Ohne Auto durch Halle (Saale)

von 31. März 2009

(ens) Für die vier Gewinnerstädten Bamberg, Dortmund, Halle an der Saale und Karlsruhe fiel am Dienstagmittag in Berlin der Startschuss für das Projekt „Kopf an: Motor aus“. Sie hatten bei einem bundesweiten Wettbewerb teilgenommen und sich gegen 94 weitere Städte durchsetzen können. Jetzt sollen die Einwohner mit Werbeplakaten, Kino- und Radiospots sowie Anzeigen in Tageszeitungen animiert werden, den innern Schweinehund zu überwinden und das Auto öfter einmal stehen zulassen. In diesem Jahr läuft die Kampagne, die den Fuß- und Radverkehr unterstützen soll, zunächst nur in den Gewinnerstädten. Weitere fünf Städte sollen dann für 2010 ermittelt werden.

„Wir wollen den Menschen Lust aufs Fahrrad machen“, sagte Astrid Klug, Parlamentarische Staatsekretärin im Bundesumweltministerium, zum Kampagnenstart. Den Zeitpunkt hält die Politikerin für genau richtig. „Die Sonne scheint endlich, der Frühling kommt.“ Außerdem sei der Wechsel auf den Drahtesel gesund und spare daneben Geld. Und natürlich hat Radfahren auch Auswirkungen auf die CO2-Emissionen. Derzeit gehe ein Deutscher pro Tag 600 Meter zu Fuß und fahre 1 Kilometer Rad. „Wenn wir das verdoppeln, können wir langfristig fünf bis sechs Millionen Tonnen CO2 im Jahr einsparen. Mit der Kampagne wolle man zeigen, welches Potential hier noch schlummere.

Auch im Verkehrsministerium unterstütze man den Radverkehr, erklärte Ulrich Kasparick, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Pro Jahr stelle man für die Radwege rund 90 Mio. Euro bereit. Als besondere Projekte nannte er den Ausbau von Bundesstraßen mit zeitgleichem Bau eines Radweges. Und auch wenn es nicht sein Ressort ist, Kasparick sieht durch aus gesundheitliche Vorteile. Wer täglich eine halbe Stunde Rad fahre, entlaste das Gesundheitswesen um jährlich 1.200 Euro. Vor allem die Kommunen seien nun gefragt. Diese müssten in ihren Stadtentwicklungskonzepten dem Fahrrad Vorrang einräumen gegenüber autofahrerfreundlichen Planungen von vor Jahrzehnten.

Daneben kann die Kampagne auch auf prominente Unterstützung zurückgreifen. Judith Holofernes, Frontsängerin der Band "Wir sind Helden", Goldschwimmerin Britta Steffen und Starköchin Sarah Wiener steigen ebenfalls aufs Fahrrad um. Sie sei dabei zunächst auf viel Skepsis gestoßen, sagte Judith Holofernes zum Kampagnenauftakt. Da gebe es Unterstellungen, sie engagiere sich nur um sich selbst zur profilieren. Doch die Sängerin ist gern mit dem Fahrrad unterwegs, genießt die frische Luft und sieht das ganze auch als Ausgleich zur vielen Fliegerei, die für ihre Tourneen notwendig ist. In Berlin-Kreuzberg kann man die Helden-Sängerin immer mal wieder vorbeiradeln sehen, verriet sie gegenüber HalleForum.de.

„Ich bewege mich grundsätzlich gern“, argumentierte Schwimmerin Britta Steffen. Gerade als Leistungssportlerin müsse man sehr gesund leben. Deshalb bevorzuge sie auch Bio-Produkte. „Mein Benzin, das ich mir verabreiche, ist Bio.“ Und auch an das Körperbewusstsein der Menschen appellierte Steffen „Es muss ja nicht gleich jeder Leistungssport machen, aber die alltäglichen Wege mit eigener Kraft zurückzulegen, bringt schon eine Menge für Fitness und Gesundheit.“

Starköchin Sarah Wiener kommt gleich gar nicht in die Versuchung, aufs Auto umzusteigen: „Ich habe gar kein Auto“, so Wiener. Sie sei deshalb vorrangig zu Fuß unterwegs. Auch die 40 Minuten von ihrer Wohnung zum Kampagnenstart am Brandenburger Tor sei sie zu Fuß gegangen. „Da kann man das Wetter genießen, nebenbei telefonieren.“ Auch Regentage sind ihr egal. „Ich gehe bei jedem Wetter vor die Tür.“

Und auch markante Werbemotive und witzige, vielleicht auch freche Werbespots im Kino werden die Aktion zum Gesprächsstoff machen. Ein Spot rät dabei, auf den Hintern des Partners zu achten. Ist der schön knackig, dann handelt es sich um einen Radfahrer. „Unser Ziel ist, Aufmerksamkeit zu erregen“, so Oliver Oest von der begleitenden Agentur. Den Menschen müssten Angebote zur Mobilität jenseits des Autos gemacht werden. Auch die Motivation der Menschen sei wichtig. Und so sollen Radfahrer und Fußgänger „belohnt“ werden – zum Beispiel durch die Umarmung von einer attraktiven Frau in der Fußgängerzone. Viel mehr sei auch gar nicht nötig. „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, wir müssen es nur öfter nutzen“, so Oest.

Und warum fiel die Wahl auf Halle? „Hier wird schon eine Menge gemacht“, befand Staatssekretärin Astrid Klug, „und wir sehen viel Potential.“ Doch mit der Öffentlichkeitsarbeit hapert es noch. Das gestand auch Bürgermeister Thomas Pohlack ein. Die Stadt fühle sich geehrt, für die Kampagne auserwählt worden zu sein, und nehme dies als Herausforderung an. Als Beispiele, wo man in Halle bereits auf die Belange von Radfahrern eingeht, nannte Pohlack die Fahrradverträglichkeitsprüfung. Diese werde bei allen Straßenbauprojekten von Radverkehrsbeauftragten eingeholt, die Ergebnisse dem Stadtrat zur Entscheidungsfindung vorgelegt. Freilich ist es nicht immer einfach, die Belange gleichermaßen zu berücksichtigen. So gebe es mitunter durch den mittelalterlichen, engen Straßenraum große Probleme alle Verkehrsarten gleichermaßen unterzubringen. In der Beesener Straße, deren Umbau demnächst beginnt, werde es bergabwärts einen zusätzlichen Radweg geben. Bergaufwärts teilen sich Radler und Fußgänger wegen des engen Straßenquerschnitts einen Weg. Bislang müssen Radfahrer in beiden Richtungen auf die Straße ausweichen, fahren zwischen den Straßenbahngleisen entlang.
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