Politkrise sorgt für Konjunkturkrise

von 19. Oktober 2011

Eurokrise, Koalitionskrise: Diese politischen Turbulenzen sorgen nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) bei der Wirtschaft im Süden Sachsen-Anhalts für eine abgekühlte Stimmung im dritten Quartal. Der Konjunkturklimaindex fällt dem aktuellen Konjunkturbericht zufolge von 22 Prozentpunkten im Vorquartal auf 13.

In den Geschäftsklimaindex gehen die Einschätzungen der Unternehmen zu ihrer aktuellen Lage und zu ihren Geschäftserwartungen ein. Aktuell wird zwar die Geschäftslage, gestützt von saisonalen Effekten, noch immer als sehr gut eingeschätzt. Allerdings trüben sich die Geschäftserwartungen wegen des unsicheren Umfeldes spürbar ein: Der Saldo aus optimistischen und pessimistischen Erwartungen fällt gegenüber dem Vorquartal um gut 18 Prozentpunkte und liegt mit -13,4 Prozentpunkten deutlich im negativen Bereich; es rechnen also mehr Unternehmen mit einer Umkehr des Aufwärtstrends als mit seiner Fortsetzung.

„Dass viele Unternehmen gegenwärtig verunsichert sind, zeigt sich daran, dass die Erwartungen – trotz stabil guter Lage – scharf ins Minus drehen. Von der weiterhin ungelösten Staatsschuldenkrise im Euroraum gehen erhebliche Konjunkturrisiken aus, und die Unternehmen sind offenbar zunehmend skeptisch in Bezug auf die Problemlösungsfähigkeit der Politik“, so Christof Wockenfuß, Leiter des Geschäftsfeldes Standortpolitik der IHK. Allerdings falle der Rückgang bei den Investitions- und Beschäftigungsplänen weit weniger stark aus als bei den allgemeinen Geschäftserwartungen. „Es ist mehr ein allgemeines Gefühl der Verunsicherung, das sich bisher nicht eins zu eins auf die konkreten Planungen der Unternehmen überträgt“, analysiert Wockenfuß.

IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Thomas Brockmeier kritisierte das politische Krisenmanagement: „Die Politik ist weniger Teil der Lösung als vielmehr Teil des Problems! Vage adressierte Vorwürfe an die Finanzmärkte oder polemische Kritik an ‚den’ Banken führen in die Irre. Nicht Marktversagen ist Kern des Problems, sondern Staats-, Regel-, Kontroll- und Sanktionsversagen! Wer gar keine oder unwirksame Bremsen einbaut, darf sich über Unfälle nicht wundern.“

Die Ergebnisse des IHK-Konjunkturberichtes im Einzelnen:
Die Industrie kann im dritten Quartal die Spitzenwerte aus den beiden Vorquartalen nicht halten. Während sich die Einschätzungen zur Geschäftslage auf sehr hohem Niveau nur leicht verschlechtern, drehen die Geschäftserwartungen scharf ins Minus. Die Branche rechnet mit rückläufigen Absätzen im In- und Ausland. Zudem sind mit rückläufigen Auftragseingängen aus dem Ausland die Folgen der konjunkturellen Abkühlung der Weltwirtschaft bereits unmittelbar zu spüren. Dennoch bleibt der Auslastungsgrad mit 86,2 Prozent sehr hoch.

Im Baugewerbe verbessert sich die Geschäftslage saisonal bedingt, während sich die Erwartungen der Unternehmen im Vergleich zum Vorquartal negativ entwickeln. Die Auftragsreichweite fällt von 15,5 auf 14,1 Wochen. Auftragsspitzen, die im Sommer als Folge der Konjunkturpakete und witterungsbedingt aufgetreten waren, scheinen langsam abgearbeitet zu sein. Die Investitions- und Beschäftigungspläne der Bauunternehmen verschlechtern sich deutlich.

Das Dienstleistungsgewerbe ist die einzige Branche, in der sich das Geschäftsklima verbessert. Dabei ist es eine weiter verbesserte Lage, die für gute Stimmung sorgt, während die Erwartungen sich eintrüben. Jedoch scheint der Pessimismus weit weniger stark ausgeprägt zu sein als in anderen Branchen, denn die Beschäftigungspläne der Dienstleistungsunternehmen verbessern sich gegen den Trend deutlich.

Die Stimmung im Handel ist uneinheitlich. Sowohl die Einschätzungen zur Geschäftslage als auch die Geschäftserwartungen fallen ungünstiger aus als im Vorquartal und im Vorjahr. Auch die Beschäftigungspläne entwickeln sich deutlich negativ. Allerdings ziehen die Umsatzerwartungen aufgrund des bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts an; auch die Investitionspläne der Unternehmen bleiben überdurchschnittlich ambitioniert.

Im Verkehrsgewerbe fällt die Stimmungseintrübung deutlich geringer aus als in der Gesamtwirtschaft, wofür jedoch auch saisonale Effekte mitverantwortlich sind. Angesichts starker Auftragseingänge rechnen die Unternehmen mit weiter steigenden Umsätzen. Die Investitionspläne verbessern sich gegen den Trend, und die Beschäftigungspläne sind deutlich besser als in anderen Branchen.