Leipzig gehörte, ist jetzt in den Händen eines Berliner Unternehmerpaares. Die privaten Eigentümer der bisher unsanierten Scheiben erklärten gegenüber Journalisten, Wohnung vornehmlich für alte Menschen und Studenten einrichten zu wollen. Ob sie die dafür erforderlichen Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe werden schultern können, blieb bisher unklar.

Am 24. September 2017 von 8 bis 18 Uhr stimmen die Bürger über das Sozialrathaus Scheibe A ab. Stimmberechtigt sind nicht nur deutsche Staatsbürger, sondern alle EU-Bürger. Der Bürgerentscheid findet gemeinsam mit der Bundestagswahl statt. Nachdem das für den Bürgerentscheid notwendige Bürgerbegehren mit mehr als 7500 gültigen Unterschriften erfolgreich war, sollen nun möglichst viele Menschen erreicht werden.

Bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden liegt das Land Bayern an der einsamen Spitze. Die Ergebnisse der mageren Zahl an Bürgerentscheiden in Sachsen-Anhalt sind durchwachsen. Während etwa der Bürgerentscheid zum Kinderförderungsgesetz scheiterte, verteidigten die Menschen in 2016 in Halberstadt erfolgreich ihre Diesterweg-Grundschule. Ob es einen Bürgerentscheid zur Umbenennung der Stadt Dessau-Roßlau gibt, war Ende Juni 2017 noch in der Schwebe. Derweil hatte das Vorhaben Scheibe A in einer nicht-repräsentativen Umfrage eine knappe Mehrheit. Ein Paradebeispiel dafür, auf welch wackeligen Füßen Wahlprognosen stehen können, darf freilich die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten gelten.