Podiumsdiskussion „Kennzeichnungspflicht jetzt?!“ des Bündnisses Halle gegen Rechts

von 11. Februar 2013

Zur Veranstaltung hatte Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage geladen und über siebzig Interessierte waren gekommen. Müsste die Polizei nicht selbst als Dienstleisterin und im Sinne der Bürgernähe die Kennzeichnung fordern? Uwe Petermann (GdP) wies diesen Vorschlag zurück, denn es habe strategische Vorteile, wenn die Beamt_innen nicht gekennzeichnet seien. Henriette Quade stellte daraufhin klar, dass durch eine rotierende, anonymisierte Kennzeichnung keinesfalls die Befehlskette gestört würde. Rita Belter, Strafrechtsanwältin aus Leipzig, schilderte ihre Erfahrungen auf Seiten der Demonstrant_innen: „Bei Demonstrationen geben Polizisten selbst auf Nachfrage ihre Dienstausweisnummer nicht an. Sondern antworten `mein Name ist Hase´ oder ähnliches.“ Henriette Quade darauf weiter: „93% der Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte werden eingestellt und das in dreißig Prozent der Fälle, weil eine Kennzeichnung fehlt.“

Joachim Rahmann, Themengruppe „Polizei und Menschenrechte“ bei Amnesty International verwies auf die positiven Erfahrungen in anderen Europäischen Ländern, wo die Kennzeichnung Standard sei. „Untersuchungen gerade in Großbritannien haben gezeigt, dass seit der Einführung der Kennzeichnungspflicht die Akzeptanz dieser gerade innerhalb der Polizei gestiegen sei.“ Rahmann weiter: „Die Angst, unberechtigt beschuldigt zu werden, hat sich aufgelöst, weil zwar die Zahl der Verurteilungen, aber nicht die Zahl der unberechtigten Beschuldigungen gestiegen sei.“ Henriette Quade berichtete aus Berlin und Brandenburg, in der die Kennzeichnung für Polizist_innen in geschlossen Einheiten bereits eingeführt wurde, dass dort keine Zunahme von haltlosen Anschuldigungen stattgefunden habe.

„Jede Bürgerin muss sich ausweisen und im Zweifel auch bei falschen Anschuldigungen persönlich verteidigen. Wieso sollte das bei Polizisten anders sein?“, frage eine junge Dame aus dem Publikum. Joachim Rahmann (AI) unterstrich an dieser Stelle: „Bei den Fällen über die wir diskutieren, war die erste Maßnahme vielfach noch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Es dreht sich bei der Ermittlung gegen Polizeibeamte meist nicht um geplante Taten, sondern um ein gewaltsames Überschreiten der Verhältnismäßigkeit, die schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben kann, wie den Verlust des Sehvermögens. Gerade jetzt ist die Einführung der Kennzeichnungspflicht das Aufspringen auf einen fahrenden Zug, weil es in den meisten Bundesländern bereits in den Koalitionsverträgen steht.“ Uwe Petermann (GdP) darauf hin: „Wenn sie eingeführt wird, werden wir uns schon daran gewöhnen.“

Die Novelle des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, de facto das „Polizeigesetz“, ist in Sachsen-Anhalt gerade in der parlamentarischen Lesung und soll in der 8. Kalenderwoche (20.-22.02.13) im Landtag verabschiedet werden – bislang ohne die Einführung der Kennzeichnungspflicht – obwohl die rechnerische Mehrheit aus SPD, Linkspartei und Bündnisgrünen besteht und der Antrag zur Einführung gestellt wurde.

Vielleicht überrascht die SPD ihre Mitglieder, die sich im Mitgliederentscheid mit 60% für die Einführung der Kennzeichnungspflicht ausgesprochen haben, genauso, wie Herr Petermann die Podiumsbesucher_innen. Denn letztlich schloss er damit, dass er nicht inhaltlich gegen die Kennzeichnungspflicht sei, sondern deswegen dagegen, weil er als Vertreter von 4.000 Polizist_innen deren Ängste ernst nehmen will.