Mehr psychische Erkrankungen und hohe Selbstmordrate

von 11. August 2011

Sachsen-Anhalt ist bundesweiter Negativ-Spitzenreiter bei der Selbstmordrate. Auf 100.000 Einwohner kommen 15,2 Suizide, in Berlin gibt es hingegen mit 7,72 Selbstmorden auf 100.000 Einwohner die Wenigsten. Zudem sind psychische Störungen und Erkrankungen wie Alkoholabhängigkeit oder Depressionen in Sachsen-Anhalt auf dem Vormarsch. Das geht aus einer Landesstudie hervor, deren Ergebnisse der Präsident des Statistischen Landesamtes Manfred Scherschinski und Gesundheitsminister Norbert Bischoff vorstellten.

Die Studie konstatiert eine bundesweite Zunahme depressiver Erkrankungen. So berichten alle Krankenkassen von einer deutlichen Zunahme von Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund dieses Leidens. „Zwar liegt Sachsen-Anhalt, wie alle neuen Bundesländer auch, hier noch unter dem Bundesdurchschnitt, doch eine Angleichung an das übrige Bundesgebiet ist bald erreicht“, führte der Präsident aus. Besonders betroffen seien Arbeitslose sowie Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen, im Kredit- und Versicherungsgewerbe. Arbeiter in Handwerksberufen sind hingegen kaum betroffen. Depressionen sind laut Studie neben Krebserkrankungen auch diejenigen Leiden, die mit Abstand die meisten Pflegetage in Krankenhäusern aufweisen. So fielen im Jahr 2009 für Depressionen im Schnitt 35,4 Krankenhauspflegetage in Sachsen-Anhalt an. Für alle Krankheiten insgesamt wurden im Durchschnitt nur acht Pflegetage benötigt.

Ältere Menschen wurden in den letzten Jahren zunehmend häufiger wegen Demenz oder Alzheimer in Krankenhäusern behandelt. Die Studie kommt zum Resultat, dass im Jahr 2009 in Sachsen-Anhalt 352 Fälle je 100.000 Einwohner über 65 Jahre wegen Demenz in Krankenhäusern behandelt wurden. Im Vergleich: Sachsen folgte mit 326 und Nordrhein-Westfalen mit 317 Fällen. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass Sachsen-Anhalt nach Sachsen auch den größten Anteil an über 65-jährigen Einwohnern hat. Ende 2009 waren 24,2 Prozent der Sachsen-Anhalter 65 Jahre oder älter. In Sachsen waren es 24,7 Prozent. Hamburg hatte dagegen den geringsten Anteil mit 19 Prozent. Obwohl Sachsen und Sachsen-Anhalt im Bundesvergleich den höchsten Anteil in dieser Altersgruppe haben, stehen hier nur unterdurchschnittlich viele Plätze in Pflegeheimen zur Verfügung. In Sachsen-Anhalt sind es 48,4 Pflegeheimplätze je 1.000 Einwohner ab 65 Jahren. In Schleswig-Holstein 64,8 und bundesweit im Schnitt 50 Plätze.

Die Studie stützt ebenso Annahmen über Zusammenhänge zwischen Alkoholmissbrauch und sozialer Benachteiligung. Den größten Anteil an der Bevölkerung, welcher mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen muss, hatte im Bundesvergleich im Jahr 2009 Mecklenburg-Vorpommern. So betrug dort die Armutsgefährdungsquote (Bundesmedian) 23,1 Prozent. Den zweitgrößten Anteil hatte Sachsen-Anhalt mit 21,8 Prozent der Bevölkerung. Die geringsten Anteile hatten Baden-Württemberg (10,9 Prozent) und Bayern (11,1 Prozent).

Wird die Armutsgefährdungsquote mit der Zahl derer, die aufgrund von Alkoholproblemen in Krankenhäusern behandelt worden sind, verglichen, so kann man einen Zusammenhang erkennen. So wurden im gleichen Jahr in Mecklenburg-Vorpommern 638 solcher Krankenhausfälle je 100.000 Einwohner gezählt. Sachsen-Anhalt folgte hier mit 529 Fällen je 100.000 Einwohnern an dritter Stelle nach dem Land Bremen. Die wenigsten Krankenhausfälle aufgrund psychischer und Verhaltensstörungen durch Alkohol konnten in Hamburg (338 Fälle je 100.000 Einwohner) und Baden-Württemberg (357 Fälle je 100.000 Einwohner) beobachtet werden.

Gesundheitsminister Norbert Bischoff würdigte die Studie als fundierte Datenbasis. Sie setze ein Achtungszeichen für Wirtschaft, Politik, Altenpflege- und Gesundheitsbereich gleichermaßen – aber auch für jeden einzelnen.

Bischoff sagte: „Die psychische Gesundheit eines Menschen wird niemals von nur einem Parameter bestimmt. Die Gesamtheit des sozialen, familiären und gesellschaftlichen Umfeldes spielt dabei ebenso eine Rolle wie Rahmenbedingungen der Arbeitswelt. Hier hat es in den vergangenen Jahren teils große Veränderungen gegeben. Zugleich hat es jeder auch selbst in der Hand, durch gesunde Lebensweise mit abwechslungsreicher Ernährung und viel Bewegung sowie wenig Alkohol und kein Nikotin die Weichen zu stellen.“ Dies könnte zum Beispiel durch Gefäßverengung ausgelöste Demenzerkrankungen minimieren helfen.

Der Minister setzt auf Prävention und frühe Hilfen, um Krankenhausaufenthalte und Heimunterbringungen zu verhindern oder so weit wie möglich herauszuschieben. Als ein Beispiel aus der ambulanten Versorgung nannte er den Einsatz von Praxisassistentinnen, die in ländlichen Regionen die medizinische Erstbetreuung von älteren und damit wenig mobilen Menschen gewährleisten sollen. Mehr als 300 derartiger Praxisassistentinnen sind aktuell im Einsatz. Gemeinsam mit den Krankenkassen finanziert das Land darüber hinaus ein niedrigschwelliges Betreuungsangebot für Demenzkranke und deren Familienangehörige. Bischoff: „Neben der Betreuung der Kranken geht es immer auch um Hilfestellungen und Zuwendung für die Familien. Sie wenden viel Kraft auf und stoßen nicht selten an die Grenzen der Belastbarkeit. Hier wollen wir helfen.“ Für 2011 fördert das Land solche Betreuungsangebote mit knapp 300.000 Euro.

Bei der Minimierung von psychischen Belastungen in der Arbeitswelt sieht der Minister vor allem die Unternehmen selbst gefordert. Bischoff sagte: „Hier tragen Unternehmen Verantwortung. Mehr Programme der betrieblichen Gesundheitsförderung sind nötig. Ein gesundes Arbeitsklima trägt dazu bei, dass die Mitarbeiterschaft gesund und motiviert bleibt. Über- und Fehlbeanspruchungen sind ebenso zu vermeiden wie Stress durch Unterforderung.“

Der Bericht „Psychische Gesundheit“ ist zum Preis von sieben Euro im Statistischen Landesamt Sachsen-Anhalt erhältlich.
Schriftliche Bestellungen können an das Dezernat Öffentlichkeitsarbeit,
Postfach 20 11 56, 06012 Halle/Saale oder per Fax 0345 23 18 913 oder per E-Mail an shop@stala.mi.sachsen-anhalt.de gerichtet werden.