Libysche Kriegsopfer in Halle behandelt

von 23. Dezember 2011

Im Universitätsklinikum Halle (Saale) sind in den vergangenen beiden Monaten zehn zum Teil schwerstverletzte Patienten aus Libyen behandelt worden. Sieben davon konnten mittlerweile in die Heimat oder in eine Rehabilitations-Behandlung entlassen werden. Die Männer im Alter zwischen 23 und 60 Jahren hatten allesamt Kriegsverletzungen davon getragen. Auf Ersuchen der libyschen Übergangsregierung hatte die Bundesregierung die Möglichkeit zur Behandlung in Deutschland zugesagt. Das Universitätsklinikum hatte sich sofort bereit erklärt, zehn Patienten in Halle zu behandeln. Diese wurden durch ein spezialisiertes Flugunternehmen nach Deutschland transportiert. Die Kosten für den Transport und die Behandlung werden durch die Übergangsregierung in Libyen getragen, die hierfür einen Finanzierungsfond gebildet hat. An der Therapie im halleschen Universitätsklinikum waren die Universitätskliniken für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie sowie Urologie beziehungsweise Neurochirurgie beteiligt, da viele Verletzungen interdisziplinär behandelt werden mussten.

Die Behandlung der libyschen Patienten stellte die Ärzte vor besondere Herausforderungen, da entsprechende Verletzungsmuster nicht zum üblichen Behandlungsrepertoire einer deutschen Klinik gehören. „Die Kriegschirurgie zählt zum Glück nicht zu unserem Alltag“, sagt Dr. Holger Siekmann, der die Unfall- und Wiederherstellungschirurgie leitet. Eine besondere Herausforderung war zudem, dass die Wunden oftmals stark infiziert waren. Zum Teil waren die Männer bereits in ihrer Heimat vorbehandelt worden, konnten dort aber nicht mehr adäquat versorgt werden.

Es zeigten sich typische Kriegsverletzungen: Ein 31-jähriger Patient hatte Unterbauch- und Genitalverletzungen durch ein Schrapnell, ihm waren zudem in seiner Heimat bereits beide Beine amputiert worden. Der überwiegende Teil der Verletzten hatte Schussbrüche an den Beinen mit Infektionen von Knochen und Weichteilen. Die Ärzte behandelten zudem Nerven- und Lungenverletzungen, aus einem Hüftgelenk konnte ein eingeschossenes Projektil entfernt werden.

Beide Seiten versuchten sich den kulturellen Besonderheiten und Unterschieden so weit wie möglich anzupassen. Das Universitätsklinikum engagierte Arabisch sprechende Studenten, welche die Übersetzungsarbeiten übernahmen, aber auch pflegerische Maßnahmen durchführten. Außerdem wurde ein externes Cateringunternehmen damit beauftragt, dem Kulturkreis entsprechende Mahlzeiten bereitzustellen. Die Patienten aus Libyen akzeptierten, nach einer Gewöhnungsphase, dass am Universitätsklinikum im ärztlichen und pflegerischen Bereich Frauen einen großen Anteil der Belegschaft stellen.
Auch wenn große Anstrengungen zur Organisation der Behandlung notwendig waren, wird das Universitätsklinikum auch zukünftig bereit sein, entsprechende Ausnahmesituationen zu bewältigen und zu helfen.
Der Patient im blauen T-Shirt heißt Ben Saleh Marghni Ibrahim. Er hat gleich zu Beginn des Bürgerkrieges eine Schussfraktur des linken Unterschenkels erlitten, welche sich zu einer schweren Infektion des Schienbeinknochens entwickelt hat. In insgesamt acht Operationen wurde die Knocheninfektion chirurgisch therapiert. Dabei wurde zuletzt in einer achtstündigen Operation das Schienbein auf einer Strecke von 20cm entfernt und durch das Wadenbein des gesunden rechten Beines ersetzt. Die Einheilung wird durch zusätzlich applizierte Knochenwachstumsproteine unterstützt. Nach drei Monaten wird er unter dem Schutz eines speziell angefertigten Hülsenapparates beginnen können, das linke Bein schrittweise zu belasten. In einem Jahr kann er das Bein wieder voll belasten.

Der andere Patient heißt Al Amami Adel Ramadan. Er erlitt einen Schussbruch unterhalb des linken Hüftgelenkes mit Verletzung großer Gefäße. Die Infektion wurde chirurgisch behandelt und der Knochen mit einem Titannagel stabilisiert. Bisher wurde er elf Mal im Universitätsklinikum operiert.