NICHT MIT RENDITE WERBEN

von 11. Mai 2015

Diese Entwicklung ist jedoch auch in Halle nicht neu. Schon in den 1990er Jahre sorgte die Stadtverwaltung für den Beginn der sozialen Entmischung, in dem sie sozial Schwachen über Wohnberechtigungsscheine vorrangig Wohnungen in den Neubaustadtteilen Silberhöhe, Halle-Neustadt und Heide-Nord zuwies. Wer konnte, zog weg aus diesen Stadtteilen, nicht selten aus sozialen Gründen. Das beschleunigte die Konzentration sozialer Randgruppen, die nur dort abgemildert wurde, wo die Bindung von Altmietern zu ihrem Stadtviertel länger gewachsen war. Wo früher ein bunter Bevölkerungsquerschnitt wohnte, konzentrieren sich inzwischen Arme, Alte und Ausländer.

Soziale Brennpunkte sind entstanden. Auch wenn es einige westdeutsche Städte geben mag, in denen die soziale Entmischung und die Ghettobildung viel weiter vorangeschritten sind, darf sich Halle nicht auf trügerischen Aussagen ausruhen, wonach ja alles noch nicht so schlimm ist. Die erschreckend hohen Zahlen an Langzeitarbeitslosen und Familien, die auf Sozialtransfers angewiesen sind, sprechen eine deutliche Sprache. Daher muss das Gebot der Stunde heißen: Probleme immer dann anpacken, sobald sie erkennbar sind. Wer wartet nimmt die Entwicklung unumkehrbarer Prozesse in Kauf, die den sozialen Frieden und das Ansehen der Stadt massiv gefährden.

Ein Umdenken muss einsetzen. Wohnraum muss für alle Menschen bezahlbar sein und darf nicht zum Spekulationsobjekt verkommen. Das muss für die Randgebiete ebenso gelten wie für Innenstadt oder Paulusviertel. Zum Vorteil aller sollten alle Bevölkerungsschichten und Nationalitäten überall miteinander leben können. Dafür müssen sich Halles Stadtrat und Stadtverwaltung umgehend von der Haushaltssanierung über die kommunalen Wohnungsgesellschaften HWG und GWG verabschieden. Denn gesund ist eine Stadt nicht allein, wenn die Kasse stimmt. Die Millionen, die benötigt werden, um das Haushaltsdefizit zu senken, könnte Halle von anderer Stelle nehmen. So könnte sparsamer unter anderem mit Beraterverträgen umgegangen werden, bei der Bezahlung von Führungspersonal und bei der Inanspruchnahme externer Rechtsberatung. Der Abriss von Gebäuden muss endlich gestoppt und der soziale Wohnungsbau systematisch angeschoben werden. Außerdem muss jegliche Werbung unterbleiben, dass Halle ein lukrativer Platz für Renditeobjekte wäre. Das zieht Kräfte in die Stadt, die langfristig kein Gewinn für Halle sind.

Wenn Stadträte die soziale Schieflage nun beklagen und wie aufgescheuchte Hühner durcheinander gackern, dann erscheint das wenig glaubhaft. Doch der fehlende Blick für die wirklichen Sorgen kann nicht verwundern. Viele Diskutanten und Entscheidungsträger sind gut versorgt, wodurch sich die Sicht auf Problemlagen verschoben hat. (SB)