Opus Primum Preis geht an Publikation zu Stasi-Entführungen

von 29. Oktober 2015

Bis heute ist kaum bekannt, dass in den 1950er und 1960er Jahren etwa 400 Menschen aus West-Berlin und der Bundesrepublik durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in die DDR verschleppt wurden. Zu den Opfern gehörten beispielsweise Mitglieder antikommunistischer Vereinigungen in West-Berlin, Mitarbeiter westlicher Geheimdienste oder aus der DDR geflohene Angehörige des MfS. Diese Personen wurden oftmals gewaltsam, unter Anwendung von Betäubungsmitteln oder mit Täuschungsmanövern in die DDR entführt und dort tage-, wochen- oder gar jahrelang festgehalten.

Die Historikerin Susanne Muhle hat zahlreiche bisher noch nicht gesichtete Dokumente aus MfS-Akten und bundesdeutschen Unterlagen über diese gewaltsamen Entführungen ausgewertet. In ihrer nun mit dem Opus Primum Förderpreis ausgezeichneten Publikation “Auftrag: Menschenraub” stellt sie die Tathergänge, Mechanismen und Funktionen dieser Entführungen aus der Zeit der deutschen Teilung anschaulich dar. In Anlehnung an die Gewalt- und Täterforschung begibt sie sich auf die Spuren der Entführungsopfer und Entführer.

“Susanne Muhle arbeitet ein im politischen Gedenken verschüttetes, aber wichtiges Thema der Nachkriegsgeschichte der beiden deutschen Staaten auf. Durch intensive Arbeit an zahllosen Quellen gelingt es ihr, die persönlichen Schicksale von Entführten in sehr anschaulichen Fallstudien zu schildern, diese aber gleichzeitig immer auch im größeren politischen Zusammenhang zu verorten”, stellt Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung und Vorsitzender der Jury, anerkennend fest. Mit dem Förderpreis wird eine wissenschaftliche Publikation prämiert, die gut lesbar geschrieben und auch einem breiten Publikum verständlich sein muss. “Susanne Muhle hat ein Werk verfasst, das den Leser berührt”, so die Jurybegründung.

Seit Erscheinen des Buches im Februar 2015 nimmt die Autorin viele Möglichkeiten wahr, ihre Erkenntnisse bei öffentlichen Vorträgen zu vermitteln. Dabei stößt sie auf großes Interesse und gleichbleibendes Erstaunen über die bislang wenig beachteten Geschehnisse. “Ich freue mich sehr, dass dem Thema durch die Auszeichnung mit Opus Primum noch mehr Aufmerksamkeit zuteilwird”, erklärt die Preisträgerin. Sie erhofft sich, mit dem Preisgeld weiterhin Aufklärungsarbeit über die gemeinsame Geschichte der Bundesrepublik und der DDR leisten zu können.