Mittagessen für Kinder: SPD äußert sich

von 30. April 2010

Kostenloses Mittagessen für alle Kinder versprach die SPD auf Wahlplakaten. Dass dazu das Geld momentan nicht reicht, gestand Johannes Krause in der Haushaltsberatung im Stadtrat ein. Aber zumindest eine Minimalvariante sollte es geben. Kostenloses Mittagessen für alle Grundschulkinder mit Halle-Pass.

Linke und Grüne hatten das kritisiert. Wenn solle man doch das Geld lieber auf alle Kinder verteilten. Von beiden Fraktionen gab es deshalb Zustimmung im Stadtrat zum Antrag der Grünen, den Zuschuss für das Mittagessen aller Halle-Pass-Kinder um 35 Cent zu erhöhen. Das sei Gleichberechtigung, argumentierten Räte beider Fraktionen. Weil auch ein paar Räte der CDU zustimmten, ging diese Änderung durch und änderte dadurch den SPD-Antrag. “Gut taktiert”, sagten einige Räte hinterher. Denn in den vorhergehenden Ausschussberatungen positionierte sich die CDU klar gegen den Mittagessen-Antrag.

Und das Taktieren hat geholfen. Denn bei der endgültigen Abstimmung über den nun geänderten SPD-Antrag gab es doch ein paar Feinheiten. “Ich lasse jetzt Abstimmen”, erklärte der Stadtratsvorsitzende Harald Bartl. Und während ein paar SPD-Genossen schon die Hände hoben, informierte Oberbürgermeisterin ihre Fraktion noch schnell, was sie da überhaupt abstimmen – nämlich die Grünen-Änderung. Es kam was kommen musste. Gesamtantrag abgelehnt. Es gibt weder kostenloses Mittagessen für Grundschüler noch einen höheren Zuschuss.

Zu kurz sei die Behandlung des Themas in den Lokalmedien gewesen, informiert Johannes Krause nun die SPD-Mitglieder über das Stimmverhalten. Sogar irreführend sei sie zum Teil gewesen. “Ein Beschluss im Sinne des Grünen-Vorschlags würde die bedürftigen Familien mit kleinen Kindern entlasten, die bereits jetzt ihren Kindern eine Mittagsmahlzeit sichern. Aber ernsthaft zu glauben, ein relevanter Teil der Halle-Pass-berechtigten Eltern, die ihren Kindern bisher die Essenteilnahme nicht ermöglicht haben, würden sich auf Grund der vorgeschlagenen Veränderung nun anders entscheiden, bedarf schon einer profunden Unkenntnis der sozialen Wirklichkeit unserer Stadt”, so Krause.

Das komplette Schreiben lesen Sie auf Seite 2.
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Liebe Genossinnen und Genossen,

der Stadtrat hat am Mittwoch einen Antrag unserer Fraktion zum zentralen Wahlkampfthema der SPD im Kommunalwahlkampf beraten: Zur finanziellen Sicherstellung eines kostenlosen Mittagessens für bedürftige Grundschüler und Schüler der Klassen eins bis vier an Förderschulen durch die Stadt. Die Berichterstattung zur Behandlung dieses Antrags kam in den Lokalmedien sehr kurz und war in einem Fall auch irreführend. Mancher von Euch wird sich gewundert haben, wieso die Fraktion letztlich gegen den Vorschlag von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN gestimmt hat.

Gegenwärtig werden Eltern, die einen Halle-Pass besitzen, bei den Kosten der Mittagsspeisung für ihre Kinder in Kindertagesstätten und Schulen mit 85 Cent pro Essen unterstützt. Bei einem durchschnittlichen Preis von 2,05 € pro Portion bedeutet das: angesichts monatlicher Kosten von etwa 40 € erhalten diese Familien zwischen 15 und 17 € städtische Unterstützung für ein Kind, je nachdem ob und wie viele Feiertage auf die Werktage des betreffenden Monats fallen. Die Eltern müssen etwa 25 € pro Kind und Monat an den jeweiligen Essenanbieter zahlen. Viele Familien, die einen Halle-Pass besitzen, machen davon Gebrauch. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass ein solcher Betrag für eine Familie, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II bezieht, viel Geld ist. Viele einkommensschwache Eltern nehmen vor diesem Hintergrund die Leistungen des Halle-Pass nicht in Anspruch und bestellen kein Essen für ihre Kinder. Das ist auch für Kinder der größeren Klassen in der Schule nicht gesund. Für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter ist es schlimm, wenn sie keine Mittagsmahlzeit erhalten. In Halle nehmen etwa 30% der knapp 7.000 Kinder, die an Grundschulen und der Klassen eins bis vier der Förderschulen lernen, nicht am Mittagessen in der Schule teil. Darunter sind auch Kinder, deren Eltern den Kindern etwas für mittags mitgeben und abends kochen. Darunter sind aber leider auch Kinder, deren Eltern aus finanziellen Gründen kein Essen bestellen und Kinder, die in der Schule ankommen und noch nicht einmal ein Frühstück bekommen haben.

In den Kindertagesstätten liegt die Essensteilnahme bei etwa 90%. Es gibt Einrichtungen, in denen viele Kinder bereits mittags abgeholt werden und nicht mehr am gemeinsamen Essen teilnehmen. Aber in den Grundschulen steht das Problem schärfer im Raum. Die Grünen wollten die bestehende finanzielle Stützung für Kinder in Schulen und Kindertagesstätten um 35 Cent pro Essen auf 1,20 Cent anheben. Dies sollte auch für Kinder der höheren Klassen in der Schule gelten. Das würde für eine bedürftige Familie, deren Kinder jetzt an der Essensversorgung teilnehmen, eine Entlastung von maximal sieben € pro Kind und Monat bedeuten. Für alle Eltern, die jetzt den Halle-Pass nicht in Anspruch nehmen würde der Grünen-Vorschlag darauf hinauslaufen, dass sie zwischen 22 und 24 € der Kosten abgenommen bekämen und statt ca. 25 € noch 16 bis 18 € pro Kind und Monat aufwenden müssten.

Ein Beschluss im Sinne des Grünen-Vorschlags würde die bedürftigen Familien mit kleinen Kindern entlasten, die bereits jetzt ihren Kindern eine Mittagsmahlzeit sichern. Aber ernsthaft zu glauben, ein relevanter Teil der Halle-Pass-berechtigten Eltern, die ihren Kindern bisher die Essenteilnahme nicht ermöglicht haben, würden sich auf Grund der vorgeschlagenen Veränderung nun anders entscheiden, bedarf schon einer profunden Unkenntnis der sozialen Wirklichkeit unserer Stadt. Unser Ansatz ist ein grundlegend anderer. Die finanzielle Besserstellung bedürftiger Familien – so wünschenswert sie sein mag – kann nicht von der Kommune gestemmt werden. Hier ist der Bund gefordert. Uns geht es um die Kinder. Vor allem um die, die jetzt nicht am gemeinsamen Mittagessen teilnehmen. Die SPD hat sich zum Ziel gesetzt, für alle Kinder in Halle ein kostenloses Mittagessen sicherzustellen. Angesichts der dramatischen Haushaltslage unserer Stadt ist kurzfristig nur ein erster Schritt möglich. Der Antrag der SPD-Fraktion hat da angesetzt, wo der dringendste Handlungsbedarf besteht: Bei den Erst- bis Viertklässlern. Dafür hat die Fraktion auch einen Finanzierungsvorschlag für 2010 vorgelegt, der das Defizit der Stadt nicht erhöht hätte.

Wir haben in den Ausschüssen die Argumente ausführlich ausgetauscht. Die Fraktionen von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und „DIE LINKE“ haben stereotyp wiederholt, ihr Modell erreiche mehr Kinder und sei daher besser. Ob hier Ignoranz oder parteitaktisches Kalkül im Spiel ist, darüber mag jeder von Euch selbst urteilen. Die SPD-Fraktion hat früh deutlich gemacht, dass sie einem – gemessen an der Zielsetzung – falschen Modell nicht zustimmen wird. Dieses Modell – nicht unser Antrag – stand letztlich im Stadtrat zur Abstimmung. Flickschusterei, noch dazu an der falschen Stelle, machen wir nicht mit. Aber auch wenn wir im Moment im Stadtrat keine Mehrheit dafür haben, am Thema werden wir dranbleiben!