Liberale wollen Potenziale nutzen

von 13. März 2016

Inzwischen sind jedoch etliche neue Parteien entstanden. Die anderen Parteien haben sich die FDP-Themen aufgeteilt. Den neoliberalen Teil, mit der die FDP vor ihrem Absturz kokettierte, hat inzwischen die AfD aufgesaugt. Am Linksliberalismus versucht sich indes die Linkspartei.

Immerhin: Die FDP-Wahlplakate sahen anders aus als in der Vergangenheit und einige Kandidaten auch. Frisch, jung, unverkrampft und mit gutem Gespür, wo die anderen patzten, zeigten sich die Blaugelben. Allerdings eiferten einige Plakatmacher offenbar dem Frauenversteher-Brüller von Wulf Gallert (Linke) nach. Frank Sitta plakatierte den “Vorwärtsruck” und zog prompt die Zerstörungswut linker Aktivisten auf sich, die dem Pawlowschen Reflex gleich “Rechtsruck” lasen.

Ihr Wahlprogramm breitete die FDP auf 50 Seiten aus. Arbeit, von der man gut leben kann, schlauer sein als alle Anderen und Wohlstand in Sicherheit genießen, Bürger ernsthaft beteiligen – das waren die zentralen Themen. “Sachsen-Anhalt hat viele Potenziale. Wir nutzen sie zu wenig”, las man in der Einleitung des Wahlprogramms. Stimmt! Das wird auch in Halle an der Saale seit zehn, wenn nicht 20 Jahren beklagt. Die große Koalition (CDU/SPD) verwalte den Niedergang und halte die rote Laterne (Schlusslicht). Mit der FDP wäre das Regieren also eine saubere Sache? Rückblick: 1993 musste unter anderem ihr Wirtschaftsminister Horst Rehberger, wie das ganze Kabinett Werner Münch (CDU), wegen einer Gehälteraffäre zurücktreten, die bundesweit Schlagzeilen machte. In der Nachfolgeregierung mit Christoph Bergner (CDU) war schon nach einem Jahr endgültig Schluss. Dass Rehberger 2002 unter Wolfgang Böhmer in der selben Funktion wieder auftauchte, war ein klassisches Beispiel für die Stehaufmännchen-Mentalität der FDP. 2003 hatte Sozialminister Gerry Kley (FDP) einen Akt sozialer Kälte zu verantworten: Um Geld zu sparen, wurde arbeitslosen Eltern der Kita-Betreuungsanspruch für ihre Kinder auf fünf Stunden pro Tag gekürzt. Nur zwei Jahre später kam dagegen ein Volksbegehren zustande. Weitere acht Jahre später war die Änderung wieder vom Tisch. Cornelia Pieper (FDP) kandidierte 2002 für den Deutschen Bundestag unmittelbar nachdem sie bei Landtagswahl in Sachsen-Anhalt als Spitzenkandidatin angetreten war und 13,3 Prozent der Stimmen kassiert hatte. Die Wähler nahmen das später als Verrat wahr.

Die Menschen in Sachsen-Anhalt sind genauso gut wie die Menschen anderer Bundesländer. Sie werden nur schlecht regiert, schmeichelte die FDP dem Wähler-Ego. Da gibt es andere Theorien, wonach in strukturschwachen Regionen am Ende nur die Strukturschwachen bleiben. Dass das Land Potenzial hat, haben allerdings schon so viele, auch Auswärtige, gesagt. Es muss also was dran sein. Die FDP will Tempo machen für den Sprung nach vorn. Damit das gelingt, soll die Bürokratie abgebaut werden. In Deutschland braucht man dafür, allen Erfahrungen nach, mindestens zwei Buschmesser. Die FDP will nicht mehr auf Investoren warten, sondern Menschen unterstützen, die hier starten wollen. Sie sollen in 48 Stunden gründen können und zwei Jahre allen unnötigen Befragungen, Dokumentationspflichten und Zwangsmitgliedschaften ausgenommen werden. Gute Idee. Die FDP will Startups voranbringen, sogar finanziell. “Unser Ziel ist es, dass ein neues Unternehmen sich trauen kann, zuerst einen Ingenieur, Designer oder Informatiker einzustellen, statt eines Steuerberaters und eines Justiziars.” Dieses Herangehen ist in der Tat überfällig.

Die FDP will mehr Geld für Wissenschaft und Forschung, statt für “soziale Wohltaten”. Beifall für den ersten Teil, Fragezeichen hinter den zweiten! Die FDP lehnt jegliche “ideologische Hürden” bei Wissenschaft und Forschung ab. Zu einer solchen Hürde zählt sie die Gentechnik. Für kritische Verbraucher ist diese Haltung völlig inakzeptabel. Umfragen zufolge lehnen zwei von drei Deutschen die Gentechnik ab, drei von vier Bauern wünschen sich eine entsprechende Kennzeichnung des Tierfutters.

Die FDP möchte gerne ein anderes, ideologiefreies Bild vom Unternehmer das von Misstrauen und unterstellter Unmoral bestimmt wird. Die Freien Demokraten wollen den Gründergeist fördern. Das ist gut und richtig, wenn man sich umgekehrt auch darum kümmert, dass Unternehmer ein anderes Bild vom Arbeiter haben, der eben kein Mit-Arbeiter ist, nicht faul, unwillig und eigentlich überbezahlt. Vertrauen und Respekt sind keine Einbahnstraßen. Die brutale Ausbeutung von Menschen ist leider auch in Deutschland nicht nur in einem Betrieb bittere Realität. Die FDP will in den Schulen Wirtschaftsunterricht einführen. Das Anliegen ist berechtigt, das Defizit signifikant. Der Fächerkanon ist aber schon jetzt sehr dicht belegt. Schüler sollten nicht mit noch mehr Lehrstoff überfrachtet werden. Es kann also letztlich nur um eine Verschiebung der Schwerpunkte gehen, wobei interdisziplinäres Arbeiten eine Möglichkeit wäre. Unternehmensstartern will die FDP das Leben erleichtern mit weniger Abgaben und weniger Papierkram. Gut so! Reformiert werden soll das Insolvenzrecht. “Zukünftig soll die Sanierung einer insolventen Firma Vorrang vor ihrer Abwicklung haben.” Keine schlechte Idee. FDP-Bundesparteichef Christian Lindner hätte die Regelung sicher gerne in Anspruch genommen, als seine zweite Firma mit dem Ende der New Economy-Blase abstürzte. Die FDP fordert ferner Krankenkassenbeiträge für Kleinunternehmer, die an deren realem Einkommen angepasst sind. Das ist mehr als überfällig!

Die FDP will Bundesstraßen und Autobahnen in Sachsen-Anhalt massiv ausbauen. Sie sagt: Kein Bürger soll länger als 30 Minuten zur nächsten Autobahn oder vierspurigen Bundesstraße brauchen. Ein Anachronismus. Immer mehr Menschen erkennen, wie wichtig der Schutz der Natur ist. Sachsen-Anhalt hat schon genügend Betonflächen. Eher wäre es sinnvoll, die A 14 sechsspurige auszubauen, als weitere Betonwüsten zu schaffen. Schnelles Internet auch im entferntesten Winkel des Landes ist ein weiteres Premiumthema der Liberalen. In der Tat gibt es beim Netzausbau Lücken und Schwächen. Neben der allgemeinen Verfügbarkeit von Datenautobahnen wären niedrige Nutzerpreise von Bedeutung.

Nach dem Willen der FDP sollen Bürger, ihre Kommunen und Gebietskörperschaften mehr Freiheit bekommen. Das klingt gut. Die Partei will die europaweit höchsten Strompreise loswerden, um die Abwanderung großer Firmen zu stoppen und deren Ansiedlung zu fördern. Davon hätten alle etwas.

Gehälteraffäre der Regierung Münch (CDU/FDP)

https://de.wikipedia.org/wiki/Geh%C3%A4lteraff%C3%A4re

Gehälteraffäre – Wikipedia

de.wikipedia.org

Die Gehälteraffäre beschäftigte im Jahre 1993 bundesweit die deutschen Medien sowie den Landtag von Sachsen-Anhalt. Hintergrund der Affäre war, dass sich der …