Mietsprung fördert soziale Entmischung

von 17. Oktober 2017

Niedrige Zinsen und Umweltvorgaben haben auch in Halle eine rege Sanierungstätigkeit ausgelöst, an deren Ende in der Regel deutliche Mieterhöhungen stehen. Daher gibt es wie schon in den 1990er Jahren, als die Mieten aus dem DDR-Sozialstaatsmodus galoppierten, immer wieder Mieter, die darauf hoffen, dass ihr Haus möglichst lange unsaniert bleibt. Jahrelanger Abriss und die Forderung der halleschen Stadtverwaltung an die kommunalen Wohnungsunternehmen, den städtischen Haushalt Jahr für Jahr in mehrfacher Millionenhöhe zu sanieren, haben den kommunalen Wohnungsunternehmen inzwischen den Ruf eingebraucht, Preistreiber zu sein. Studenten, darunter finanziell oft besser ausgestattete aus Westdeutschland, und etliche Zuwanderer, insbesondere aus Saalekreis, Mansfelder Land, Balkanländern wie Kroatien, Rumänien und Bulgarien sowie dem arabischen Raum, haben den Wohnraum weiter verknappt, berichten Vermieter.

Die starke Nachfrage hat den Preisanstieg begünstigt. Dabei war der Mietdruck etwa im Paulusviertel bereits vor fünf Jahren so hoch, dass sich Wartelisten und Maklerprovisionen zu etablieren begannen, wie sie einst nur im Westen der Republik zu finden waren. Derweil sorgt der breite Niedriglohnsektor in Halle dafür, dass immer mehr Menschen aufstocken und hochpreisige Innenstadtlagen verlassen müssen.

Laut Mietspiegel der Stadt Halle (Saale) haben die Mietpreise vor allem für kleine Wohnungen drastisch angezogen. Von 2011 bis 2017 stieg der Quadratmeterpreis für 30 Quadratmeter Mietwohnung im Schnitt von 6,07 Euro auf 7,38 Euro. Allein seit der Masseneinwanderung 2015 sind die Mieten um 75 Cent pro Quadratmeter gestiegen.

Es wird immer schwerer, Wohnungen zu bekommen. Verfügbar sind teurer Erstbezüge nach Sanierung oder Wohnungen mit erheblichen Mängeln in Hinblick auf Zustand und Wohnkomfort.

Für Menschen im Hartz IV-Bezug hat sich die Lage besonders verschärft. Von sozialer Hängematte kann zumeist keine Rede sein. Aktuell hält das Jobcenter Halle folgende Bruttokaltmieten für angemessen: 50 Quadratmeter für eine Person zum Preis von 302,50 Euro, bis 60 Quadratmeter für zwei Personen für 348 Euro, bis 70 Quadratmeter für drei Personen für 419,30 Euro, bis 80 Quadratmeter für vier Personen für 476,80 Euro und mehr als 80 Quadratmeter für fünf Personen für 543,60 Euro. Wer bereits Transferleistungen bezieht und einer Wohnung lebt, die aus Sicht der Behörde als angemessen gilt, kann in der Regel nicht mehr umziehen, berichten Betroffene.

Derweil feiern Immobilienunternehmen die Entwicklung mit Schlagzeilen wie “Wohneigentum in den Städten ist weiter begehrt”. Der Grundstücksmarktbericht des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation zeigt bereits für die Jahre 2015 und 2016 relevante Trends, darunter die Tendenz des verstärkten Eigenheimkaufs in Halle statt im Saalekreis. Wie es in der Mai-Ausgabe der “Halleschen Immobilienzeitung” hieß, stiegen die Preise für Reihenhäuser in Halle beispielsweise rund um die Damaschkestraße von 2014 bis 2016 um 40 Prozent. Das Areal hochpreisiger Wohnlagen im Stadtgebiet Halle hat sich schrittweise ausgeweitet.

Die lange Zeit beliebte Alternative Halle-Neustadt ist kein Garant mehr für niedrige Mieten. Für Menschen mit schmalem Geldbeutel ist die Suche nach Wohnraum zu einem nervenaufreibenden Unterfangen geworden, wo die Bezahlbarkeit abzuwägen ist gegen nachteilige Wohnungsschnitte zumeist in Altbaubeständen und soziale Spannungszonen wie nicht zuletzt der Südlichen Neustadt. Die Wohnraumfrage hat in den vergangenen 25 Jahren und verstärkt in den letzten fünf Jahren zu einer deutlichen sozialen Entmischung beigetragen, wo die im Schnitt besser ausgebildeten und beruflich alimentierten Hallenser in anderen Stadtteilen wohnen als Menschen mit geringem Einkommen oder Stütze.

Dieser Befund ist nicht nur sichtbar, sondern auch dem Bericht “Workshop Wohnen/ ISEK 2015” zu entnehmen, wo unter anderem von “Armutswanderung” die Rede ist. Demnach lag die Kinderarmut 2015 im Neustädter Stadtgebiet Südpark bei 70 Prozent und damit noch über der Quote im bundesweit bekannten Berliner Problemquartier Neukölln-Nord (66,4 Prozent).

Link zum Grundstücksmarkbericht des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation

https://www.lvermgeo.sachsen-anhalt.de/de/leistungen/wertermittlung/marktbericht/marktbericht.htm