Roter Ochse: Streit um Veranstaltung geht weiter

von 20. Februar 2010

Am 19. und 20. März ist in der Gedenkstätte Roter Ochse in Halle (Saale) eine Veranstaltung zur Lehrerfortbildung geplant. “Diktaturvergleich als Methode der Extremismusforschung. Hingucken: Sowohl nach rechts als auch nach links!” ist das Thema. Seit Tagen gibt es nun darum Streit. Ausgelöst hat die Partei “Die Linke” die Debatte. Denn behandelt werden sollen in verschiedenen Vorträgen beide Diktaturen – die des Nationalsozialismus und die der DDR. Den Nationalsozialismus mit der DDR gleichzusetzen sei eine Verharmlosung der Verbrechen der NS-Diktatur, erklärte Linken-Fraktionschef Wulf Gallert.

Rückendeckung bekam er dabei von der Landesregierung. Er distanziere sich von der Veranstaltung, erklärte Innenstaatsekretär Rüdiger Erben und kündigte zugleich an, dass sich Mitarbeiter der Gedenkstättenstiftung und des Landes nicht daran beteiligen werden. Eine faktische Absage der Veranstaltung, sollten doch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und der Gedenkstättenstiftung Vorträge halten. In der kommenden Woche planen die Initiatoren der Veranstaltung Gespräche mit Politikern des Landes. Sie wollen den für sie “unglaublichen Vorgang” eines Veranstaltungsboykotts durch die SED-Nachfolgepartei “Die Linke” nicht hinnehmen und das Thema in den Landtag bringen. Auch Gespräche mit der Landeszentrale für politische Bildung seien vorgesehen.

Die LpB alt Mitveranstalter hält unterdessen an der Tagung fest. Politische und historische Bildung müsse einen Diktaturenvergleich vornehmen können, erklärte LpB-Chef Bernd Lüdkemeier. Erstaunt zeigte er sich über die Kritik der Linken. In der Volksstimme sagte er, das Programm würde sich noch in der Abstimmung befinden. Deshalb habe er auch noch gar nicht eingeladen. Als “widersprüchlich wie nicht nachvollziehbar” bezeichnete die Linke-Landtagsabgeordnete Gudrun Tiedge – einst inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi und DDR-Staatsanwältin – Lüdkemeiers Äußerungen. “Es ist zumindest außerordentlich ungewöhnlich, die Einladung zu einer Veranstaltung, deren Inhalt sich noch in der Abstimmung befinden soll, öffentlich zugänglich und inklusive Veranstaltungsnummer (WTP 2010-300-27 LISA) ins Internet zu stellen, wie es einer der Mitveranstalter, die Friedrich Naumann Stiftung, getan hat”, so Tiedge. “Wer dies liest, dürfte sich wohl eingeladen fühlen. Auch von der Landeszentrale für politische Bildung. Das wirft schon eine Frage auf: Irrt Herr Lüdkemeier, oder sagt er nicht die Wahrheit?”

Kritik am der Veranstaltung im Roten Ochsen kommt indes auch von den Grünen. Die politische Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sagte, damit werde geschichtsrevisionistischen Tendenzen Vorschub geleistet. Kritisch setzt sie sich vor allem mit dem Referenten Eckhard Jesse auseinander. “Jesse selbst geht von einer prinzipiellen Wesensgleichheit von Rechts- und Linksextremismus aus, was er in ähnlicher Weise auch auf die diktatorischen Regime der DDR- und NS-Zeit überträgt”, so Lemke. “Es ist mir gerade mit Blick auf die neuere parlamentarische Geschichte von Sachsen-Anhalt völlig unverständlich, wie man einer Tendenz Vorschub leisten kann, die den Blick auf das demokratiefeindliche, ja demokratiebedrohende Phänomen des Rechtsextremismus verstellt. Dass das Ganze dann auch noch als LehrerInnenfortbildung firmiert, ohne ein Mindestmaß an Differenzierung zu garantieren, ist inakzeptabel.” Deshalb forderte Lemke den Roten Ochsen auf, die Veranstaltung so nicht stattfinden zu lassen, um “die Reputation ihrer Einrichtung und das damit verbundene Anliegen nicht zu gefährden.”

Und auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wendet sich gegen die Veranstaltung. „Wer versucht, auf diese Weise mit Geschichte umzugehen, darf sich über Defizite im Geschichtsverständnis bei den Schülerinnen und Schülern nicht beklagen“, sagte der GEW-Landesvorsitzende Thomas Lippmann. Besonders bedenklich sei, dass durch die Aufnahme des Begriffes „Hingucken“ im Titel der Veranstaltung, der Sinn dieser vom sachsen-anhaltischen Bündnisses gegen „Rechts“ getragene Aktion “nun gegen „Links“ gewendet und damit missbraucht wird.” Der Versuch, Lehrerfortbildungen mit derart politisch intendierten Inhalten zu füllen, sei ein Indiz dafür, dass längst überwunden geglaubte Methoden des „ideologischen kalten Krieges“ in einigen politischen Kreisen immer noch herumgeistern, so der GEW-Landeschef weiter. Er fordert deshalb “die Absage und grundlegende Neukonzipierung dieser Veranstaltung.”