Hochhäuser am Riebeckplatz in Halle (Saale): Abriss und Neubau

von 19. März 2009

(ens) Die Diskussionen liefen seit Jahren, nun ist eine Entscheidung offenbar zum Greifen nah. “Die Sanierung der beiden Hochhäuser ist für uns keine Option.” Die Worte von Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados nach dem Hochhaus-Tisch zur Zukunft der Hochhäuser am Riebeckplatz in Halle (Saale) waren eindeutig: “Der Abriss ist unverzichtbar.” Nach 40 Jahren sollen nun die beiden Zwillingstürme rechts und links der Franckestraße der Abrissbirne zu Opfer fallen. Sicherheitsexperten hätten auf erhebliche Risiken hingewiesen. So hätten die Häuser für eine Wohnnutzung Bestandsschutz. Weil diese aber wirtschaftlich nicht tragfähig sei, käme nur eine Verwaltungsnutzung infrage. Hierfür wären aber Brandsicherheit und Fluchtwege nicht im erforderlichen Maße vorhanden. Im April oder Mai werde die Verwaltung deshalb einen Beschluss zum “sofortigen und schnellstmöglichen Abriss” einbringen. Er sei erleichtert über die Möglichkeit zum Abriss, erklärte Heinrich Wahlen, Geschäftsführer der Halleschen Wohnungsgesellschaft HWG, der Haus und Grundstücke gehören. Wahlen versprach einen Abriss spätestens 2010, möglicherweise auch noch in diesem Jahr.

Abriss und Neubau
Doch was dann? Droht ein neues “Loch“ nach der Baupleite an der Spitze? “Wir lehnen uns nicht zurück”, erklärte Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados mit Blick darauf. “Uns war von Anfang an klar, das man nicht einfach abreißen kann und das Gelände sich selbst überlässt.” Die HWG solle deshalb per Beschluss gebeten werden, ein Gebäude mit markanter Architektur zu errichten. Ein Neubau sei besser, zeitgemäßer und in die Zukunft gerichtet. “Wir haben einen guten Vorschlag und eine Machbarkeitsstudie.” Einen möglichen Entwurf des halleschen Planungsbüros Irmscher konnte Szabados zwar bereits präsentieren. Die tatsächliche Gestaltung aber soll durch einen Architekturwettbewerb gefunden werden. Rechtlich sei der nicht nötig, “aber aus Qualitätsgründen ja”, begründete HWG-Chef Wahlen diesen Schritt. Klar sind indes für das Stadtoberhaupt die Eckdaten. Auf dem Gelände des Südturms wird zunächst eine Grünfläche entstehen, um sie möglicherweise später zu bebauen. Der Ersatz für den nördlichen Turm soll um eine Hausbreite versetzt in Richtung Riebeckplatz verschoben werden und damit eine Sichtachse entlang der Leipziger Straße bilden und dabei als Solitaire ausgeführt werden. “Man kann dann komplett Drumherum gehen”, so Szabados. Von der Merseburger Straße aus soll über die Grünfläche vor dem einstigen Verwaltungsgebäude der HWG eine Zufahrt zur Tiefgarage entstehen.

90 Meter, 16 Millionen
Mit 90 Metern würde der Neubau die beiden jetzigen Türme um fast 30 Meter überragen. Die Kosten für Abriss und Neubau schätzt die Oberbürgermeisterin auf 15,5 bis 16 Mio. Euro. “Damit kostet ein Neubau weniger als die Sanierung”, meinte Szabados, die Kosten von bis zu 18 Mio. Euro für die Sanierung anführte. Das überrascht, war doch bisher von 14 Millionen Euro bei der Realisierung eines der beiden Siegerentwürfe eines Architektenwettbewerbs die Rede. Probleme mit der Finanzierung sehen HWG-Chef Wahlen und OB Szabados nicht. Dass die HWG 140 Mio. Euro zur Haushaltskonsolidierung beitragen soll, habe nichts mit den für einen Neubau aufzubringenden 16 Mio. Euro zu tun. Man rechne fest mit öffentlichen Fördermitteln. Für die Finanzierung sei es nur nötig, die Wirtschaftlichkeit darzustellen. Und die sei gegeben, weil die hallesche Stadtverwaltung als Ankermieter fungieren soll. 250 Mitarbeiter städtisches Behörden wie dem Schulverwaltungs- oder dem Liegenschaftsamt, die bislang in fremdangemieteten Häusern sitzen, sollen ihre neuen Büros in dem Neubau erhalten. Mit 8 Euro pro Quadratmeter würden die Mieten zwar im oberen Segment für Verwaltungsgebäude liegen. Für Szabados aber kein Widerspruch zur Haushaltskonsolidierung der Stadt. Gesucht werden nun noch Interessenten für die oberen Etagen. In der Diskussion ist dabei studentisches Wohnen. Mit dem Studentenwerk laufen bereits entsprechende Gespräche, war zu hören. Mit Energie versorgt werden soll das Gebäude teilweise über erneuerbare Energien wie Photovoltaik.

Rechnung ohne die Politik gemacht
Es gebe einen großen Konsens auch bei den Fraktion über den Abriss und den Neubau, hatte Szabados im Rahmen des Hochhaustisches erklärt. “Die Fraktionen sind einmütig für den Abriss”, erklärte Szabados mit Blick auf die Vertreter aller Ratsfraktionen, die am Hochhaus-Tisch teilgenommen haben. Doch ob Abriss und Neubau eine Mehrheit finden ist fraglich, drohen die Türme doch zum Wahlkampfthema zu werden. Städtebaulich sei es schade, dass die Häuser verschwinden, sagte Bodo Meerheim, Fraktionsvorsitzender der Linken im Stadtrat, gegenüber HalleForum.de. “Aber wirtschaftlich macht es Sinn.” Unverständnis äußerte Meerheim über die Pläne zum Bau einer neuen Hochhauses. “Das ist total unüberlegt.” Ihm sei nicht klar, wo das Geld herkommen soll. Daneben habe die HWG genügend unsanierte Bestände, in die zu allererst investiert werden sollte. “Schwer überrascht” zeigte sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Bernhard Bönisch, der von einer “Schnapsidee” sprach. “Wir haben genügend Leerstand in Halle.” Die SPD will sich in der nächsten Fraktionssitzung eine Meinung verschaffen. Die nach dem Hochhaustisch vorgestellte Variante aus Abriss und Neubau sieht der SPD-Fraktionsvorsitzende Johannes Krause als “Krompromiss, mit dem wir leben können.” Den Bau eines neuen Hochhauses hält er für unerlässlich, um so den Großstadtcharakter zu behalten. Ein solcher Turm könnte zum Identifikationspunkt für die Hallenser werden, so Krause auf Nachfrage von HalleForum.de.

“Unter stadtplanerischen Aspekten“ bedauern die MitBürger die Entscheidung über die Hochhäuser-Zukunft. “Beide Türme stellen ein Eingangstor zur Stadt und zur Hochstraße, dem Bindeglied zu Halle-Neustadt, dar. Zugleich fassen die markanten Hochhäuser den an den Rändern immer stärker erodierenden Riebeckplatz mit ein.”, erklärte der MitBürger-Stadtrat Ludwig Ehrler in einer Mitteilung. Eine attraktive Umgestaltung und Sanierung der Gebäude hätte diesen markanten Ort nach Sicht der MitBürger aufwerten und erhalten müssen. „Die Türme fassen den Platz, wenn diese verschwinden ist er flach
und zerfließt, das wird eine optische Katastrophe“, so Ehrler. Die jetzt entstehenden Leerflächen dürften kein Dauerzustand werden. Den Neubau eines Hochhauses sehe man deshalb nur als Zwischenlösung. “Eine Zwillingslösung muss weiterhin das Ziel sein.” Im Stadtrat werden man deshalb auch nach einem beschlossenen Abriss, auf einen hochwertigen Ersatz für beide Hochhäuser drängen.