Kohle gemacht: Mibrag schafft 66 Millionen Euro Gewinn und kritisiert Bundesregierung

von 3. Mai 2011

Noch einmal werben, noch einmal loben. Am letzten Donnerstag stellte die Mibrag ihre Bilanz für das Jahr 2010 vor. „Wir wirtschaften auf solidem Fundament, das Mibrag durch Investitionen in modernste Bergbautechnik und in Umweltschutz, durch Innovationen unserer Mitarbeiter und durch Optimierung der Abläufe geschaffen hat", sagte Dr. Joachim Geisler, Vorsitzender der Geschäftsführung.

Und schickte das Sätzchen hinterher: "Darauf können wir bauen.“ – So etwas macht hellhörig. Auch wenn man zuweilen das Gefühl hat, in Sachsen bleibt alles beim Alten. Das mitteldeutsche Bergbauunternehmen fördert weiter Kohle. Und das bis zum jüngsten Tag. 2010 wurden in den Tagebauen Vereinigtes Schleenhain (Sachsen) und Profen (Sachsen-Anhalt) insgesamt 19,6 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert, knapp unter dem Niveau von 2009. Der Umsatz betrug 387,1 Millionen Euro (+ 0,6 Prozent). Das um bilanzielle Sondereffekte bereinigte Jahresergebnis vor Steuern und Zinsen lag bei 66,3 Millionen Euro (+ 18 Prozent).

Aber man hat auch in Zeitz, wo die Mibrag ihren Sitz hat, mitbekommen: Die Winde haben sich gedreht. Die Energiezukunft sieht etwas anders aus. Was kann man tun?

Man kann sich gegen die Entwicklung stemmen. Verbal tut es die Mibrag. Die Argumente kommen den Sachsen sehr vertraut vor. Wo hat man die nur schon gehört? In einer Rede des Ministerpräsidenten vielleicht?

Und so heißt es in der Mitteilung zum hübschen 66-Millionen-Euro-Gewinn: "Mibrag leistete 2010 einen verlässlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland. Der Anteil der heimischen Braunkohle an der Stromerzeugung betrug etwa 24 Prozent ungeachtet des steigenden Anteils der regenerativen Energien."

Und so überrascht auch nicht, dass der Vorsitzende der Geschäftsführung nicht nur besorgt ist, dass der Anteil der anderen Energien weiter steigen könnte. Er stellte Forderungen. Er forderte für die Branche "mehr Planungssicherheit, um die Zukunft der Energieunternehmen sowie der Zulieferer, Partner und der Region zu sichern". Eine Erwartung, die das Energiekonzept vom Herbst 2010 aus seiner Sicht nicht erfülle. Er meinte damit nicht das sächsische Energiekonzept. Das steht noch auf dem Stand von 2004 und gefällt der Mibrag, weil viel Braunkohle drin vorkommt.

Er meinte das Energiekonzept der Bundesregierung, die im September 2010 auch schon ein Stückchen weiter war als etwa die sächsische Landesregierung. Schon damals skizzierte das Brüderle-Ministerium: "Im Energiemix der Zukunft sollen die erneuerbaren Energien den Hauptanteil übernehmen. Auf diesem Weg werden in einem dynamischen Energiemix die konventionellen Energieträger kontinuierlich durch erneuerbare Energien ersetzt."

Das kann einem Braunkohlekonzern nicht gefallen. Das bedeutet entweder Verlust von Marktanteilen. Oder ein konsequentes Umdenken. War davon zu hören am 28. April? – Eher nicht.

Dr. Joachim Geisler: „Hierzulande muss deutlicher über das Spannungsfeld zwischen konventionellen und regenerativen Energien gesprochen werden. Die Industrie darf dieses Feld nicht denjenigen überlassen, die erneuerbare Energie so darstellen, als ob sie problemlos zum Null-Tarif zu haben ist. Für die nächsten Monate erwarten wir eine öffentliche Diskussion, die auch die Position der Braunkohle präziser als bisher definieren muss. Der heimische Rohstoff Braunkohle wird künftig noch dringender gebraucht, um für Industrie und Haushalte bezahlbare Energiepreise zu liefern.“

Und wer hilft der Mibrag dabei, künftig noch mehr Braunkohle zu fördern?

Für Geisler mit Blick auf die Länder Sachsen-Anhalt und Sachsen eigentlich klar: „Ich bin diesen Landesregierungen sehr dankbar für die klare Position zur Braunkohle.“

Das klingt gar nicht gut für die Bürger von Röcken und Umgebung. Und für die von Kieritzsch erst recht nicht. Hier wird aufgerüstet. Auch wenn der Kohlekonzern noch gar nicht weiß, wohin die Reise geht und ob er nach 2013 seinen Strom überhaupt noch absetzen kann. Dann muss er nämlich richtig Geld hinblättern für die CO2-Zertifikate.

Und dabei denkt man schon seit Sommer 2010 über die mögliche Zukunft des Unternehmens nach. "Mibrag verfolgt eine solide Unternehmensstrategie, die den Blick nach vorn richtet", teilte das Unternehmen mit. Noch so ein Satz, der stutzig macht. Wer eine solide Unternehmensstrategie hat, der plakatiert das nicht. Und der erzählt auch nicht gleich im nächsten Satz, dass man über die Zukunft eigentlich noch nachdenkt im Projekt „Fit für die Zukunft“. „Im intensiven Dialog mit unseren Mitarbeitern wurden und werden Entwicklungsmöglichkeiten des Unternehmens und der Region ausgelotet und konkrete Projekte angeschoben“, erklärte Dr. Joachim Geisler.

Verständlich, dass man da langsam unruhig wird. Nach fast einem Jahr sollte sich eigentlich Zukunft schon in Investitionsentscheidungen abzeichnen.

Dass ein Umschwenken schwer ist, ist folgerichtig. Wer so ein Unternehmen am Laufen halten muss, investiert zuallererst einmal in Dinge, die den Betrieb am Laufen halten – 41,7 Millionen Euro zum Beispiel für eine Grubenwasserreinigungsanlage bei Neukieritzsch oder eine komplexe Generalreparatur des Schaufelradbaggers SRs 2000/1528 und des Absetzers 1124 im Tagebau Vereinigtes Schleenhain.

"Und im Dezember ging unser erster Windpark bei Groitzsch ans Netz“, freute sich Horst Schmidt, Technischer Geschäftsführer der Mibrag. Ein Feigenblättchen oder eine mögliche Zukunft?
Das muss die Mibrag selbst in den nächsten zwei Jahren beantworten. Noch glaubt man, punkten zu können, wenn man jedes Jahr erzählt, wie wichtig der Braunkohleabbau als Wirtschaftsfaktor ist: "Die hohen Investitionen im Bergbau verschaffen regionalen Firmen attraktive Aufträge. Mibrag arbeitet mit 1.980 Dienstleistern und Zulieferern zusammen und setzte mit diesen Firmen mehr als 173 Millionen Euro im vergangenen Jahr um. Darunter sind knapp 1.000 Unternehmen aus Mitteldeutschland mit über 4.000 Beschäftigten."

Dass es wahrscheinlich eine Zukunft des Braunkohletagebaus geben wird, liegt weniger am Strom- und Wärmebedarf der Region. Auch wenn die Mibrag Unternehmen wie Dow Chemical, Südzucker AG in Zeitz und die Deutsche Bahn zu ihren Kunden zählt. Das kann sich sehr schnell ändern. Erst recht, wenn die Mibrag ab 2013 nicht mehr so günstige Konditionen anbieten kann.

Aber ein Pfund könnte das Knapperwerden eines ganz anderen Rohstoffs werden – des Erdöls. Denn das wird nicht nur als Sprit verbraucht oder als Heizöl, sondern auch als Rohstoff für die meisten Kunststoffe. Viele Produkte des Alltags haben da ihre Herkunft. Und dieses Öl muss ersetzt werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Kohlederivate.

Deswegen arbeitet die Mibrag gemeinsam mit verschiedenen Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen an innovativen, technischen Lösungen und beteiligt sich an der Innovativen Braunkohlen Integration in Mitteldeutschland (ibi) sowie am Deutschen EnergieRohstoff-Zentrum (DER).

(Ralf Julke / l-iz.de)