Mehr Platz für Sicherungsverwahrte

von 7. Dezember 2011

Eine Zelle von 20 Quadratmetern, eine extra Dusche und eine Kochmöglichkeit: so sollen die Mindestanforderungen an eine Unterbringung von Sicherheitsverwahrten aussehen. Diese Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht Naumburg getroffen. Bislang sind die Schwerverbrecher, die ihre Haftbereits verbüst haben – aber noch eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen – in 11-Quadratmeter-Zellen in Burg untergebracht. Mehr Platz bedeutet nun auch, dass ein neues Gebäude für die Straftäter gebaut werden muss. 6 Millionen Euro sind dafür nötig. In den Mittelpunkt rückt dabei Halle (Saale) mit dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Frohe Zukunft. Bislang kostet ein Platz in der Sicherungsverwahrung 180.000 Euro, durch die neuen Standards seien künftig Investitionskosten von 280 000 Euro nötig.

Wegen der Gerichtsentscheidung hat Sachsen-Anhalts Landesregierung am Dienstag beschlossen gemeinsamen Vollzug der Sicherungsunterbringung mit Sachsen und Thüringen zu Ende 2012 zu kündigen. Ein Festhalten an der Kooperation hätte vor dem Hintergrund der neuen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts den Haushalt mit zweistelligen Millionenbeträgen an Investitions- und zusätzlichen Personalkosten belastet, sagte Justizministerin Prof. Dr. Angela Kolb.
Obendrauf liegen die Vorgaben, die das Oberverwaltungsgericht zu den Zellen gemacht hat, deutlich über den bisher zwischen den Bundesländern diskutierten Kriterien und machen alle bisherigen Planungen hinfällig. „Die Investitionskosten für den Bau einer neuen mitteldeutschen Sicherungsunterbringung mit 90 Haftplätzen müsste Sachsen-Anhalt laut Vertrag allein schultern“, erläuterte Kolb. „Das kann Sachsen-Anhalt nicht leisten.“ Nach bisherigen Berechnungen hätten für eine mitteldeutsche Sicherungsunterbringung bis zu 30 Millionen Euro an Investitions- sowie zusätzliche Personalkosten aufgebracht werden müssen. Kolb: „Seit dem Beschluss aus Naumburg ist klar: Der Bau würde deutlich teurer.“ In der JVA Burg sind derzeit 24 Sicherungsverwahrte untergebracht, sechs aus Sachsen-Anhalt, drei aus Thüringen, 15 aus Sachsen. 2020 kämen von voraussichtlich 84 Sicherungsverwahrten 20 aus Sachsen-Anhalt.

Die Kündigung der Verwaltungsvereinbarung mit Sachsen und Thüringen halte man grundsätzlich für richtig, "allerdings kommt sie zu spät", erklärte die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion "Die Linke" im Landtag von Sachsen-Anhalt, Eva von Angern. Für die Umsetzung zum Gerichtsurteil über die Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention bleibe schließlich nur noch bis zum Juni 2013 Zeit. "Es ist also Eile geboten, nicht erst seit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts", so von Angern. Eins der größten Probleme werde darin bestehen, geeignete Therapeuten zu finden, hier sei die Landesregierung in besonderem Maße gefordert. "Allerdings darf die Sicherungsverwahrung nicht zu Lasten des allgemeinen Vollzugs gehen, geht es doch in diesem nach gesetzlichem Auftrag ausdrücklich um den Behandlungsvollzug, für den ebenfalls qualifiziertes Personal benötigt wird."

"Die einseitige Aufkündigung der Verwaltungsvereinbarung zur Sicherungsverwahrung kommt überraschend", sagt der Grüne Landtagsabgeordnete Sören Herbst. "Offensichtlich gibt es unterschiedliche Ansichten zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt darüber, in wie weit alle Möglichkeiten einer künftigen Kooperation wirklich ausgeschöpft waren. Die einseitige Aufkündigung der Vereinbarung kann ein schwerer Fehler gewesen sein, müssen doch nun alle beteiligten Bundesländer die Kosten für die Sicherungsverwahrung selbst tragen." Herbst fordert ein schlüssiges Konzept zur künftigen Unterbringung der Schwerverbrecher. "Darin sollten von vornherein großzügigere Planungen enthalten sein als unbedingt nötig. Es ist damit zu rechnen, dass die Gerichte die Rechte der Sicherungsuntergebrachten auch in Zukunft stärken werden. Niemandem ist geholfen, wenn in Halle oder einem anderen Ort ein Neubau errichtet wird, der der Rechtsprechung nicht genügt."

Verwunderung über die Kündigung Sachsen-Anhalts herrscht in Sachsen. "Von der Ankündigung, die bestehende Verwaltungsvereinbarung der mitteldeutschen Länder hinsichtlich der Sicherungsverwahrung zu kündigen, bin ich mehr als überrascht", erklärte Sachsen Justiz-Staatsminister Jürgen Martens. Es habe vorher keine Gespräche über die Thematik mit dem Nachbarland gegeben. "Für mich wäre eine solche Entscheidung auch inhaltlich nicht nachvollziehbar. Spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 ist absehbar, dass sich die Betreuung und Unterbringung der Sicherungsverwahrten weiter verbessern muss." Dem Ministerium des Landes Sachsen-Anhalt habe man mehrfach angeboten, sowohl fachliche als auch finanzielle Unterstützung zu leisten. "Aufgrund der klaren Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach individuellen Therapie- und Betreuungsangeboten für die Sicherungsverwahrten gehen zudem alle Beteiligten von steigenden Personalkosten der Sicherungsverwahrung aus. Wir haben daher eine anteilige Beteiligung an den steigenden Personalkosten in Aussicht gestellt." Jedoch habe es auf dieses Angebot bisher keine Reaktion gegeben. "Zahlen wurden uns nicht genannt. Soweit Sachsen-Anhalt nun darauf hinweist, dass es sich aufgrund der vermutlich aufzuwendenden Baukosten nicht mehr an die Vereinbarung gebunden sehen möchte, weise ich darauf hin, dass auch Sachsen bereits erhebliche Mittel in die von weiblichen Gefangenen aus Sachsen-Anhalt genutzte JVA Chemnitz investiert hat und noch weitere erhebliche Baumaßnahmen dort plant, ohne hierfür Sachen-Anhalt einen Cent in Rechnung zu stellen."

Am 20. November 2008 hatten die Freistaaten Sachsen und Thüringen und das Land Sachsen-Anhalt die Verwaltungsvereinbarung geschlossen. Demnach werden weibliche Straf- und Jugendstrafgefangene aus Sachsen-Anhalt und Thüringen im Freistaat Sachsen untergebracht. Im Gegenzug wurde vereinbart, dass männliche Sicherungsverwahrte aus allen drei Ländern in der JVA Burg in Sachsen-Anhalt untergebracht werden.