Löcher sind Mode! Wie krank ist das?

von 12. Dezember 2016

„Über Geschmack lässt sich streiten“, heißt es. Es soll, so die Idee, jeder frei entscheiden können, wie er sich kleidet und was im gefällt. Soweit, so gut. Zur Freiheit gehört die Verantwortung, wenn sie nicht in Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Chaos, Mord und Totschlag ausarten soll. Zur Freiheit gehört die Verantwortung für andere Menschen, Tiere und die Umwelt. In der komplexen, globalisierten, stark vernetzten und weitgehend anonymisierten Wohlstandsgesellschaft ist es komplizierter geworden, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Die Wirtschaftsmacht Deutschland kann viele Folgen verantwortungslosen Handelns für die Mehrheit der Menschen, die hier leben, abmildern, kaschieren und verstecken. Zudem ist der Glaube vieler an die indoktrinierte These weit verbreitet, dass jeder seines Glückes Schmied sei. Widerspruch dagegen ist kaum zu erwarten in einem Land, das sich über Arbeit und Fleiß definiert.

In dieser Atmosphäre gedeihen Egoismus und Kälte prächtig. Auf der Strecke bleiben auch Stil und Etikette. Etwa beim Kauf von Bekleidung. Früher waren kaputte Hosen einfach verschlissene Hosen, sie waren abgetragen und abgenutzt. Die Hosen hatten aus Versehen oder leider Löcher und es war peinlich, so herumzulaufen. Heute gibt es die kaputten Hosen frisch ab Werk. Billigkräfte in Asien, Afrika, teilweise auch in Europa, arbeiten im Akkord und setzen ihr Leben aufs Spiel für eine fragwürdige Mode. Sie machen neue Hosen kaputt – auf Bestellung. Wie krank ist das? Aus allen Kanälen tönt es Menschenrechte und Umweltschutz. Viele Menschen unterschreiben das sofort, doch beim Einkauf setzen offenbar Verstand und Gewissen aus. Denn die kaputten Hosen stehen quasi exemplarisch für die Ignoranz gegenüber diesen Grundwerten. Wer, abgesehen vom fehlenden Respekt gegenüber den Mitmenschen, unbedingt kaputte Hosen tragen will, der möge sie sich aus Altkleidersammlungen beschaffen. Das würde Menschen und Ressourcen schonen.