„…mit vatikanischer Gelassenheit“

von 13. August 2004

Der Brief an den Innenminister hat folgenden Wortlaut: Sehr geehrter Herr Minister! Für den 24. September haben Sie zu einem Gespräch nach Magdeburg eingeladen. Ich nehme diese Einladung umso lieber an, als ich ihr seit etwa einem Jahr in froher Erwartung und mit einer gewissen Ungeduld entgegen gesehen habe. In Halle ist man nämlich angesichts der allenthalben geschaffenen Fakten und vielfach veröffentlichten Karten äußerst gespannt darauf, endlich etwas über die Pläne des Ministeriums zu erfahren, wie die seit einem Jahrzehnt ungeklärte Stadt-Umland-Problematik gelöst werden soll. Und wenn Sie das Maß Ihrer Güte voll machen wollten, wäre ich Ihnen für einige vorab zugesandte Informationen über die Planungen ihres Hauses zu tiefem Dank verpflichtet. Auch sähe ich mich dann in die glückliche Lage versetzt, bei unserem Gespräch nicht nur zuhören, sondern ernsthaft mitdiskutieren zu können. Was ich über Ihre Vorstellungen bisher weiß, entnehme ich einigen dünnen und versprengten Äußerungen gegenüber Vertretern der Presse. Man setze auf Freiwilligkeit und auf eine Zwecksverbandslösung etwa in der Frage der Müllentsorgung. Mit Verlaub, Herr Minister, so sind die existentiellen Probleme der größten Stadt des Landes nicht zu lösen! So sind sie noch nicht einmal auszusitzen. Bereits im Jahre 2001 sind in einem umfänglichen Gutachten die Geschichte und die Entwicklungsperspektiven der Stadt-Umland-Beziehungen Halles analysiert worden. Diese dreihundert Seiten liegen Ihrem Hause vor. Sie liegen auch dem Ministerpräsidenten, dem Verkehrsminister, dem Wirtschaftsminister und der Staatskanzlei vor. – Keine Stellungnahme bislang. In den unmittelbaren Stadt-Umland-Bereichen wird mit einem hohen Ordnungsbedarf die maßvolle Eingliederung von Umlandgemeinden in die Kernstadt als das wirksamste Mittel zur Bewältigung der dringendsten Entwicklungsaufgaben gesehen. Ihr einigen Bemerkungen zu entnehmender Vorschlag nach Zweckverbänden wird als die schlechteste aller Möglichkeiten bezeichnet. – Eine Begründung für Ihre Position ist mir nicht bekannt geworden. Im Juni dieses Jahres haben wir das Gutachten zusammengefasst und gebeten, weitere Genehmigungen zu Einheitsgemeinden im Umland zunächst auszusetzen. Das Innenministerium hat daraufhin die Einheitsgemeinde Schkopau genehmigt. – Eine Begründung für diese Entscheidung ist der existentiell betroffenen Stadt Halle nicht mitgeteilt worden. Jetzt werden Karten über den Stand der Gebietsreform im Lande verteilt, die Stadt Halle wurde ausgenommen; sie wurde nicht einmal angehört. Ebenfalls ignoriert wurden die Interessen der regionalen Wirtschaft, für die die Stärkung und Profilierung des Oberzentrums Halle als Motor der räumlichen Entwicklung und als Bestandteil der sich entwickelnden europäischen Metropolregion Halle/Leipzig- Sachsendreieck höchste Priorität hat. Es werden immer mehr Fakten geschaffen, die jeden Spielraum für einen zumindest hinlänglich „großen Wurf“ einengen. Sehr geehrter Herr Minister! Wir alle wissen, dass sowohl das Land als auch die Kommunen für die wirtschaftliche Entwicklung nur die Rahmenbedingungen bereitstellen kann. Eine zukunftsgerichtete Gebietsreform aber gehört zum administrativen Kernbereich und kann vom Land selbst geregelt werden. Noch immer kennen wir die Vorstellungen des Landes zur Regelung der Gebietsprobleme der großen Städte nicht. Ohne lebensfähige Städte werden aber auch die Gemeinden in der Fläche nicht weiterkommen. Halle muss wachsen. Dazu bedarf es klarer Entscheidungen. Dazu bedarf es in der Diskussion zumindest klarer Vorstellungen vonseiten der Landesregierung und, das heißt zuvörderst. aus Ihrem Hause. Mit geradezu vatikanischer Gelassenheit ist den Problemen nicht beizukommen. Ich verbleibe in froher Erwartung unseres ersten Gespräches zu diesem Thema am 24. September – und, bitte, lassen Sie mir vorher irgendetwas Schriftliches zukommen, auf das ich zumindest einen Eingangsstempel setzen kann. Mit freundlichen Grüßen Ingrid Häußler Oberbürgermeisterin der Stadt Halle (Saale) (Quelle: Stadt Halle)

     
PP