Neustadt: ein Stadtteil feiert Geburtstag

von 15. Juli 2009

Es war ein heißer Hochsommertag: am 15. Juli 1964 um 14.30 Uhr legte Horst Sindermann, 1. Sekretär der Bezirksleitung Halle der SED und Mitglied des Politbüros des ZK der SED, den Grundstein für den Bau der Chemiearbeiterstadt Halle-Neustadt. Unweit des heutigen S-Bahnhofs Zscherbener Straße, auf dem Gelände der 1. Polytechnischen Oberschule (POS) begann die Geburtstunde Neustadts. Heute befindet sich hier das Landesbildungszentrum für Blinde und Sehgeschädigte. Am 9. August 1965 konnten dann die ersten Bürger ihre neuen, modernen Wohnungen beziehen – mit Fernwärme, aber auch noch inmitten einer Großbaustelle.

1958 schon liefen die ersten Planungen für den Bau der Chemiearbeiterstadt im Zusammenhang mit dem Ausbau von Buna und Leuna. Doch erst 1964 kam das Projekt dann so richtig in Fahrt. So wurde das erste Plattenwerk eröffnet, Chefarchitekt Richard Paulick übernimmt die Planungen und am 13. August wird dann durch den DDR-Ministerrat die Grundkonzeption bestätigt. Das ehrgeizige Ziel: 22.000 Wohnungen für 79.000 Einwohner. Zur politischen Wende waren es rund 90.000 Einwohner, danach verließ fast die Hälfte der Menschen die ehemalige Chemiearbeiterstadt mit ihren „Arbeiterschließfächern“ genannten Plattenbauwohnungen. 1990 kam dann auch das Ende als eigenständige Stadt. Zur Kommunalwahl am 6. 1990 entschieden sich die Neustädter für eine Eingemeindung nach Halle (Saale). Am 12. Mai 1967 hatte Neustadt seine Eigenständigkeit bekommen und war zur kreisfreien Stadt ernannt worden. Und auch das Ende der Blocknummern war mit der Eingemeindung nach Halle gekommen, Neustadt bekam Straßennamen.

Ein zentraler Punkt in der Erschließung Neustadts war die Bahn. Am 24. April 1967 um 18.10 Uhr startete vom Hauptbahnhof aus die erste S-Bahn-Fahrt zum damaligen Endpunkt an der Zscherbener Straße. Zwei Jahre später rollte die S-Bahn dann bis nach Dölau, Belzerzüge fuhren nach Buna und Leuna. 1970 wird das Zentrale Lehrlingswohnheim übergeben. 1973 gründete sich die Freiwillige Feuerwehr Neustadt. Und 1974 entsteht das erste Punkthochhaus am Tulpenbrunnen, der Block 224.

1984 – zum 20 jährigen Jubiläum der Grundsteinlegung – erhielt Neustadt sogar sein eigenes Wappen. Rotem Hintergrund, drei silberne Tauben, die aus einer gold-grünen Knospe aufsteigen und an Picassos Friedenstauben angelehnt sind. Darüber liegt ein goldener Schlüssel. Der sechseckige Griff in Form eines Benzolrings soll an die Verbundenheit zur Chemie erinnern.

Nach der Wende war Neustadt dann vom Abriss geprägt, viele Plattenbauten verschwanden. 1999 fiel auch das legendäre Prisma-Kino. Heute steht hier das Neustadt-Centrum. Doch Neustadt erhielt auch Anschluss an das Nahverkehrssystem von Halle, 1998 begann der Bau der Straßenbahn. Nicht ohne Proteste, viele Neustädter beklagten, dass durch den Bau der Straßenbahn der grüne Mittelstreifen auf der Magistrale verschwindet. Heute wird die Tram gut genutzt, was wiederum Auswirkungen auf die S-Bahn hat, die mit schwindenden Fahrgastzahlen zu kämpfen hat. Und der „Stadtumbauprozess“ ist noch nicht zu Ende. Auch in den nächsten Jahren werden viele Wohnungen „vom Markt genommen“, also abgerissen. Viertel werden umgestaltet, aus Plattenbauten werden „Town-Häuser“. Und im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA 2010 entsteht unter anderem ein Skatepark. Auch die fünf Hochhausscheiben werden sicher noch einmal die öffentliche Debatte beherrschen. Denn mittlerweile geht man in der Stadtverwaltung davon aus, dass zumindest einige der fünf Hochhäuser abgerissen werden müssen.