Landesregierung zieht 100-Tages-Bilanz

von 28. Juli 2011

Seit genau 100 Tagen ist Sachsen-Anhalts neue Landesregierung mit Ministerpräsident Reiner Haseloff im Amt. Etliche Streite gab es in diesen Tagen, so unter anderem um den Landeshaushalt. Die Ressorts wollten nicht Federn lassen, die Parteien rebellierten gegen einen Verkauf der Uniklinik in Halle. Doch auch die Debatte um das „Eierstockgehabe“ und die Kennzeichnung von Polizisten brachten die Landesregierung in die Schlagzeilen.

Die Bilanz nach 100 Tagen fällt trotzdem positiv aus. „In den ersten 100 Tagen sind wichtige Entscheidungen für eine gute Zukunft des Landes getroffen worden“, erklärte Ministerpräsident Haseloff. Eine wichtige Weichenstellung nannte er den Eckwerte-Beschluss für den Doppelhaushalt 2012/13. „Die Koalition beweist Handlungsstärke und bringt ihre wichtigsten Vorhaben konsequent auf den Weg.“ Die Eckwerte seien Ausdruck des politisch Machbaren, „und sie setzen wichtige politische Schwerpunkte für die Zukunft. Unsere Finanz- und Haushaltspolitik geht vom Dreiklang Konsolidieren, Vorsorgen, Investieren aus.“ Der finanzpolitische Kurs zeige in die richtige Richtung, ergänzte auch Finanzminister Jens Bullerjahn. „Nur wer seine Schulden nicht weiter anwachsen lässt, wer im Gegenteil versucht, die Schulden und damit die Zinslast endlich zu begrenzen und abzubauen, der wird die Spielräume im Landeshaushalt bekommen, die man braucht, um ein Land attraktiv gestalten zu können – daran arbeiten wir weiter."

Hierzu seien in den ersten 100 Tagen wichtige Weichen gestellt worden, wie die Neujustierung der Wirtschaftsförderung. Hierbei soll die forschungs- und entwicklungsbezogene Wirtschaftsförderung noch enger mit der Wissenschaftsförderung verzahnt werden. Dadurch wolle man innovationspolitische Akzente setzen und Wert schöpfende Arbeitsplätze schaffen. Die Fokussierung liege auf der Schaffung innovativer und qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze. Trotz des Konsolidierungskurses würden deshalb mehr Mittel für die Bildung zur Verfügung gestellt, und die Investitionen bleiben auf einem hohen Niveau. Haseloff: „Mit diesen grundsätzlichen Entscheidungen werden Bildung und Innovation als wichtige Zukunftsressourcen weiter ausgebaut und nachhaltig gestärkt. Wir setzen im Interesse unseres Landes Stück für Stück die für die kommenden Jahre notwendigen Veränderungen um. Das Gemeinwohl hat nicht nur einen Gegenwartsbezug, sondern auch eine in die Zukunft weisende Bedeutung. Wir wollen Generationengerechtigkeit schaffen und dabei die Balance zwischen Leistungsorientierung und Solidarität halten.“

„Die SPD-Fraktion ist erwartungsgemäß gut und ohne Probleme in die neue Wahlperiode gestartet. Hier zahlen sich sowohl die personelle Kontinuität als auch die Substanz in der inhaltlichen Arbeit aus“, erklärte Katrin Budde, Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion. Die Stärke der Fraktion liege zum einen in der guten Zusammenarbeit. „Heute gilt wie in der letzten Wahlperiode: Die SPD funktioniert als Team. Wir haben eine gute Mischung aus erfahrenen Parlamentarierinnen und Parlamentariern und neuen Kolleginnen und Kollegen. Hier ergänzt sich Erfahrung mit neuen Ideen. Das gilt übrigens auch für die sozialdemokratische Regierungsmannschaft.“ Zum anderen könne die SPD auf ihre substanzielle inhaltliche Arbeit bauen. „Wir haben schon in der letzten Legislaturperiode viele eigene Aspekte gesetzt und daneben die Arbeit der Landesregierung sehr intensiv und wo nötig kritisch begleitet, wir haben in der SPD eine lange und eingehende Diskussion um das Wahlprogramm geführt und wir sind professionell vorbereitet in die Koalitionsverhandlungen gegangen. Davon profitieren wir heute und werden es auch in den nächsten Jahren tun.“ Die parlamentarische Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner bewertet die SPD-Chefin nach den Erfahrungen der ersten 100 Tage als weitgehend gut. „Der Koalitionspartner musste sich nach dem Umbruch in Fraktion und Regierung natürlich erst mal sortieren, aber die Zusammenarbeit mit der neuen Fraktionsspitze verläuft bislang ohne Probleme. Ich gehe davon aus, dass das auch zukünftig so bleibt. Die Anzeichen sprechen dafür.“ Budde kündigte an, die SPD-Fraktion werde für ein selbstbewusstes und gestaltendes Parlament eintreten. „Das ist selbstverständlich, schließlich haben wir eine parlamentarische Demokratie. Wir brauchen also ein starkes Parlament. Für diese Koalition gilt daher: Legislative und Exekutive sind Partner auf Augenhöhe. Die Erfahrungen der letzten Legislaturperiode haben gezeigt, dass die Koalition immer dann am besten regiert hat, wenn beide Partner Hand in Hand gearbeitet haben.“ Als politische Schwerpunkte der nächsten Wochen und Monate sieht die Fraktionsvorsitzende die bevorstehenden Haushaltsverhandlungen, die Kommunalfinanzen, die Verbesserungen bei der Kinderbetreuung mit dem Ganztagsanspruch für alle Kinder, die Entwicklung von besseren Bildungschancen, die Weiterentwicklung einer umweltgerechten und bürgerfreundlichen Energiepolitik sowie die Erarbeitung eines Vergaberechts mit Sozialstandards. „Am Haushalt wird sich vieles festmachen“, erklärt Budde. „Wir wissen alle, dass Sachsen-Anhalt weniger Geld haben wird. Das erklärt die Härte der Diskussionen um die Haushaltseckwerte. Wir werden trotzdem darauf achten, dass es mit Sachsen-Anhalt vorangeht und dass wir etwas für die Lebenschancen der Menschen tun können.“

André Schröder, Fraktionsvorsitzender der CDU, sieht seine Fraktion nach der Neuaufstellung zu Beginn der Wahlperiode auf einem guten Weg. Gleichzeitig kündigte er einen aktiven Herbst im Landtag an. „Wir haben unsere parlamentarische Rolle gefunden, sind handlungsfähig und für den Koalitionspartner verlässlich. Darüber hinaus hat die Fraktion in der Diskussion zu den Haushaltseckwerten gegenüber der Landesregierung Selbstbewusstsein gezeigt“, so Schröder. Die Parlamentsarbeit habe Fahrt aufgenommen, wie man den inzwischen etwa 80 Initiativen entnehmen könne. Schröder kündigte einen aktiven parlamentarischen Herbst an. Man werde mit dem Koalitionspartner mehrere Initiativen abstimmen. Als Beispiele nannte er den demografischen Wandel, Mobilität im ländlichen Raum, zukunftsfähige Städtebauförderung und die Begleitung gesetzgeberischer Aktivitäten in den Bereichen Bildungs- und Energiepolitik sowie Vergaberecht und Kommunalfinanzen. Zentrales Thema bleibe weiter der Doppelhaushalt 2012/2013. „Der Schwerpunkt der neu aufgelegten Koalition liegt nicht auf Kontinuität, sondern in der Weiterentwicklung. Die damit verbundenen Veränderungen bei Zuständigkeiten und handelnden Akteuren haben zu einem erhöhten Abstimmungs- und Kommunikationsbedarf geführt. Das Maß der Zusammenarbeit im Detail hat auch deshalb zwischen Regierung und Koalitionsfraktionen deutlich zugenommen. Die CDU-Fraktion wird mit ihrem Handeln künftig verstärkt die Koalition mit Leben erfüllen“, so Schröder abschließend.

„Selten ist eine Landesregierung so holprig in eine neue Legislaturperiode gestartet wie diese. Abgesehen von Pannen, Peinlichkeiten und Personalquerelen hat die Landesregierung nichts Konkretes geliefert. Die Regierung verwaltet, statt zu gestalten und dies leider wie blutige Anfänger“, erklärte der FDP-Landesvorsitzende Veit Wolpert. „Herr Haseloff hat es mit wirren, teils fehlerhaften Aussagen bereits nach 100 Tagen geschafft, das Ansehen des Landes auf Bundesebene zu vernichten. Ernst genommen wird Sachsen-Anhalt in Berlin seit dem 19. April nun nicht mehr.“ Beispiele für die Pannen des Kabinetts gebe es viele, so der vermasselte Fördermittelantrag für den Bau der A 14 oder die Privatisierungsdiskussion, durch die es in der SPD zu offenen Flügelkämpfen kam. Das Justizministerium lasse sich zur Frauenförderung in einen Arbeitskreis des Ministerpräsidenten entsenden, während der Innenminister über einen Radikalenerlass nachdachte. „Das gesamte Kabinett billigt einen Haushaltsentwurf der den Kommunen den finanziellen Boden unter den Füßen wegzieht, ohne eigene substantielle Sparanstrengungen anzustellen. Und von der Richtlinienkompetenz oder dem Gestaltungswillen von Herrn Haseloff ist nichts zu spüren“, so Wolpert. „Die ersten 100 Tage der Landesregierung sind gehörig schief gelaufen. Es gibt für die Landesregierung keinen Grund zu feiern. Selters statt Sekt sollte sich das Kabinett gönnen.“

„Die Landesregierung legte in ihren ersten 100 Tagen den erwartet schlechten Start vor. Er war bereits dadurch gekennzeichnet, dass Ministerpräsident Haseloff bei seiner Wahl eine denkbar schwache Zustimmung in den eigenen Koalitionsreihen hatte", erklärte Wulf Gallert, Fraktionsvorsitzender der Linken. "Die realen Probleme und Konflikte in der Landespolitik sind von den Koalitionspartnern sowohl im Wahlkampf als offenbar auch in den Koalitionsverhandlungen unausgesprochen geblieben. Und das rächt sich nun – in der Folge sind notwendige politische Richtungsentscheidungen zu Beginn der Legislaturperiode ausgeblieben. Dies ist auch der Grund dafür, warum der Koalitionsvertrag immer deutlicher seinen höchst unverbindlichen Charakter eines Wunschzettels zutage treten lässt." In den zentralen Fragen der Landespolitik wie der Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen, Entwicklung der Schullandschaft, nachhaltige Entwicklung der öffentlichen Daseinsvorsorge gebe es bei den Koalitionspartnern entweder keinerlei perspektivische oder aber sich grundlegend widersprechende Ansätze. "Daran ändern auch Prima-Klima-Beteuerungen der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen nichts – es bleibt bestenfalls bei unverbindlichen Ankündigungen", so Gallert. "Diese Situation der Unschärfe bei wichtigen politischen Entscheidungsfindungen eröffnet für die Opposition natürlich Chancen, da es so möglich wird, mit Hilfe von gesellschaftlichen Initiativen, von gesellschaftlichem Druck politische Richtungsentscheidungen der Koalition und der Landesregierung maßgeblich von außen zu beeinflussen. Dies – siehe z.B. Universitätsklinika – ist bereits geschehen, und es wird sich fortsetzen. Die Landesregierung samt der sie tragenden Koalition, die nun wirklich in keinerlei Zusammenhang als „große“ bezeichnet werden kann, haben schwach angefangen, um dann stark nachzulassen. Diverse Auslassungen des Ministerpräsidenten haben ein Übriges dazu getan, wobei er in diesem Konzert wahrlich nicht alleine dasteht." Die Linke werde als Oppositionsführerin ihre politischen Ziele konsequent in die öffentliche Debatte einbringen, man sei inhaltlich dafür bestens gerüstet. "Landesregierung und Koalition werden dem nicht ausweichen können", so Gallert.