Wäre im April 1945 nicht eine Reihe mutiger Menschen gewesen, die Innenstadt von Halle gliche wohl heute der von Magdeburg. Doch die Saalestadt blieb vor einer Zerstörung durch die alliierten Verbände verschont. Wer aber hatte damals den Hut auf? Und wie ehrt man die Retter? Seit Jahren gibt es darüber Diskussionen in der halleschen Stadtpolitik. Im Mittelpunkt steht dabei ein Mann: Felix Graf Luckner. Von den einen als Retter angesehen, von den anderen als Mitläufer der Nazis bezeichnet. Und dann steht ja noch die Vergewaltigung seiner eigenen Tochter im Raum. Gutachten wurden bemüht, es gab unzählige Diskussionsrunden. Und noch immer kein Ergebnis.
Immerhin: seit Dienstagabend ist man der Ehrung der Retter ein Stückchen näher gekommen. Dreimal (1995, 2001 und 2005) hatte es die FDP per Antrag im Stadtrat probiert, Luckner zu ehren, und war dabei an den Mehrheitsverhältnissen im Stadtparlament gescheitert. Deshalb nun der neue Antrag der Liberalen. Statt nur an Luckner zu erinnern, sollen nun auf einer Gedenktafel oder Stele zusätzlich die Namen von Major a. D. Karl Huhold, Prof. Walter Hülse, Prof. Theodor Lieser und Dr. Nicolaus Weins stehen. Doch auch dieser Antrag fand keine Mehrheit. Abgelehnt wurde knapp (5 Ja, 6 Nein) eine Vertagung. Diese hatte Annegret Bergner (CDU) angeregt, um noch einmal in den Fraktionen über die Änderungsanträge zu reden. Stattdessen billigte der Kulturausschuss einen gemeinsamen Änderungsantrag von Linken, Grünen und SPD. Demnach wird zwar an die Menschen erinnert, die Halle vor einem flächendeckenden Bombardement und damit der kompletten Zerstörung retteten. Allerdings sollen keine Namen genannt werden. Der genaue Texte auf Stele oder Tafel soll nun interfraktionell formuliert werden.
Wie schon in vielen Sitzungen zuvor, sorgte vor allem die Person Luckner für hitzige Debatten. “Wir ehren keine Biographie, sondern die Tat”, hatte Hans-Dietrich Wöllenweber (FDP) noch einmal für seinen Antrag geworben. 65 Jahre danach müsse endlich etwas passieren. Auch die Angreifer, die Timberwölfe, seien mit einem Denkmal in Halle geehrt worden. Frank Hirschinger (CDU) hob die historische Rolle Luckners hervor, die Erwin Bartsch (Linke) wiederum nicht erkennen wollte. Beide lieferten sich ein kurzes Streitgespräch. “Die Leute waren mutig, haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt”, so Hirschinger zum damaligen Geschehen. Schließlich habe man aus damaliger Sicht mit dem Feind Kontakt aufgenommen. Die Irrungen und Wirrungen in Luckners Leben solle man von seiner historischen Rolle trennen, so Hirschinger. Harald Bartl (CDU) mahnte davor, sich als “Richter in Biographien” aufzuspielen. Auch Leute wie Karl Marx und der Judenhasser Martin Luther haben aus heutiger Sicht etwas auf dem Kerbholz. Erwin Bartsch (Linke) hingegen verwahrte sich vor allem davor, nur bestimmte Personen zu ehren. Es habe viel mehr Widerstandsgruppen in Halle gegeben, sagte er.
Eine Rede für die Ehrung auch Luckners hielt hingegen Stadtarchivar Ralf Jakob für die Verwaltung. “Ich plädiere für eine Ehrung der handelnden Personen.” Es gebe Tage, da müsse ein Mensch sich entscheiden. “Und diese Gruppe hat sich entschieden, mit dem Feind geredet.” Ohne die Gruppe um Luckner hätte Halle das gleiche Schicksal ereilt wie Zerbst, wo ein Drittel der Stadt ausradiert wurde.
Während es um die Textgestaltung also einen heftigen Disput gab, könnte es zumindest um den Ort von Gedenktafel oder -stele eine Einigung geben. Zwar schlug die FDP den Uniring vor, wo Luckner im Haus Nummer 13 gewohnt hat. Doch zeigte man sich offen für andere Vorschläge, die Ehrung am Roten Turm auf dem Markt vorzunehmen. Ersten Schätzungen zufolge soll die Gedenkplastik rund 2.600 Euro kosten. Das Geld könnte durch Spenden aufgebracht werden, so die Idee.