Neue Initiative will Sozialticket für Halle

von 24. November 2011

Zahlreiche Menschen in Halle (Saale) leben von Hartz IV oder verdienen so wenig Geld, dass sie als Aufstocker noch zusätzliche Leistungen vom Amt bekommen. Für diese Menschen ist es oft schwer, vom kärglichen Einkommen auch noch Fahrscheine für Bus und Straßenbahn zu kaufen. Am Donnerstagabend hat sich deshalb in der Goldenen Rose die Bürgerinitiative Sozialticket Halle (Saale) gegründet. Rund 25 Interessierte hatten die Gründungsveranstaltung verfolgt, ein Teil von ihnen wurde auch gleich Gründungsmitglied.

Das Ziel der Gruppe: die Einführung eines Sozialtickets in der Saalestadt. Geringverdiener und Bezieher von Sozialleistungen sollen auf diese Weise in den Genuss einer vergünstigten Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr kommen. Neidisch schaut die Initiative nach Leipzig, wo bereits 2009 das Sozialticket unter dem Namen "Leipzig-Pass-Mobilcard" eingeführt wurde. Allerdings gibt es in der Nachbarstadt Bestrebungen, dieses von 20.000 Leipzigern genutzte Ticket wieder abzuschaffen. Die FDP hatte es im Rahmen der Haushaltsberatungen vorgeschlagen.

Auch in Halle das Sozialticket einzuführen, ist keine neue Idee. Denn mit vier Nein-Stimmen hat der hallesche Stadtrat einem Antrag der Linken zur Einführung eines Sozialtickets zugestimmt. Das war am 19. September 2007. Als die Räte 2009 einmal nachfragten, argumentierte Sozialdezernent Tobias Kogge mit der Haushaltslage der Stadt und lehnte eine Einführung ab. Also setzte sich im Herbst 2009 der Initiativekreis Sozialticket zusammen. Seitdem wurden, von der Öffentlichkeit unbemerkt, Ideen ausgelotet. In diesem Jahr nun trat die Gruppe wieder hervor.

Denn immerhin könnten 46.000 Hallenser von dem neuen Ticket profitieren. Viele von ihnen verzichten derzeit auf Fahrten, bleiben meist zu Hause. Denn der Hartz-IV-Regelsatz sieht keine größeren Ausgaben für die Fortbewegung vor. Für sechs Fahrten pro Monat reichen die im Regelsatz festgelegten Mittel. "Das ermöglicht keine Flexibilität und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben", beklagt Mitinitiator Sven Weise.

Am Ende steht das Ziel, für 20 Euro im Monat ein Sozialticket in Halle anbieten zu können. Alle Halle-Pass-Besitzer sollen sich ein solches Ticket kaufen können. Ohne Vertragsbindung, hob Sven Weise hervor. Schließlich sollen die Betroffenen monatlich entscheiden dürfen, ob für sie derzeit ein solches Ticket Sinn macht. Weise hofft dadurch auch auf eine größere Akzeptanz des Halle-Passes. Denn den nutzt seinen Worten zufolge nur die Hälfte der Anspruchsberechtigten. Der Halle-Pass steht allen SGB II und III-Beziehern zu sowie Empfängern von Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz und ermöglicht die kostenlose oder kostengünstigere Nutzung vieler Einrichtungen wie zum Beispiel von Oper und Zoo. Die Moritzburg hat sich aus diesem Projekt wieder verabschiedet, denn dort hatte sich kein einziger Halle-Pass-Besitzer gemeldet und ein verbilligtes Museumsticket gekauft. Für Sven Weise liegt das auch an der mangelnden Mobilität der Betroffenen. Diese wohnen oft in den Plattenbaugebieten am Rand der Stadt. Eine Straßenbahnfahrt ins Museum ist da nicht drin. Mit dem Sozialticket könnte sich das ändern. Allerdings: aktuellen Statistiken zufolge leben allein 4.000 Hartz-IV-Empfänger in fußläufiger Nähe der Moritzburg. Auch sie haben das Halle-Pass-Angebot bislang nicht genutzt.

Zur Gründungsveranstaltungen kamen unter anderem Fragen auf, warum man die Nutzung auf Halle-Pass-Besitzer beschränken will. Laut Sven Weise sei dies für die Verwaltung einfacher und mache auch eine Kontrolle einfacher. Doch würden ja ohnehin alle Aufstocker und Hartz-IV-Empfänger Anspruch auf den Halle-Pass haben. Nur viele holen ihn sich eben bislang noch nicht. Angst vor einer Stigmatisierung wurde auch laut. So gab es Sorgen, dass groß auf der Fahrkarte "Sozialticket" draufsteht. Dazu soll es laut Sven Weise nicht kommen. Es werde eine normale Monatskarte mit Namen. Lediglich beim Kauf müsse man sich als Bedürftiger zu erkennen geben.

Doch damit solch ein Sozialticket kommt, müssen Stadtpolitik und Verkehrsbetriebe mitspielen. Erste Gespräche mit der Halleschen Verkehrs AG (HAVAG) sind bereits erfolgt. Sven Weise sieht auf das Verkehrsunternehmen kaum Mehrkosten zurollen. Die Trams seien sowieso unterwegs, wären dann nur besser ausgelastet. Bereits im Sommer hatte HalleForum.de einmal bei der HAVAG nachgefragt. Dort sei das Sozialticket zwar kein Thema, aber man lehnt es auch nicht ab. "Die Einführung eines solchen Tickets setzt für uns als Verkehrsunternehmen voraus, dass uns keine Mindereinnahmen entstehen", sagte Sprecherin Antje Prochnow. Das Verkehrsunternehmen wird sicher anders rechnen als die Initiative. 48,30 Euro kostet die Monatskarte, zum geplanten Sozialticketpreis also eine Differenz von 28,30 Euro. Würden tatsächlich alle 46.000 Anspruchsberechtigten das Sozialticket nutzen, würde diese eine jährliche Summe von 15,6 Millionen Euro ausmachen.

Die Initiative selbst will jetzt vor allem auf Stadtteilfesten werben und mit Betroffenen ins Gespräch kommen. Am Donnerstagabend wurde der sechsköpfige Sprecherrat gewählt. Ein leerer Pizzakarton diente als Wahlurne. Sven Weise, Silke Schuender, Ute Haupt, Heike Deuerling-Kalsow, Norbert Thetmeyer und Katrin Vogel werden die neue Initiative nun nach Außen vertreten.