IHK und VHdS kämpfen um Saalekanal

von 20. Juni 2011

Um den Ausbau der Saale bei Tornitz gibt es weiterhin Streit, weil die Bundesregierung keinen vorrangigen Bedarf erkennt. Damit steht das 100-Millionen-Euro-Projekt vor dem Aus. Doch die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) kämpft noch einmal für den Kanal, der die Saale auch für größere Schiffe befahrbar machen soll. „Der Ausbau des Wasserstraßennetzes ist noch nicht abgeschlossen“, unterstützt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Thomas Brockmeier die Position der sachsen-anhaltischen Landesregierung für eine fortgesetzte Förderung. Verkehrsminister Thomas Webel hatte sich für den Bau des Saale-Kanals bei Tornitz ausgesprochen.

„Mitteldeutschland würde mit einem Schlag von der Binnenschifffahrtskarte verschwinden. Die Saale ist keine bloße ‚Restwasserstraße’ – es sei denn, man macht sie am grünen Tisch dazu!“ Dem sogenannten „Strategiewechsel“ im Bundesverkehrsministerium fehle „die praktische wirtschaftliche Vernunft“, mahnt Brockmeier. „Man kann nicht auf halber Strecke sagen, ‚ich sehe das Ziel nicht’. Die noch ausstehenden Flussbaumaßnahmen dienen ja gerade dazu, das hiesige Wasserstraßennetz wieder in Gang zu bringen, gerade um hohe Tonnagewerte zu erreichen.“ Keinesfalls dürften die in den letzten 20 Jahren getätigten Investitionen mit einem Federstrich faktisch versenkt werden. „Denn fest steht: Die hiesige Wirtschaft braucht den Wasserweg!“ Und dazu brauche es verlässliche politische Rahmenbedingungen. Firmen hätten sich bei ihrer Standortwahl schließlich auf die Pläne zum Ausbau des Netzes verlassen. Der IHK-Verkehrsausschuss hatte die Pläne in einer Resolution an den Bundestag bereits als unausgewogen und volkswirtschaftlich kontraproduktiv kritisiert. Die Vollversammlung der IHK wird sich in ihrer Sitzung Ende dieser Woche mit dem Thema beschäftigen.

„Die Saale darf nicht Restwasserstraße werden“, schimpft auch Manfred Sprinzek vom Verein zur Hebung der Saaleschifffahrt. Die Saale verschwindet in der Bedeutungslosigkeit. „Die im Bundesverkehrswegeplan 2003 noch als vordringlicher Bedarf eingestufte Vollendung des Saaleausbaus wird nun als Rest-Wasserstraße abqualifiziert. Der Bau des Saale-Seitenkanals wird danach nicht mehr realisiert.“ Dadurch erfolge kein verlässlicher Anschluss des „landesbedeutsamen Hafens Halle oder der auf dem Weltmarkt agierenden Bernburger Großunternehmen an das europäische Wasserstraßennetz und die Nordseehäfen.“ Auch die wassertouristische Nutzung der 125 Kilometer Bundeswasserstraße Saale zwischen Barby, dem Saale-Leipzig-Kanal und in Richtung Leipzig und Unstrut sei dann nicht mehr möglich. „Touristen mit einer zweckgebundenen schiffbaren Verlängerung des Saale-Leipzig-Kanals in die mitteldeutsche Region zu bringen, bleibt eine Idee. Kein Schiff könnte den Fluss mit seiner über 1.000-jährigen Geschichte als Wasserweg befahren. Die Entwidmung als Bundeswasserstraße würde unumgänglich zum Rückbau der in den letzten Jahren modernisierten Schleusen und Anlagen mit einem Vermögenswert von über 500 Millionen Euro führen.“ Arbeitsplätze bei Unternehmen, Reedereien, Werften oder Marinas würden gefährdet. Der Verein zur Hebung der Saaleschifffahrt organisiere deshalb einen „Protest gegen die Kategorisierung der Saale als Restwasserstraße“. Schiffsaffine Unternehmen, Eigner von Werften, Reedereien, Marinas und Sportbooten wenden sich mit ihren Unterschriften gegen die geplante Herabstufung der Saale als Restwasserstraße, weil das den Entzug ihrer Existenzgrundlage bedeuten würde. An der Unterschriftenaktion beteiligen sich Unternehmen wie die Solvay Chemicals GmbH Bernburg, esco-european salt company GmbH & Co. KG Bernburg, Stadtwerke Halle GmbH und die Hafen Halle GmbH sowie Gewerbetreibende und Saaleanlieger, der Stadtrat von Alsleben, Wassersportvereine, Sport- und Freizeitgruppen, der Musikverein „Seeteufel“ aber auch Hausgemeinschaften und Privatpersonen.

Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Scheurell, hat im Vorfeld der nächsten Sitzung des Verkehrsausschusses des Bundes am 29. Juni 2011 erneut Kritik an den Plänen des Bundesverkehrsministeriums geübt, auf den Bau des Saale-Seiten-Kanals zu verzichten und die Saale dauerhaft als Restwasserstraße einzustufen.

„Die jüngsten Signale aus dem Bundesverkehrsministerium lassen die notwendige Kenntnis der Fakten vermissen. Die Wirtschaftlichkeit des Projektes Saale-Seiten-Kanal ist nachgewiesen. Die Wirtschaft hat ihre Ansiedlungsentscheidungen auf der Grundlage fester Zusagen getroffen, die Saale an das Netz der Europäischen Wasserstraßen anzubinden. Die aktuellen Entscheidungen des Bundes stehen für das Gegenteil. Wenn der Bund jetzt nur noch Bundeswasserstraßen unterstützen will, die ohnehin bereits über ein überdurchschnittliches Transportaufkommen verfügen, werden notwendige Entwicklungspotenziale im Osten und der Mitte Deutschlands beschnitten. Die Potenziale durch die Entwicklung des Wasserstraßenstraßenkreuzes Magdeburg würden dadurch künftig nicht so genutzt, wie es möglich wäre.“

Scheurell machte ebenso deutlich, dass die bisherige Diskussion vor allem haushaltspolitisch und nicht aus verkehrs- und wirtschaftspolitischer Perspektive geführt wurde. „Ich gehe davon, dass während der kommenden Sitzung des Verkehrsausschusses des Bundes Gelegenheit besteht, auch die infrastrukturelle Bedeutung des Projektes Saale-Seiten-Kanal für die Entwicklung Mitteldeutschlands deutlich zur Sprache zu bringen.“