Linke Prominente aus Halle in Chile gestorben

von 7. Mai 2016

“Margot Honecker, Frau des Staatschefs der DDR, gestorben” titelte die konservative Zeitung “El Mercurio” am Todestag. “Im Alter von 89 stirbt Margot Honecker, Witwe des Führers der DDR” hieß es auf der Internetseite von “La Tercera”. Als letzte Ruhestätte ist der Parque del Recuerdo in Santiago bestimmt. Im Internet kursieren indes extrem unterschiedliche Kommentare über den Tod. Würdigungen und üble Beschimpfungen wechseln einander ab.

Viele Chilenen verdanken der DDR unter Erich Honecker Leben, Gesundheit und Ausbildung. Nachdem das Militär 1973 gegen den demokratisch gewählten Sozialisten Salvador Allende mit Hilfe der CIA geputscht und dessen Nachfolger Augusto Pinochet eine rechte Militärdiktatur errichtete, war das Leben vor allem der Linken in Gefahr.

Margot Feist wuchs in einfachen Verhältnissen in Halle-Glaucha auf. Ihre Eltern waren in der Kommunistischen Partei. Im Halleschen Adressbuch von 1946/47 war sie als Telefonistin zu finden und unter der Adresse Schönitzstraße 3. Seit 1946 stieg sie steil auf in den politischen Massenorganisationen FDJ und SED. 1949 im Alter von 22 Jahren wurde sie jüngste Abgeordnete in der ersten Volkskammer der DDR. Seit 1955 war sie in der DDR-Volksbildung tätig, wo sie 1963 schließlich Ministerin wurde. Dort avanchierte sie in der Bevölkerung zur umstrittenen Person. Als sie 1978 in den Schulen den Wehrkundeunterricht einführte, der bereits 1973 von der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR gefordert worden war, zog sie den Unmut vieler Menschen auf sich. Noch mehr Feinde schuf sich die Ministerin für die Jugendwerkhöfe und Spezialheime, durch die am Ende 400.000 Kinder gingen, und die Zwangsadoptionen von Kindern republikflüchtiger Eltern.

Mit dem politischen Ende der DDR im Herbst 1989 kam auch des Ende für Margot Honecker. Auch ihr Mann wurde abgesetzt und in den nächsten Monaten mit mehreren Haftbefehlen verfolgt. Zwischenzeitlich war das Eehepaar bei einem Pfarrer und in Moskau im Exil. Von Moskau konnte Margot Honecker schließlich direkt nach Chile in die dortige Hauptstadt übersiedeln, wo sie seit 1992 in La Reina wohnte. Ihr Ehemann hingegen musste nach der Auslieferung an Deutschland ins Gefängnis, wurde jedoch gesundheitsbedingt 1993 entlassen, so dass er nachkommen konnte. Schwerkrank verstarb er im Folgejahr.

Bis 1999 kämpfte Frau Honecker vergeblich um die Herausgabe des beschlagnahmten Ehevermögens. Sie blieb bis zuletzt politisch aktiv und der kommunistischen Partei treu. Dabei wirkte sie weiter bis nach Deutschland hinein, wo weiter Kontakt zu alten Gesinnungsgenossen unter anderem in ihrer Geburtsstadt Halle an der Saale hielt. Im Jahr 2000 stellte sie ihr Buch “Gespräche mit Margot Honecker über das andere Deutschland” vor. Verfasser war ein alter Kampfgefährte und Freund, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chiles, Luis Corvalán. 2009 kam ein Video in Umlauf und sorgte für Schlagzeilen, weil des Frau Honecker auf einer Feier zum 60. Jahrestag der DDR zeigte, wo sie sich sicher zeigte, dass der Sozialismus eines Tages siegreich sein wird. 2011 war sie Ehrengast in Kuba zum 50. Jahrestag der Niederschlagung der Invasion in der Schweinebucht, mit der sich das sozialistische Kuba gegen die USA durchsetzte. 2012 folgte ein zweites und letztes Buch: “Margot Honecker. Zur Volksbildung. Gespräch”. Herausgeber war der Verleger Frank Schumann, der im September 2011 als erster deutscher Publizist über mehrere Tage mit der Exilantin sprechen konnte.

Zuletzt lebte nur noch Tochter Sonja in der Hauptstadt Santiago. Enkel Roberto Yáñez Betancourt y Honecker fand zuletzt in der chilenischen Hafenstadt Valparaíso eine Heimstatt. Der ebenfalls in Halle geborenbe Bruder Manfred Feist starb 2013 in Berlin. Bei ihrem letzten registrierten öffentlichen Auftritt 2014 wurde Margot Honecker auf einer Party mit der Mutter von Präsidentin Michelle Bachelet, Angela Jeria, gesehen. Im selben Jahr machten Pläne der Stadt Halle Schlagzeilen, das Künstlerhaus 188 abzureißen, in dem einst die Weingärtenschule untergebracht war und wo die Feist-Tochter lernte. Ausgerechnet Wolf Biermann, der in der DDR erst gelobte, dann jedoch geächtete Liedermacher, hatte sich für den Erhalt des Gebäudes stark gemacht.