Kürzungen bei den Hochschulen: wie weiter?

von 17. Juli 2009

(ens) Den Hochschulen in Sachsen-Anhalt drohen massive Kürzungen. Weil Steuereinnahmen wegen der Finanz- und Wirtschaftkrise wegbrechen, stellt Finanzminister Jens Bullerjahn auch Mittel für die Hochschulen in Frage. 53 Millionen Euro sollen die Universitäten im Land in den nächsten zwei Jahren weniger bekommen. HalleForum.de hat sich mit Wulf Diepenbrock, Rektor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg über die Sparpläne unterhalten.

Herr Diepenbrock, welche Auswirkungen hätten die geplanten Kürzungen auf die Uni Halle?
Die Sparpläne des Finanzministers bedeuten schlicht weg, dass wir unsere Bedingungen nicht mehr erfüllen können um den Hochschulpakt 2020 aufrecht zu erhalten. Der Hochschulpakt ist verabschiedet worden zwischen Bund und Ländern und setzt ganz eindeutig voraus, dass Aufrechterhalten der Studierendenzahlen des Jahres 2005 unter Berücksichtigung eines demografischen Faktors. Und das schaffen wir nur bei einer Beibehaltung der jetzigen Strukturen.

Dabei ist das Geld ja jetzt schon knapp …
Die Universität ist jetzt schon unterfinanziert mit 88 Stellen. Wir kämpfen täglich mit dieser Situation. Und wenn der Finanzminister sich durchsetzen würde, könnten wir in unserem Stellenplan jede fünft bis sechste Stelle nicht mehr besetzen. Das trifft besonders den wissenschaftlichen Mittelbau. Also die jungen Menschen, auf die das Land Sachsen-Anhalt sehr große Hoffnungen setzt im Hinblick auf seine kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung. Das sind die hoffnungsvollen jungen Leute, die bei uns auf befristeten Arbeitsverhältnissen geführt werden, und die einfach keine Perspektive mehr bei uns an der Universität sehen und natürlich den altbekannten Weg gehen, das Land zu verlassen. Hier sehe ich ganz erhebliche Risiken sowohl für die Universität, als auch für die Landesentwicklung. Bei den Studierendenprotesten wurde ja schon deutlich, dass die Situationen bei den Studierenden angekommen ist. Sie merken, dass die Betreuungsrelationen nicht mehr so gut sind wie früher und dass gerade im wissenschaftlichen Mittelbau Personal fehlt. Und sie merken, dass die Attraktivität dieser Universität zumindest partiell abnimmt. Gerade die Studentenproteste sind ein wichtiger Seismograph für diese Fakten.

Da sind wird auch schon bei einer guten Überleitung. Was bedeuten die Kürzungen für den Universitäts- und Wissenschaftsstandort auch in Bezug auf Attraktivität und Forschungspotentiale?
Die Martin-Luther-Universität ist momentan in der Lehre und der Forschung sehr gut sichtbar aufgestellt. In der Lehre bieten wir etwa 180 Studienprogramme im Bachelorbereich an und machen dafür auch bundesweit Werbung, um insbesondere Abiturienten aus den alten Bundesländern ins Land zu holen. Diese Strategie greift. Der erste Überblick über die neuen Bewerberzahlen zeigt, das wir hier sehr erfolgreich sind. Und das würde durch solche Sparpläne völlig in Frage gestellt werden. Wobei ich sagen muss: die Hochschulen sind die einzigen Institutionen im Lande, die der katastrophalen und voraussehbaren demographischen Entwicklung gegensteuern können. Die Universitäten sind die Institutionen, die junge Leute ins Land holen. Und wenn man dann die Institutionen am langen Arm verhungern lässt und weniger attraktiv macht, dann ist das ein großes Risiko nicht nur für die Hochschulen, sondern für die Landesentwicklung insgesamt.

Im Bereich der Forschung gilt eigentlich gleiches. Wir haben im Hochschulpakt ja auch die neue Exzellenzinitiative des Bundes verankert. Und die beiden Universitäten im Land sind hervorragend in ihren Spitzenforschungsprojekten aufgestellt. Sie haben eine internationale Sichtbarkeit erreicht. Und auch dieses wäre bei den Kürzungen in Frage gestellt. Alles in Allem: die Attraktivität der Hochschulen und insbesondere der beiden Universitäten würde dramatisch sinken.

Sehen Sie eigentlich überhaupt noch Sparpotentiale an der Hochschule?
Einsparpotentiale sind deshalb nicht vorhanden, weil der Bund und die Länder den Hochschulpakt 2020 vereinbart haben. Und in diesem Hochschulpakt steht, dass wir unsere Studierendenzahlen aufrecht erhalten auf dem Niveau von 2005 unter Einbeziehung einer demographischen Klausel. Und dies können wir nur mit unsere jetzigen Struktur. Kürzungen würden auf jeden Fall eine neue Strukturdebatte auslösen, worauf wir überhaupt nicht vorbereitet sind und auf die wir kurz- und mittelfristig auch überhaupt nicht reagieren könnten.

Wie wollen Sie die Kürzungen eigentlich noch verhindern?
Die MLU hat zur Zeit 20.000 Mitglieder, davon 18.000 Studierende. Und die Studierenden merken schon an ihrer Studiensituation, dass vieles droht aus dem Lot zu gerate. Das heißt, die Studierenden schaffen sich schon Gehör. Und die Hochschulleitung wird Gespräche aufnehmen mit Mitgliedern des Kabinetts sowie mit Parlamentariern und den Fraktionsvorsitzenden sprechen, um auf die Dramatik der Lage hinzuweisen, die für jedermann eigentlich schon deutlich vor Augen sichtbar ist.

An der Uni Halle stehen einige Bauprojekte an. Hätten die Kürzungspläne darauf Auswirkungen?
Nein. Die großen Baumaßnahmen sind abgesichert. Zur Zeit sind wir dabei den Standort Heide-Süd zu beziehen. Das wird noch diesen Herbst geschehen. Dann haben wir Baufreiheit beim Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Zentrum in der Emil-Abderhalden-Straße. Also die großen Baumaßnahmen sehe ich derzeit nicht gefährdet.