NATURA 2000: Landesweit größtes Naturschutzprojekt im öffentlichen Beteiligungsverfahren

von 26. Oktober 2017

Seit dem 4. Oktober 2017 läuft landesweit die öffentliche Auslegung der Unterlagen zum größten naturschutzrechtlichen Verfahren, welches in Sachsen-Anhalt bislang durchgeführt wurde. In insgesamt 114 Einheits- und Verbandsgemeinden können seitdem alle betroffenen Bürgerinnen und Bürger, Bewirtschafter, Verbände usw. die Unterlagen zur Festsetzung der NATURA 2000-Gebiete einsehen und bis zum 4. Dezember ihre Vorschläge, Anregungen und Einwände einreichen. Im Landkreis Stendal sind neun Kommunen mit 29 zu sichernden NATURA 2000-Gebieten zu beteiligen.
Im Landkreis befinden sich sechs Vogelschutz- und 23 FFH-Gebiete, die nach den EU-Richtlinien NATURA 2000 (Vogelschutz- und FFH-Richtlinie) neu festgesetzt werden. Bezüglich dieser Gebiete bestehen vor Ort Befürchtungen, da die Neuausweisung zu Einschränkungen für die Nutzung der Gebiete führen kann. Um frühzeitig Missverständnissen vorzubeugen, waren die Vertreter des LVwA heute in Stendal und haben die Unterlagen zur Festsetzung der NATURA 2000-Gebiete erläutert und zur Diskussion gestellt.

Folgende Informationen wurden zum besseren Verständnis gegeben:

Schutzzonen:

In Schutzzonen ist es unter anderem grundsätzlich verboten zu baden, zu klettern, offenes Feuer zu entfachen, zu zelten oder zu campieren.

An der Elbe:

An der Elbe sind insgesamt 26 Schutzzonen im Landkreis Stendal. Hier gelten teilweise zusätzliche Einschränkungen zum Angeln und Bootfahren. Zudem werden im Zuge des Ausweisungsverfahrens an der Elbe mit den Nutzern Uferbereiche abgestimmt, die in der Zeit vom 15. April bis 31. Juli nicht betreten werden sollen.
Außerhalb der Schutzzonen, abseits der Stromelbe ist auf bestimmten Gewässern das Befahren mit motorbetriebenen Wasserfahrzeugen untersagt.

An der Havel:

Die bekannten Badestellen am Jederitzer Altarm sowie bei Kuhlhausen, Molkenberg und Schollene liegen außerhalb der Schutzzonen, sodass hier weiterhin gebadet und Lagerfeuer entfacht werden darf. Es besteht zudem die Möglichkeit, im Beteiligungsverfahren weitere Badestellen festzulegen. Auch nach der seit 1988 vorliegenden Behandlungsrichtlinie für das Feuchtraumgebiet internationaler Bedeutung (FIB) „Untere Havel“ ist das Baden nur an ausgewiesenen Badestellen erlaubt und das Zelten untersagt. Die direkt an Ortschaften angrenzenden, stärker begangenen Flächen gehören in der Regel nicht zu den Schutzzonen.
Auf der Stromhavel und in Schleusen wird der Bootsverkehr nicht eingeschränkt. Nur für bestimmte Nebengewässer sind Befahrungsbeschränkungen vorgesehen. Die Regelungen orientieren sich an den Vorgaben der Verordnungen zu den bestehenden NSGs und dem LSG „Untere Havel“ und zum NSG „Untere Havel Nord“ (Brandenburg) sowie an der aktuellen Nutzung. Die Bootsregelungen sollen unabhängig von den Schutzzonen im gesamten Vogelschutzgebiet gelten.
Das Angeln ist in den Naturschutzgebieten (NSG) „Stremel“ und „Schollener See“ verboten, im NSG „Stremel“ besteht dieses Verbot bereits seit den 70er Jahren laut NSG-Behandlungsrichtlinie. In den übrigen Schutzzonen ist das Angeln in der Brutzeit vom 1. März bis zum 30. Juni nur an der Stromhavel erlaubt; außerhalb dieser Zeit gibt es keine Einschränkungen. Im Röhricht dürfen keine Bootsstege oder Schneisen angelegt werden.

Wasserstände an der Havel:

In der Behandlungsrichtlinie zum Feuchtraumgebiet internationaler Bedeutung –Untere Havel (FIB) sind Stauziele für die Havel festgeschrieben. Die Stauziele der Havelwehre werden jährlich vom Wasser- und Schifffahrtsamt Brandenburg vorgeschlagen und im Staubeirat diskutiert; die Polderwasserstände werden vom LHW festgelegt.Die Landesverordnung greift in diesen Prozess nicht ein.

In der Milde-Niederung und dem Mahlpfuhler Fenn:

In der Milde-Niederung sind zwei Schutzzonen, im Mahlpfuhler Fenn eine Schutzzone vorhanden. Hier gelten besondere Einschränkungen für die Angelfischerei.

„Wir sind optimistisch, dass wir durch unsere Darstellung der beabsichtigten Regelungen zu einer guten Lösung kommen werden. Naturschutz soll keine Einbahnstraße sein, dennoch sind natürlich Regelungen notwendig, um dem Ziel des Naturschutzes gerecht zu werden“, so Zender weiter.

Das europäische NATURA 2000-Schutzgebietsnetz besteht aus über 25.000 Schutzgebieten, 298 davon befinden sich in Sachsen-Anhalt. Durch einen Beschluss der Landesregierung vom 29.07.2014 wurde das Landesverwaltungsamt beauftragt, bis Ende 2018 ein öffentliches Ausweisungsverfahren für die bisher noch nicht rechtlich gesicherten NATURA 2000-Gebiete durchzuführen.

Noch vor dem öffentlichen Beteiligungsverfahren erfolgte eine breit angelegte Einbeziehung von Bewirtschaftern, Verbänden der Nutzergruppen, anerkannten Naturschutzvereinen sowie Landkreisen und Kommunen. Bereits in dieser Phase konnten viele Hinweise in die Erarbeitung des Verordnungsentwurfes einfließen.

„Diese dem öffentlichen Verfahren vorgelagerte Beteiligung war dabei von entscheidender Bedeutung, denn nur durch gute Informationen und Transparenz kann dieser Prozess gelingen. Uns ist es wichtig, mit den Betroffenen in den Dialog zu gehen, denn nur durch eine gemeinsame Umsetzung mit den Nutzergruppen können wir die Ziele von NATURA 2000 erreichen“, erklärte der Präsident des Landesverwaltungsamtes, Thomas Pleye, bei der Präsentation des Verfahrens am 4. Oktober in Halle. „Das war sehr aufwendig, aber aus unserer Sicht auch fruchtbringend und zielführend. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses vorgelagerte Beteiligungsverfahren und die frühzeitige Einbeziehung der Öffentlichkeit rechtlich nicht vorgeschrieben sind. Wir sind aber der Auffassung, dass dies der richtige Weg ist, um eine Akzeptanz zu erreichen“, so der Präsident weiter.

Zusätzlich zu den rund 180 Terminen und Erörterungsrunden vor Ort hatte das Landesverwaltungsamt frühzeitig eine Webseite und einen Facebook-Account mit Informationen zum NATURA 2000-Verfahren erstellt. Die NATURA 2000-Webseite dient der Bereitstellung von relevanten Informationen zum Verfahren und informiert transparent über die einzelnen Phasen, um eine breite Beteiligung zu gewährleisten.

Adresse: http://www.natura2000-lsa.de

In Vorbereitung des am 4. Oktober begonnenen öffentlichen Beteiligungsverfahrens wurden mehr als 2.500 Karten gedruckt. Die betroffenen Gemeinden erhielten je nach der NATURA 2000-Kulisse in ihrem Zuständigkeitsbereich einen bis mehrere Aktenordner und zugehöriges Kartenmaterial zur Auslegung. Seit dem 4. Oktober stehen alle Informationen natürlich auch online zur Verfügung. Zudem ist es seitdem möglich, Stellungnahmen auch online einzureichen. Das Landesverwaltungsamt rät den Einwendern zur Nutzung der bereitgestellten Online-Plattform.

Adresse: https://www.online-beteiligung.de/natura-lsa/

Nach dem 4. Dezember beginnt die Auswertung der Stellungnahmen und die Überarbeitung des Entwurfs der entsprechenden Landesverordnung.

„Wir wünschen uns eine rege Beteiligung am öffentlichen Verfahren, um so auf die Belange aller Interessengruppen eingehen zu können und damit eine möglichst große Akzeptanz für dieses wichtige europäische Projekt zu erzielen. Die große Herausforderung besteht darin, die verschiedenen Interessen, die im Beteiligungsverfahren geäußert wurden, in eine ausgewogene Entscheidung und damit in die entsprechende Verordnung fließen zu lassen“, so Zender abschließend.

Schutzgebiete im Landkreis Stendal

? Europäische Vogelschutzgebiete (SPA)
? Untere Havel/Sachsen-Anhalt und Schollener See DE 3239-401 (SPA0003)
? Milde-Niederung/Altmark DE 3334-401 (SPA0009)
? Vogelschutzgebiet Klietzer Heide DE 3338-401 (SPA0010)
? Elbaue Jerichow DE 3437-401 (SPA0011)
? Vogelschutzgebiet Colbitz-Letzlinger Heide DE 3635-401 (SPA0012)
? Mahlpfuhler Fenn DE 3536-301(F35/S26)

Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiete)

? Elbaue Werben und Alte Elbe Kannenberg DE 3138-301 (FFH0009)
? Havel nördlich Havelberg DE 3138-302 (FFH0010)
? Untere Havel und Schollener See DE 3239-301(FFH0011)
? Elbaue zwischen Sandau und Schönhausen DE 3238-302 (FFH0012)
? Jederitzer Holz östlich Havelberg DE 3238-301 (FFH0013)
? Kamernscher See und Trübengraben DE 3238-303 (FFH0014)
? Binnendüne bei Scharlibbe DE 3338-301 (FFH0015)
? Secantsgraben, Milde und Biese DE 3334-301 (FFH0016)
? Schießplatz Bindfelde östlich Stendal DE 3337-301 (FFH0032)
? Fenn in Wittenmoor DE 3436-301 (FFH0033)
? Tanger-Mittel- und Unterlauf DE 3536-302 (FFH0034)
? Süppling westlich Weißewarte DE 3537-303 (FFH0036)
? Elbaue bei Bertingen DE 3637-301 (FFH0037)
? Elbaue zwischen Derben und Schönhausen DE 3437-302 (FFH0157)
? Klietzer Heide DE 3338-302 (FFH0159)
? Eschengehege nördlich Tangerhütte DE 3536-303 (FFH0171)
? Uchte unterhalb Goldbeck DE 3236-301 (FFH0231)
? Stendaler Rohrwiesen DE 3437-303 (FFH0232)
? Stendaler Stadtforst DE 3337-302 (FFH0233)
? Colbitz-Letzlinger Heide DE 3535-301 (FFH0235)
? Fasanengarten Iden DE 3237-301 (FFH0238)
? Krumker Holz und Wälder östlich Drüsedau DE 3136-301 (FFH0279)

Hintergrund

Warum Naturschutz, warum NATURA 2000?

Vor mehr als 20 Jahren wurde das europaweite Schutzgebietsnetz „NATURA 2000“ ins Leben gerufen. Seitdem entstand ein Netzwerk aus Gebieten, um besonders wertvolle, seltene oder gefährdete Tiere und Pflanzen in ihren natürlichen Lebensräumen zu schützen. Über 25.000 Schutzgebiete ziehen sich durch ganz Europa. Im Bundesland Sachsen-Anhalt bestehen 266 Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH-Gebiete) und 32 Vogelschutzgebiete (SPA).

NATURA 2000 schützt Arten und Lebensräume

Alle Mitgliedsstaaten der europäischen Union haben sich zusammengetan und ein Netz an Schutzgebieten geschaffen, das sich durch ganz Europa zieht und die Schönheit und Vielfalt unserer Natur sichern hilft. Das Projekt trägt den Namen „NATURA 2000“ und ist bisher weltweit einmalig. Dabei haben sich die Länder darauf verständigt, eine bestimmte Anzahl von Gebieten, die besondere Biotope umfassen oder besonders schützenswerten Arten eine Heimat bieten, als NATURA 2000-Gebiete zu melden und zu sichern. In diesen Gebieten besteht das so genannte „Verschlechterungsverbot“. Das heißt, in diesen Gebieten ist ein günstiger Erhaltungszustand von schützenswerten Lebensräumen sowie Tier- und Pflanzenarten zu bewahren. Die Unterschutzstellung bedeutet nicht die Aufgabe der Nutzung der Gebiete, sondern zielt auf den Erhalt naturnah bewirtschafteter und dadurch artenreicher und vielfältiger Kulturlandschaften ab. Grundlage für die Entscheidung, welche Gebiete als NATURA 2000-Gebiete ausgewiesen werden, sind die EU-Vogelschutzrichtlinie und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (kurz: FFH-Richtlinie) der EU. Beide Richtlinien bezeichnen schützenswerte Lebensraumtypen sowie Tiere und Pflanzen. Auch Deutschland und somit Sachsen-Anhalt ist in dieses Netzwerk eingebunden.