Notfallverbund: Löscheinsatz und Explosionen

von 1. Juni 2015

Im Ernstfall, so der Plan, schafft die Freiwillige Feuerwehr Halle-Trotha die Notfallboxen in einem Rollcontainer an den Einsatzort, wo zuvor die regulären Hilfs- und Rettungskräfte ihren Dienst getan haben. Die Kosten für die Boxen teilen sich hälftig das Land auf der einen Seite und die Kultureinrichtungen des Notfallverbundes auf der anderen Seite. Zur Ausrüstung gehören ein Notstromaggregat und ein Zelt sowie die Notfallboxen mit Utensilien wie Schutzhelmen, Gummistiefeln, Arbeitshandschuhen, Schutzanzügen, Kabeltrommeln, Handleuchten, Absperrbändern, Verpackungsmaterial für die Erstversorgung, Büromaterial zur Dokumentation der Schäden, darunter eine Kamera und ein Diktiergerät und Müllbeutel.

Der Notfallverbund zum Schutz von Kulturgut der Stadt Halle verbindet spartenübergreifend Museen, Archive und Bibliotheken der Stadt, was bundesweit eine Besonderheit ist. Neun Einrichtungen waren am Anfang dabei, inzwischen sind es zwölf darunter Stadtarchiv, Händelhaus, Moritzburg, Franckesche Stiftungen und Universitätsarchiv. Weitere Kandidaten gäbe es. So gehört die Universitäts- und Landesbibliothek bisher nicht zum Notfallverbund, obwohl sie in den vergangenen Jahren zweimal von Bränden betroffen war. Spektakulär war der Brand am 10. März 2000, als der Dachstuhl der Stephanuskirche in Halle bei Dachdeckerarbeiten Feuer fing. In der Kirche lagerte die Universität Teile ihrer Bibliotheksbestände. Nach den Löscharbeiten hatten fast 5000 Bände des Bestandes Wasserschäden.

Christiane von Nessen vom Stadtmuseum, sonst eher bekannt für die Präsentation historischer Stücke, sitzt dem Notfallverbund Halle vor. Als Verbundsvorsitzende ist sie zugleich Fachberaterin im Stab für außergewöhnliche Einsätze (SAE), warum sie von Notfallverbünden anderer Städte und Gemeinden beneidet wird. Von Nessen schätzt die direkte Verbindung zur Einsatzzentrale in Halle-Neustadt nicht zuletzt deshalb, weil, wie sie sagt, im Schadensfall sonst dorthin oft kein Durchkommen ist. Halle hat eine Vorreiterrolle beim Kulturgutschutz, betont sie, denn schon lange vor bundesweiten Gründung von Notfallverbünden fanden in Halle Kulturschutzsitzungen statt.

Wie der Notfall aussehen kann, erlebten die Verantwortlichen in den städtischen Kultureinrichtungen während des Hochwassers im Juni 2013. Die meisten Kulturhäuser Halles waren außer Reichweite der Fluten, doch die Außenstelle der Stasiunterlagenbehörde am Gimritzer Damm war betroffen. Weil die zu DDR-Zeiten zum Schutz der Neustadt vor Grund- und Qualmwasser errichtete Brunnengalerie am alten Stasi-Objekt ohne Strom war, arbeiteten die Pumpen nicht und das Wasser konnte durchdrücken.

Die vorhandene Notfallausrüstung, so viel war spätestens nach dem Hochwasser klar, reicht nicht aus. Oft fehlt es an den einfachsten Dingen. Diese Lücke ist nun durch die neuen Notfallboxen geschlossen. “Das ist ein extrem wichtiges Thema”, ist Händelhaus-Direktor ClemensBirnbaum gegenüber Hallelife wie elektrisiert. Mitarbeiter wie Politiker und schließlich die Bevölkerung müssen immer wieder sensibilisiert werden für das Thema, findet er. Denn: “Zerstörte Kulturgüter sind unwiderbringlich verloren.”

In der Runde ist wiederholt von der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar die Rede, in der am Abend des 2. September 2004 ein Feuer ausbrach, das sich zum größten Bibliotheksbrand Nachkriegsdeutschlands ausweitete. Mehr als 900 Helfer bargen damals zehntausende Bücher aus dem Unglückshaus. Als am 3. März 2009 nach Tunnelbauarbeiten für die Nord-Süd-Bahn in Köln das dortige Stadtarchiv einstürzte, waren alle Kultureinrichtungen in Deutschland endgültig alarmiert, wie wichtig es ist, auf solche Ausnahmefälle gut vorbereitet zu sein.

Nachdem alle die Notfallboxen besichtigt und ein Gruppenfoto hinter sich gebracht haben, lädt Brandoberinspektor Daniel Schöppe auf den Feuerwehr-Hof zur Löschübung. Ein Feuerwehrmann erklärt die Aufgabe und räumt mit einem großen Irrtum auf: Leere Spraydosen sind nicht leer. In ihnen befindet sich noch Butan, das nur durch ein Loch aus der Flasche entweichen könnte. Verbleibt das Gas im Druckbehälter, wie das gewöhnlich der Fall ist, explodiert er im Feuer. Mit welchem Kanonenschlag das passiert, ist in der Notfallverbund-Runde nun gleich mehrfach zu erleben. Jede Dose explodiert anders und zu einer anderen Zeit. Wirkt das Feuer direkt auf die Dosen ein, vergehen bis zur Explosion nur Sekunden. Im Ernstfall würde jede Dose einem Geschoss gleich durch die Gegend fliegen. Damit das bei der Vorführung nicht passiert, kommen die Spraydosen in einen Stahlkorb. Die beste Figur am Feuerlöscher macht Britta Klosterberg, Leiterin der Kulissenbibliothek der Franckeschen Stiftungen. Sie ringt das Übungsfeuer so souverän und ansehnlich nieder, dass sie für die Kameras der anwesenden Journalisten unbedingt noch ein zweites Mal ran muss.