Kritik an Zuteilung der Wissenschaft zum Wirtschaftsministerium

von 1. April 2011

Derzeit laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD zur Bildung einer neuen Landesregierung in Sachsen-Anhalt auf Hochtouren. Unter anderem ist eine Neuverteilung der Ministerien vorgesehen. Dabei soll der Wissenschaftsbereich des Kultusministeriums an das Wirtschaftsministerium gehen. Die jetzige Kultusministerium Birgitta Wolff hatte diesen Vorschlag geäußert.

Dies sei ein "eklatanter und abenteuerlichen Eingriff in die Bildungs- und Kulturlandschaft des Landes", erklärte der GEW-Landesvorsitzende Thomas Lippmann. Die Gewerkschaft fordert von den Koalitionären, diese Idee sofort fallen zu lassen. „Die Hochschulen sind keine Wirtschaftseinrichtungen und unterliegen nicht dem Markt“, so Lippmann. Nach dem Hochschulgesetz des Landes, so der Landeshauptausschuss, dienen die Hochschulen „der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften und der Künste durch Forschung und künstlerische Vorhaben sowie durch Lehre, Studium, Weiterbildung und Kunstausübung.“ Lippmann weiter: „Es gab schon vor Jahren die Fehlentscheidung, die obere Schulaufsicht dem Landesverwaltungsamt und damit dem Innenministerium zuzuschlagen. Künftig den Wirtschaftsminister zum Vorgesetzten der Professoren zu machen, ist einfach absurd. In beiden Fällen ging und geht es offensichtlich darum, handelnde Personen mit Posten zu versorgen und ihnen möglichst viel Einfluss zu sichern. Dass dabei alle fachlichen Argumente auf der Strecke bleiben, scheint wenig zu interessieren.“ Die Weiterentwicklung der akademischen Bildung durch Studienreformen und eine verbesserte Lehrerbildung für eine moderne Schule, aber auch die Pflege der reichen Kunstsammlungen der Hochschulen gehören in ein Kultusministerium, das eher noch durch den frühkindlichen Bildungsbereich zu erweitern ist. Die GEW erwartet, so der Beschluss, „von den Spitzen der CDU und der SPD im Lande, sich sofort von diesen Planspielen zu verabschieden. Wenn sich die künftige Landesregierung nicht dem Verdacht aussetzen will, das hohe Gut der akademischen Lehre, Forschung, medizinischen Betreuung und Pflege der Künste marktwirtschaftlichen Strukturen unterwerfen zu wollen und damit als wissenschaftsfeindlich zu gelten, müssen sich Haseloff und Bullerjahn sofort erklären. Der Fehlstart in die neue Regierungsperiode wäre sonst vorprogrammiert.

Auch die Piratenpartei Sachsen-Anhalt lehnt die Verlegung des Hochschulbereichs vom Kultusministerium zum Wirtschaftsministerium ab. Bildung dürfe nicht davon abhängen, wie viel Geld ein Investor bereit ist zu zahlen. Bildung müsse danach ausgerichtet sein, welchen Mehrwert sie für die gesamte Gesellschaft habe und nicht danach, wie viel Geld sich mit den Forschungsergebnissen verdienen lasse. "Eine durch die Zuschlagung zum Wirtschaftsministerium forcierte Fokussierung auf das noch schnellere Durchlaufen der Hochschulen kann nur bedeuten, dass Akademiker erst recht zur reinen Produktionsware werden, soziale Aspekte werden komplett ignoriert", so Alexander Magnus, Kreisvorsitzender der Piratenpartei Magdeburg und selbst Student an der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Bildung sei eines der höchsten Güter in Sachsen-Anhalt, welches Sachsen-Anhalt exportieren könne. "Hochgeschwindigkeitsstudieren" sorge aber für einen eklatanten Mangel an Qualität der Bildung und an der Ausbildung von sozialen Kompetenzen.

„Hier bricht sich eine krude Marktlogik Bahn, die Herr Haseloff bereits im Wahlkampf als die Seine unterstrichen hat“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Linken, Wulf Gallert. Das Wissenschaftspotential des Landes dürfe nicht unter kurzschlüssigen Verwertungsmöglichkeiten behandelt werden, „einem derartig engstirnigen Wissenschaftsverständnis ist energischer Widerstand entgegenzusetzen. Es muss vielmehr darum gehen, die Landeskompetenzen im hochschulpolitischen Bereich so zu nutzen, dass in Sachen-Anhalt die Voraussetzungen für eine exzellente und demokratische wissenschaftliche Bildungs- und Forschungslandschaft geschaffen werden. Im interessengeleiteten Korsett der Wirtschaft kann das nicht gelingen“, so Gallert. „Anstatt das Wissenschaftspotential des Landes zu verhökern, sollten sich CDU und SPD den tatsächlichen Problemen in diesem Bereich zu wenden. Neben der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen verweisen Bestandsaufnahmen zum Zustand des Hochschulwesens auf eklatante Defizite. Zu viel Potential bleibt durch soziale Ausgrenzung im Bildungswesen ungenutzt, die Hochschulen sind nicht hinreichend ausgestattet, um allen, die es zum Studium schaffen, die Bedingungen für eine exzellente Ausbildung zu bieten.“