Nach Höllenfeuer: Ältestes Brauerei-Gebäude von Abriss bedroht

von 22. Juni 2015

Beide Brände ereigneten sich im unmittelbaren Umfeld der Infrastrukturplanungen der Stadt, die als Stadtbahnprogramm bereits vorgestellt wurden. Hallelife vorliegenden Plänen zufolge war das Eckhaus dem Neubauvorhaben im Wege. Die Verantwortlichen bestritten das und erklärten, dass es längst andere Pläne gebe. Das Brauerei-Verwaltungsgebäude direkt an der Straße stünde ebenfalls den Neubauplänen der Stadt im Wege. Der Eigentümer der Brauerei soll in der Vergangenheit von der Stadt deswegen bereits kontaktiert worden sein, hat aber andere Pläne.

Am 15. Juni gegen 21 Uhr machte die Nachricht die Runde: In Halle (Saale) brennt die Freybergs Brauerei, unter Hallenser bekannter als Meisterbräu an der Glauchaer Straße. Drei Minuten früher um 20:59 Uhr war die Meldung bei Halles Feuerwehr eingegangen, die 21:06 Uhr vor Ort eintraf. Zu der Zeit quoll an der Straße bereits aus allen vier Fenstern der ersten und zweiten Etage des ehemaligen Kontors dicker, schwarzer Rauch. Kurz darauf stand das geziegelte Bürogebäude in Vollbrand. Zeugenaussagen zufolge war der erste, allerdings weiße Rauch seitlich des Hauses an der Straße Weingärten zu sehen gewesen. Das Feuer soll sehr schnell in Gang gekommen sein. Ortskundige beschreiben das Kontor als ein verwinkeltes Gebäude, in dem sich wenig Mobiliar befand. Im Erdgeschoss soll Abfall, vor allem alte Kleider, gelegen haben. In Brand gerieten auch die oberen Etagen des benachbarten Sudhauses, das baugeschichtlich aus den 1880er Jahren stammt. Das Feuer breitete sich über den Dachstuhl und andere Bauteile aus Holz rasch aus.

Die Polizei hat Zeugen befragt und untersucht einen Zusammenhang mit Bränden in anderen Industrieobjekte, darunter im alten Schlachthof. In der verlassenen, alten Brauerei brennt es nicht zum ersten Mal. Im Jahr 2000 erschütterte eine Brandserie historische Industrieobjekte in Halle. Auch die Freyberg Brauerei war betroffen. Die prächtigen Gebäude der Anfang der 1930er Jahre größten Privatbrauerei Deutschlands nahmen immer mehr Schaden. Ende Februar 2010 brannte es auf der Südseite des Gebäudekomplexes. Betroffen war die Abfüllung. Auch damals bestand der Verdacht auf Brandstiftung. Danach gab es im April, Mai und Juni 2014 kleinere Brände auf dem Brauereigelände.

2001 war der bisher letzte Besitzerwechsel. 2005 schließlich konnten begonnene Abrissarbeiten durch die Stadt in letzter Minute gestoppt werden. Später befand sich ein Altstoffhandel zeitweise auf dem Gelände. Die alte Brauerei ist während der zahlreichen Leerstandsjahre Schritt für Schritt ausgeplündert worden. Schrottdiebe demontierten auch mit Schweißgerät große Eisenteile wie Treppen und Sudkessel.

Die Besitzer haben viel vor mit dem Objekt. Im März 2015 wurde ihr aktuelles Vorhaben bekannt. Demnach sind das Betriebsgelände samt der gewaltigen Keller digital vermessen, Baupläne erarbeitet hieß es. Von der weiteren Entwicklung hängt es ab, ob es zum Kauf kommt. Trotzdem sich die Kaufinteressenten beim Besitzer eine Kaufoption vertraglich gesichert hat, ist das Objekt im Internet als Verkaufsobjekt zu finden. Auf Immofux wird das ehemalige Fabrikgelände für 669.000 Euro angeboten; bei geschätzten Investitionskosten von 20 bis 30 Millionen Euro. Doch noch ist unklar, wie es weitergeht. Nach Hallelife vorliegenden Informationen wollen die Eigentümer die zuletzt ausgebrannten Gebäude erhalten. Immerhin gehören Sudhaus und Kontor zum ältesten Teil der Brauerei und sind neben der Schwankhalle, dem markanten Gebäude, das sich am Ufer der Saale erhebt, architektonisch am schönsten.

Nach dem Brand war die Kriminalpolizei vor Ort. Wie Hallelife erfuhr, durften die Brandhäuser bisher nicht betreten werden. Wie es weitergeht, war am 22. Juni weiter unklar. Auf Nachfrage zu bisherigen Erkenntnissen und Gutachten bei der örtlichen Polizei-Direktion erklärte Polizeisprecherin Lisa Wirth: „Die Überprüfung des Gebäudes durch das Bauamt dauert weiter an. Ein Gutachten wird es hierzu wahrscheinlich nicht geben, allerdings haben wir vorab bereits die Information erhalten, dass ein gefahrloses Betreten nicht mehr möglich ist. Aus diesem Grund konnte auch noch keine Brandermittlung durchgeführt werden und wird es vermutlich auch zukünftig nicht. Was nach Abschluss der Tätigkeiten von Polizei und Bauamt mit dem Gebäude geschieht, ist für uns als Polizei nicht relevant. Daher können wir hierzu auch keine Angaben machen.“

Verpassen Abrissbagger einem der wichtigsten Bauwerke hallescher Industriearchitektur bald den Todesstoß? Der bisherige Ablauf der Ereignisse gleicht einem Déjà-vu. Denn Anfang Januar stand das Haus Böllberger Weg 1 kurz nach Mitternacht plötzlich in Flammen. Hohe Flammen schlugen aus dem denkmalwürdigen Objekt, das sich an der Ecke zur Torstraße in Sichtweite zur Freybergs Brauerei befand. Nach dem Brand hieß es, dass die Polizei nicht ermitteln kann, weil das Haus einsturzgefährdet ist. Im Eilverfahren reagierte schließlich das Bauordnungsamt der Stadtverwaltung Halle und verfügte den Abriss der Brandruine.

Ohne behördlichen Eingriff wäre die alte Brauerei schon vor genau 20 Jahren als eindrucksvolle Kulisse hallescher Wirtschaftsgeschichte verloren gewesen. Denn die Käuferin und letzte Nutzerin des Industrieobjekts, die Brauerei EKU Kulmbach, hatte 1995 für den Gebäudekomplex einen Abrissantrag gestellt. Doch damals lehnten die Denkmalschutzbehörde den Abriss ab.