Mut zur Sekundarschule

von 12. Februar 2010

Fachkräftemangel, Bildungsarmut, Schulabbrecher, Pisa … alles Begriffe, die in den letzten Monaten die Medien beherrschten. Nur: wirkliche Konzepte zur Verbesserung der Schülerleistungen gibt es kaum. In Halle hat man zumindest das Problem erkannt. Bildungsdezernent Tobias Kogge bat um ein Gespräch mit der Handwerkskammer. Am Freitag traf er sich deshalb mit dem Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Dr. Jürgen Rogahn. “Wir haben die Initiative der Stadt mit Freude registriert”, so Rogahn.

Doch was hat die Stadt vor? “Wir wollen wieder Mut machen, Kinder zur Sekundarschule zu schicken” erläuterte Tobias Kogge seine Idee. “Denn Schule, Lernen und Bildung muss Spaß machen.” Derzeitiges Problem in seinen Augen: Eltern schicken ihre Kinder vielfach aufs Gymnasium, obwohl sich die Kinder dort mit dem Lernen schwer tun. “So entstehen Schulabbrecher.” Dr. Rogahn ergänzte, die Wahl der Bildungseinrichtung sei vielfach ein Ego-Problem der Eltern. “In Deutschland steht nicht das Kind im Mittelpunkt, sondern die Ausbildung und das Einkommen der Eltern”, so Kogge. Kinder seien eigene Individuen, und keine Schablone der Eltern.

Doch ist erst einmal das Abitur in der Tasche – und wenn auch noch so schlecht – schlägt kaum einer dieser jungen Menschen den Weg zur Handwerksausbildung ein. “Und wenn doch ist es verschenkte Lebenszeit. Wir brauchen im Handwerk kein Abitur”, so Rogahn.

Deshalb wollen die Handwerker mit Projekten wie dem “Haus der Forscher” Kinder bereits frühzeitig mit ihrer Arbeit in Berührung bringen. Und die Stadt selbst will mit einem Umbau der Sekundarschulen – soweit in ihrem Ermessen – auch ihren Beitrag leisten. So sollen an den verbleibenden sechs Sekundarschulen (die Schillerschule schließt zum Schuljahres 2010/11) inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden. Außerdem ist laut Schulamtsleiter Gert Hildebrand eine engere Verzahnung mit den Berufsschulen vorgesehen. “Die Sekundarschüler könnten zum Beispiel die besser ausgestatteten Fachkabinette der Berufsschulen nutzen”, so Hildebrand. Auch mehr Praxistage und Produktives Lernen soll Jugendliche für das Handwerk begeistern – und vor allem die hohen Ausbildungsabbrecherquoten senken. 20 Prozent aller Azubis machen ihre Lehre nicht zu Ende. Oft, weil es völlig falsche Vorstellungen von den Berufen gibt, wie Dr. Rogahn anmerkte. Auch hieran soll gearbeitet werden, damit Jugendliche Einblicke in die Berufe bekommen und sich den individuell zu ihnen passenden Ausbildungsplatz aussuchen. Sogar einen mit Zukunft. “Mit einem soliden Handwerksabschluss gibt es eine hohe Chance, in Halle einen Arbeitsplatz zu finden”, so Rogahn.

“Und hier in Halle können sie dann mit einem entsprechenden Einkommen eine Familie gründen”, ergänzte Kogge. Denn auch das ist ein Problem. Die meisten Abiturienten studieren, und entschwinden anschließend nach Westdeutschland oder gar ins Ausland. Die Karriere steht im Mittelpunkt. Und in Halle gibt es immer weniger Kinder.

(Enrico Seppelt)