Loblied auf die Kaiserin

von 7. Juni 2010

Mit einer Festveranstaltung im Volkspark haben Politik und Verwaltung am Montag an 20 Jahre demokratische Kommunalpolitik in Halle (Saale) erinnert. Am 6. Juni 1990 konstituierte sich die erste frei gewählte Stadtverordnetenversammlung, damals noch mit deutlich mehr Mitgliedern als heute. 160 Männer und Frauen entschieden über die politischen Geschicke der Stadt. Auf der ersten Sitzung wurde Peter Renger als Oberbürgermeister gewählt. Später zog er sich wegen Stasi-Vorwürfen zurück, Klaus Rauen wurde Nachfolger.

Angetrieben waren die Politiker in den Anfangsjahren von dem Wunsch nach mehr Demokratie. Doch was ist davon übrig geblieben. “Die Demokratie scheint in die Krise gekommen zu sein, hechelt hinterher hinter den Risikoszenarien der Welt”, meinte der Stadtratsvorsitzende Harald Bartl in seinem Grußwort. Vielleicht standen ja dafür auch symbolisch die großen Spinnweben im Saal. Gerichtet an den heutigen Stadtrat äußerte Bartl den Wunsch auf eine bessere Kultur des Miteinanders, auch zwischen Stadtrat und Verwaltung.

Es folgten Worte von Wolfgang Lukas, damals Mitglied der Stadtverordnetenversammlung und heute Geschäftsführer des Technologie- und Gründerzentrums Halle, sowie Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados, die während der ersten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung zur Bürgermeisterin und Stadträtin für Umwelt und Naturschutz gewählt wurde.

Professor Lukas ging auf den Ost-West-Dialog ein. Dieser bestehe für ihn nicht. Halle müsse sich als Wissenschaftsstandort dem internationalen Vergleich stellen, um nicht mehr mit dem Halle in Westfalen verwechselt zu werden. "Wir sind eine Stadt der Wissenschaften, wir müssen uns nur noch zertifizieren lassen."

"1989, da wussten wir, was wir nicht wollten …", sagte Szabados. "Damals gab es noch keine Länder und es gab keine Kommunalaufsicht. Da konnten noch Entscheidungen getroffen werden." Es war eine Zeit ohne Kommunalgesetzgebung. "Mit dem Mut der Ahnungslosen" sei man damals ans Werk gegangen. Das Stadtoberhaupt machte in der Rede auch einen Ausflug zu den großen Irrtümern und Peinlichkeiten: OB Renger und seinen Büroleiter Bettels, ebenso wie der einstige Stadtkämmerer, nach dessen Verbleib man sich in Stadelheim erkundigt hätte und dort die Auskunft erhielt, dass er vorerst dort bleiben würde. "Hätten wir gewusst, was einmal ein Landerechnungshof und ähnliches kritisieren würden, hätten wir womöglich so manch mutige Entscheidung nicht gefasst", so Szabados mit Blick auf die heutige Lage der Stadt.

Im Anschluss stand die Ehrung einer “verdienstvollen Person aus 20 Jahren Kommunalpolitik” bevor. Doch die Rede von Justus Brockmann, Vizepräsident und Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, wurde zum Loblied auf die Oberbürgermeisterin. Schon Kaiser seien in der Region geboren worden, ging er auf Szabados’ Geburtsort bei Sangerhausen ein, wo einst auch Kaiser Otto I. das Licht der Welt erblickte. Kurz ging Brockmann auch auf die kolportierten Spannungen in der Stadtspitze ein. Die Beigeordnetenkonferenz sei keineswegs eine Löwengrube. Man möchte es gern glauben, doch geschlossen beisammen saßen die Dezernenten nicht. Unterdessen wurde einigen Stadträten der Lobgesang zuviel, sie verließen den Saal und warteten das Ende vor der Tür ab. Dagmar Szabados hingegen bekam eine Urkunde und Blumen für 20 Jahre verdienstvolle Kommunalpolitik.

Beim anschließenden Empfang wurde die Veranstaltung dann kräftig auseinander genommen. Worte wie “Unverschämtheit”, “Skandal”, “Eklat” oder “Verabschiedungsrede” fielen.