Nachtfluglärmbelastung am Flughafen Leipzig/Halle

von 12. September 2012

“Nach der Argumentation der Kläger hätte sich die Abwägung der DFS (Deutsche Flugsicherung) bzgl. Flugrouten auf die zugelassene Verkehrsmenge (erlaubte Kapazität des Flughafens in seiner planfestgestellten Kapazität 2004) beziehen müssen, zum Zeitpunkt der Abwägung über die Flugrouten (2006). Tatsächlich hat über diese Routen ja keine Abwägung stattgefunden, von der DFS in der mündlichen Verhandlung eingeräumt”, stellt Thomas Strecker, Teilnehmer des Forum Flughafen fest. “Das Gericht ist der Argumentation der Kläger nicht gefolgt und hat sich auf die nachträglich von der LDL geänderte Prognose 2020 eingelassen. Und hat als Unzumutbarkeitskriterium auf 55 dB(A) Dauerschallpegel abgestellt und die Klage abgewiesen. Das sind Details, die dem Urteil zu entnehmen sind.”

“Das Urteil ist weder öffentlich, noch hat sich das Gericht, das BAF (die Beklagte) oder die Kanzlei Baumann (Vertreter der Kläger) in der Presse zu der Kapazitätsfrage geäußert”, stellt Strecker fest. Und fragt sich: “Die Frage ist nur: Woher kennt die Landesdirektion Leipzig Details zum Urteil? Gab es hier etwa Abstimmungen zwischen Gericht und Behörden?”

Am Montag, 10. September, hatte die Landesdirektion, Dienststelle Leipzig, eine Mitteilung zu ihrer “turnusgemäßen Überprüfung der Nachtfluglärmbelastung durch den Flughafen Leipzig/Halle” verschickt. Darin teilte sie mit: “Im Ergebnis ist festzustellen, dass es gegenwärtig keiner weiteren Anordnung von Auflagen zum Schutz vor nächtlichem Fluglärm durch die Landesdirektion Sachsen bedarf.”

Doch schon der nächste Absatz zeigt, dass die Landesdirektion einfach die Flinte ins Korn geschmissen hat. Denn zu den Zielen der Abstimmung zwischen Land, Flughafen und DFS gehörte in den letzten Jahren immer, die Flugbewegungen möglichst gleichmäßig auf beide Start- und Landbahnen zu verteilen, um eine übermäßige Lärmbelastung an der Südlandebahn zu vermeiden. Eben weil sich die Fluglogistiker alle an der 2007 eröffneten Start- und Landebahn Süd angesiedelt haben. Schon bei vorhergehenden Prüfungen hatte der Flughafen eingestanden, dass er kaum auf die nächtlichen Bahnnutzungen Einfluss nehmen könne, weil die Gesellschaften in der Regel die Überfahrt über die Autobahn auf die Nordbahn vermeiden.

Im Ergebnis der Prüfungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten des Jahres 2011 (Mai bis Oktober) zwischen 22.00 und 6.00 Uhr hat sich nun ergeben, “dass die nächtlichen Flugbewegungen im genannten Zeitraum des Jahres 2011 um knapp 3,2 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2010 zugenommen haben. Während von Mai bis Oktober des Jahres 2010 nachts insgesamt 15.555 Flugbewegungen stattgefunden haben, betrug die Anzahl der nächtlichen Starts und Landungen der Monate Mai bis Oktober des Jahres 2011 16.046 (einschließlich Hubschrauberflüge).”

Und: “Der Anteil der auf der Start- und Landebahn Nord abgewickelten nächtlichen Flugbewegungen ist hierbei von 11 % im Jahr 2010 auf 8,5 % im Jahr 2011 gesunken. Entsprechend hat sich der Anteil des nächtlichen Flugbewegungsaufkommens auf der Start- und Landebahn Süd im Jahr 2011 von 89 % auf 91,5 % erhöht. Die Lärmbelastung in der Nacht hat sich somit weiter in Richtung der vom Betrieb der Start- und Landebahn Süd betroffenen Ortslagen verlagert.”

Und nicht nur stellte sich heraus, dass überhaupt nicht an einer gleichmäßigen Verteilung der Flüge auf die Start- und Landebahnen gearbeitet wird, auch bei der Verteilung der Startrichtungen geht es überwiegend nur in eine Richtung. Bei den Landungen logischerweise dann auch. Während die Flieger zu weitreichenden Einflugbewegungen über das Leipziger Stadtgebiet brummen, um von Taucha her in Ost-West-Richtung einzufliegen, bekommt den Abflugverkehr die Nachbarstadt Halle zu spüren.

Die Landesdirektion: “Eine weitere Änderung ergab sich hinsichtlich der Verteilung der nächtlichen Flugverkehre auf die Betriebsrichtungen West und Ost. Während im Jahr 2010 68 % der Starts und Landungen über die Betriebsrichtung West und 32 % über die Betriebsrichtung Ost abgewickelt wurden, lag die Betriebsrichtungsverteilung West / Ost im Jahr 2011 bei 70 % zu 30 %.”

Im Grunde ist das das amtliche Eingeständnis, dass die behördlichen Versuche, die Lärmbelastung für die beiden Großstädte zu minimieren, sämtlich gescheitert sind.

In ihrer Mitteilung verweist die Landesdirektion auf die Bestätigung durch das OVG Bautzen: “Die der Prognose für das Jahr 2020 zugrunde liegenden nächtlichen Flugbewegungszahlen von 2.162 (SLB Nord) bzw. 21 769 (SLB Süd) – jeweils bezogen auf die sechs verkehrsreichsten Monate und ohne Hubschrauberflüge – wurden also noch nicht erreicht, sondern in 2011 um 37,2 % (SLB Nord) bzw. 32,6 % (SLB Süd) unterschritten.

Der Vollständigkeit halber weist die Landesdirektion darauf hin, dass unter Zugrundelegung der gerichtlich bestätigten Kriterien für die Ausweisung des Nachtschutzgebietes (= Gebiet, in dem baulicher Schallschutz notwendig ist) dieses im Jahr 2011 eine Größe von ca. 141 km² (2010: ca. 136 km²) hätte haben müssen. Tatsächlich umfasst das festgesetzte Nachtschutzgebiet derzeit ca. 256 km².”

Was damit nicht wirklich etwas zu tun hat. Denn die nächtlichen Überflüge passieren außerhalb des so generös ausgewiesenen “Schutzgebietes”, das einfach definiert, wer Anspruch auf die Erstattung von Mitteln für den passiven Schallschutz hat – und wer nicht. Wer nicht im Schutzgebiet wohnt, hat keinen Anspruch.

In der Mitteilung der Landesdirektion: “Auf der Grundlage der bestehenden Regelungen können Ansprüche auf bauliche Schallschutzmaßnahmen noch bis zum 31. Dezember 2012 bei der Flughafen Leipzig/Halle GmbH geltend gemacht werden. Das Gleiche gilt für Ansprüche auf verbesserten Schallschutz wegen besonderer Erkrankung von im Nachtschutzgebiet wohnenden Eigentümern und deren Familienangehörigen sowie für etwaige Ansprüche auf fluglärmbedingte Übernahme der Wohngrundstücke durch die Flughafen Leipzig/Halle GmbH. (…)

Ab dem 1. Januar 2013 können Ansprüche auf baulichen Schallschutz nur noch nach Maßgabe des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (in Verbindung mit der hierzu ergangenen Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Festsetzung der Lärmschutzbereiche für die Verkehrsflughäfen Dresden und Leipzig/Halle vom 30. Januar 2012) geltend gemacht werden. Im Vergleich zu den Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses vom 4. November 2004 gelten dafür engere Voraussetzungen.”

Und auch was da fliegt, hat man sehr wohl registriert. Und es fliegen weiterhin einige der alten russischen Mühlen, die man schon hört, wenn sie noch hinterm Horizont sind, und auch dann noch, wenn sie hinterm nächsten Horizont verschwunden sind.

Und während DHL großmundig verkündet hat, diese Maschinen bis 2016 fliegen zu lassen, hat sich ihr Einsatz 2011 sogar noch verstärkt.

“Der Vergleich der in den Jahren 2010 und 2011 eingesetzten Flugzeugmuster hat ergeben, dass die Anzahl der nächtlichen Flugbewegungen mit schweren Propellerflugzeugen [Luftfahrzeug-Gruppe P 2.2, einschließlich AN 12, AN 26, L 188 (Lockheed Electra) und C 160 (Transall)] um 110 auf 1.288 zugenommen hat (+ 9,4 %). Bei den schweren Strahlflugzeugen (Luftfahrzeug-Gruppe S 3.2, einschließlich AN 124 und IL 76) war eine Abnahme um neun Bewegungen auf 72 zu verzeichnen (- 11,1 %).”

Abgenommen hat die Zahl der Flüge der Luftfahrzeug-Gruppe S 5.2, zu der insbesondere die B 757 gehört, auf 8.859 Bewegungen, was aber nur ein leichtes Minus von 3,4 % ist. Zugenommen haben dafür Flüge in der Gruppe S 6.1, wozu insbesondere der A 300 gehört, auf 4.580 Bewegungen, was ein Plus von 23,5 % ist. Die Luftfahrzeug-Gruppe S 7, die am Flughafen Leipzig/Halle insbesondere durch die B 777 von AeroLogic repräsentiert wird, nahm um 60 nächtliche Flugbewegungen auf 168 zu (+ 55,6 %).

Und dann sind ja noch die Truppentransporte nach Irak und Afghanistan, die in Leipzig ja auch unbedingt in der Nacht abgewickelt werden müssen: Die insbesondere dem Verkehrssegment „Trooping Charter“ zuzurechnenden nächtlichen Flugbewegungen (Luftfahrzeug-Gruppe S 6.2 mit den Flugzeugmustern DC-10 und MD-11) nahmen im Zeitraum Mai bis Oktober 2011 gegenüber 2010 um 78 auf 318 ab (- 19,7 %). Was ja tröstlich ist, aber lediglich Barack Obama zu verdanken ist, der die Kriegsaktivitäten im Mittleren Osten nach und nach zurückfährt.

Was sich ja sogar in den Passagierzahlen des Flughafens widerspiegelt: Die Zahl der Transitpassagiere sank von 501.000 im Jahr 2010 auf 429.000 im Jahr 2011. Entsprechend registrierten Leipziger Hotels auch deutlich weniger Übernachtungen von Gästen aus den USA.

Die nächste turnusgemäße Überprüfung wird im Frühjahr 2013 stattfinden, kündigt die Landesdirektion Leipzig an.