Jahreskonferenz der Leopoldina

von 2. Oktober 2009

Am Freitagvormittag wurde in Halle (Saale) die Jahresversammlung der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Die Konferenz der Nationalen Akademie der Wissenschaften dauert noch bis zum Sonntag und steht unter dem Motto „Computermodelle in der Wissenschaft – zwischen Analyse, Vorhersage und Suggestion“. 500 Mitglieder der Leopoldina aus aller Welt werden dazu erwartet. Die Veranstaltung ist öffentlich.

Im Rahmen der Feierlichen Eröffnung wurden herausragende Persönlichkeiten der Wissenschaft mit Preisen geehrt. Eduard Seidler und Karl Decker erhielten die Cothenius-Medaille, Axel Meyer und Frederic Merkt wurden mit der Carus-Medaille geehrt. Thomas Cremer wurde die Schleiden-Medaille und Heinz Saedler die Mendel-Medaille sowie Ernst-Ludwig Winnacker die Verdienstmedaille überreicht . Der Carl-Friederich-von-Weizsäcker-Preis geht an den Molekularbiologen und Bürgerrechtler Jens Reich. Außerdem verliehen wurden der Leopoldinapreis für junge Wissenschaftler an Dagmar Bock, der Georg-Uschmann-Preis für Wissensgeschichte an Milena Wazeck und der Thieme-Preis für Medizin an Bodo Grimbach.

Während der Jahresversammlung findet die Tagung „Computermodelle in der Wissenschaft“ im K & K Kongress- und Kulturzentrum statt. Sie widmet sich einem Thema, das in der Wissenschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt. Nicht allein Technik- und Naturwissenschaften, sondern auch die Lebens-, die Sozial- und Kognitionswissenschaften sowie die Kunst sind immer stärker durch eine Informatisierung gekennzeichnet. Darüber, welche Möglichkeiten und Grenzen die Computermodellierung in den Lebenswissenschaften aufweist, berichtet der wissenschaftliche Organisator des Tagungsprogramms Prof. Dr. Thomas Lengauer vom Max-Planck-Institut für Informatik in seinem Festvortrag. Weitere Vorträge präsentieren die methodischen Grundlagen der neuen Technologien, berichten über Erfolge bei deren Einsatz in Naturwissenschaft, Technik, Medizin und Wirtschaftswissenschaften und diskutieren Probleme und Grenzen des neuen Ansatzes. So diskutiert Prof. Dr. Ernst Pöppel, Ludwig-Maximilians-Universität München, welchen Einfluss digitale Modelle und deren Visualisierung auf den Eindruck des Menschen von der Welt haben. Der Vortrag von Prof. Dr. Klaus-Robert Müller, Technische Universität Berlin, präsentiert eine Technologie, mit der Computer mit Gedanken gesteuert werden können. Die Junge Akademie beleuchtet wissenschaftshistorische Aspekte des Themas.

Der traditionell öffentliche Vortrag am Freitagabend zeigt auf, wie Mathematik zu zuverlässigen und kostengünstigen Telefonnetzen beitragen kann. Prof. Dr. Martin Grötschel, Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin, erläutert anhand dieses Beispiels praktische und effiziente Verfahren zur Lösung schwieriger kombinatorischer Optimierungsprobleme.

Gäste der Jahresversammlung sind auf Einladung der Leopoldina und der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) in diesem Jahr auch 70 herausragende Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland. Sie erhalten die Chance, drei Tage lang Aktuelles aus der Wissenschaft zu erfahren und mit Spitzenforschern zu diskutieren. Die Schüler haben sich durch besondere Leistungen in Naturwissenschaften qualifiziert, wurden durch ihre Schulen vorgeschlagen und von der GDNÄ nach einheitlichen Kriterien ausgewählt. Die Begegnung mit den Spitzenforschern, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt wird, soll talentierte junge Menschen zu einem Berufseinstieg im Feld der Naturwissenschaften motivieren.
Außerdem hat die Leopoldina einen neuen Präsidenten. Der Mikrobiologe und derzeitige Präsident des Robert Koch-Instituts Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Jörg Hacker übernimmt das Amt im Frühjahr 2010 von Prof. Dr. Dr. h. c. Volker ter Meulen, der die Akademie seit 2003 leitet. Hacker wird der XXVI. Präsident der Leopoldina. Seit dem 1. Januar 2009 wird das Amt des Präsidenten hauptamtlich wahrgenommen.

Jörg Hacker wurde am 1. Oktober 2009 vom Senat der Leopoldina in geheimer und schriftlicher Abstimmung gewählt. Er übernimmt sein Amt am 1. März 2010. Der Termin für die feierliche Amtsübergabe wird noch bekannt gegeben. „Mit Jörg Hacker übernimmt ein herausragender und angesehener Wissenschaftler die Leitung der Leopoldina“, so der amtierende Präsident Volker ter Meulen während seiner Ansprache anlässlich der Eröffnung der Jahresversammlung der Leopoldina am 2. Oktober 2009. „Mit ihm an der Spitze wird unsere Akademie weiter gedeihen und ihre nationalen und internationalen Ziele als Nationale Akademie der Wissenschaften erreichen.“

Unter der Leitung von Volker ter Meulen wurde die Deutsche Akademie der Naturforscher von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz zur Nationalen Akademie der Wissenschaften ernannt und mit den Aufgaben einer Nationalakademie ausgestattet. Dieser Beschluss trat am 14. Juli 2008 in Kraft. Eine neue Aufgabe ist die unabhängige Beratung von Politik und Gesellschaft zu aktuellen wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Themen mit dem Ziel, drängende Zukunftsfragen aufzuzeigen, die aus wissenschaftlicher Sicht fächerübergreifend bearbeitet werden sollten. Als Nationale Akademie der Wissenschaften pflegt die Leopoldina enge Verbindungen zur Wissenschaft im europäischen und außereuropäischen Ausland und repräsentiert deutsche Wissenschaftler in internationalen Gremien, in denen auch andere nationale Akademien wie die englische Royal Society, die französische Académie des Sciences oder die amerikanische National Academy of Sciences vertreten sind.

Jörg Hacker wurde 1952 in Grevesmühlen / Mecklenburg geboren. Er studierte von 1970 bis 1974 Biologie mit Schwerpunkt Genetik und Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität in Halle an der Saale. Nach der Promotion in Halle im Jahre 1979 und der Habilitation am Institut für Mikrobiologie der Universität Würzburg im Jahre 1986 war Jörg Hacker von 1988 an Professor für Mikrobiologie in Würzburg. Im Jahre 1993 wurde ihm die Leitung des Würzburger Institutes für Molekulare Infektionsbiologie übertragen. Jörg Hacker hat verschiedene Auslandsaufenthalte absolviert, zwei sechsmonatige Forschungsaufenthalte führten ihn im Jahre 2000 und 2005 an das Institut Pasteur in Paris. Im Jahre 2006 nahm er als Fellow des "Sackler Institute for Advanced Studies" eine Gastprofessur an der Tel Aviv University (Israel) wahr. Seit dem 1. März 2008 ist Hacker Präsident des Robert Koch-Instituts in Berlin.

Der zukünftige Präsident Jörg Hacker ist ein vielfach ausgezeichneter Forscher und erfahrener Wissenschaftsmanager. Von 2003 bis 2009 war er Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, eine Funktion, die ihn bereits in engen Kontakt mit der Politikberatung und der Vermittlung zwischen Forschung und Gesellschaft gebracht hat. Von 1996 bis 1997 war Hacker Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie. Jörg Hacker ist seit 1998 Mitglied der Leopoldina.