Innenstädte in Gefahr?

von 10. November 2009

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle-Dessau hat am Dienstag ihren aktuellen Handelsatlas vorgestellt. Ergebnis: die Handelsflächen im Süden Sachsen-Anhalts sind in den vergangenen drei Jahren um 0,7 Prozent oder 15.000 Quadratmeter auf 2.045.240 Quadratmeter gewachsen. Und das, obwohl das Land unter einem Bevölkerungsrückgang leidet und die Kaufkraft 15 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Demgegenüber stehen jedem Sachsen-Anhalter 1,61 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung, 15 Prozent mehr als dem Bundesbürger im Durchschnitt.

Doch nimmt man die Zahlen auseinander, haben vor allem die Einkaufszentren auf der „Grünen Wiese“ einen Anstieg zu verzeichnen, um ganze 34.000 Quadratmeter. Die Handelsflächen der Innenstadtädte gingen um 19.000 zurück. Nur noch 42 Prozent der gesamten Verkaufsfläche befinden sich in zentralen Standortlagen, vor zehn Jahren sei es nach IHK-Angaben noch knapp die Hälfte gewesen. Während das Flächenangebot bei Nahrungs- und Genussmitteln und im „Do it yourself“-Bereich weiter gewachsen sei, wären vor allem die Flächen für Textilien und Möbel weiter geschrumpft. Insgesamt seien Fachmärkte und Discounter weiter auf dem Vormarsch, das klassische und meist inhabergeführte Fachgeschäft verliere dagegen weiter an Bedeutung.

„Mit diesen Entwicklungen liegen wir im bundesweiten Trend. Allerdings haben wir ein Überangebot an Verkaufsflächen und das vielfach an den falschen Standorten! Ohne ein Umsteuern prognostiziere ich für unseren IHK-Bezirk: Der Verdrängungswettbewerb im Handel wird noch intensiver und härter. Das geht vor allem zu Lasten der klassischen, meist inhabergeführten Fachgeschäfte, die die meisten Arbeitsplätze im Handel schaffen“, so der Vorsitzende des IHK-Handelsausschusses und IHK-Vizepräsident, Edwin Sperling. Nach Meinung Sperlings belaste diese Entwicklung vor allem die klassischen Handelsstandorte in Innenstädten und Stadtteilzentren. „Wenn dieser Trend anhält, dann geht es in Zukunft nicht mehr nur allein um die Entwicklung des Einzelhandels.
Wenn Versorgungsfunktionen nicht mehr in den Grund-, Mittel- und Oberzentren konzentriert werden, geht es zu einem großen Teil um die Zukunft unserer Städte“, so Sperling, selbst Inhaber eines Einzelhandelsgeschäftes in Zerbst.

Laut IHK stecke der Einzelhandel seit Jahren in einer Strukturkrise mit stagnierenden Umsätzen. Für 2009 werde beim Umsatz ein nominelles Minus von zwei Prozent erwartet. Der Einzelhandel bleibe auch in nächster Zeit in schwierigem Fahrwasser. Deshalb will die IHK in den nächsten Wochen in allen größeren Städten des IHK-Bezirks vor Ort mit Einzelhändlern, Bürgermeistern und Abgeordneten die Ergebnisse des Handelsatlas diskutieren. Auf der Basis der Analyse sollen Lösungsmöglichkeiten für mehr Einzelhandel, Vielfalt und Qualität in den Städten aufgezeigt werden.

Acht Handlungsempfehlungen hat die IHK dafür formuliert, fünf davon richten sich an die Kommunen und lauten: Erstellung von Einzelhandels- und Zentrenkonzepten zur baurechtlichen Steuerung der Handelsentwicklung, Erreichbarkeit der Innenstädte durch Zugänglichkeit und Parkräume für Autokunden und ÖPNV-Anbindung, ausgewogener Branchen- und Funktionenmix, Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit für Innenstädte und Stadtteilzentren sowie ein gutes Stadtmarketing. Der Unternehmerschaft rät die IHK zu verstärkter Kooperation und privaten Initiativen. „Vor allem Immobilienbesitzer, die über Nutzung, Mieter und Zustand ihrer Gebäude entscheiden, müssen stärker in Quartiers-, Stand-ort-, City- oder Werbegemeinschaften eingebunden werden“, so der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Reinhard Schröter, der den Händlern darüber hinaus empfiehlt, die Geschäfte in einer Straße, einem Stadtteil oder in der ganzen Stadt zu einheitlichen Zeiten zu öffnen: „Die Kunden erwarten in der Stadt Transparenz und Verlässlichkeit genau wie in den Einkaufszentren“. Genauso wichtig ist es nach Meinung Schröters, dass die Einzelhändler in den Städten noch enger in City-, Straßen- oder Werbegemeinschaften zusammenarbeiten, ihre Angebots- und Werbestrategien besser aufeinander abstimmen und gemeinsame Aktionen wie Straßen- oder Stadtfeste für ihre Kunden organisieren.

Der mittlerweile vierte IHK-Handelsatlas dokumentiert Verkaufsflächen für alle zentralen Orte und Sondergebiete im Süden Sachsen-Anhalts und enthält regionalwirtschaftliche und handelsrelevante Daten zu Bevölkerungsentwicklung und Kaufkraftvolumen. Einzelhändler können damit ihr unmittelbares Marktumfeld bewerten und notwendige Entscheidung zum eigenen Standort und zum eigenen Sortimentsangebot ableiten. Kommunen soll er helfen, das vorhandene Verkaufsflächenangebot zu bewerten, regionale Einzelhandelskonzeptionen zu entwickeln und neue Ansiedlungsbegehren objektiv zu bewerten. Der IHK-Handelsatlas ist als CD erschienen und kann gegen eine Schutzgebühr von 35,00 € (für IHK-Mitgliedsunternehmen kostenfrei) bei der IHK unter der Telefonnummer 0345 2126262 bestellt werden.