Sachsen-Anhalt führt Wassercent ein

von 20. Dezember 2011

Wer in Sachsen-Anhalt viel Wasser verbraucht, muss ab kommendem Jahr auch deutlich mehr bezahlt. Die Landesregierung hat eine Verordnung zum Wasserentnahmeentgelt beschlossen, den so genannten Wassercent. Damit ist Sachsen-Anhalt das zwölfte Bundesland, in dem die Entnahme von Grund- oder Oberflächenwasser entgeltpflichtig ist, Rheinland-Pfalz bereitet dies vor. Sachsen-Anhalt erwartet Netto-Einnahmen von rund zehn Millionen Euro im Jahr. Diese sollen laut Landesregierung vollständig für wasserwirtschaftliche Zwecke eingesetzt werden, insbesondere auch für den Hochwasserschutz.

Die größte Einnahme in Höhe von 6,3 Millionen Euro erwartet das Land über die öffentliche Wasserversorgung. 1,2 Millionen Euro sollen über die Entnahme von Kühlwasser in die Landeskasse fließen. Erhoben wird die Gebühr für das Entnehmen oder Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern und das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten oder Ableiten von Grundwasser. Brunnen in Kleingärten sind nicht von der Verordnung berührt, da diese eine Bagatellgrenze von 3.000 Kubikmetern pro Kalenderjahr oder bei einem zu entrichtenden Entgeltbetrag von 100 Euro vorsieht. Befreit sind auch dauerhafte Grundwasserabsenkungen im Interesse des Gemeinwohls, also bei Vernässungsproblemen.

Landwirtschafts- und Umweltminister Dr. Hermann Onko Aeikens (CDU) sagte nach der Kabinettssitzung, mit der nun vorliegenden, nach einer Anhörung überarbeiteten Verordnung sei die Landesregierung auf die Kritik der Wirtschaft eingegangen: „Wir haben in wichtigen Punkten nachgesteuert und die am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige entlastet.” Dazu zählen die Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau, Ernährungsgewerbe, Herstellung chemischer Erzeugnisse, Energieversorgung. “Unsere Absicht war und ist, das Entgelt fair auf breite Schultern zu verteilen.” Man sei sich klar, dass die Erhebung eines Entgeltes auf wenig Begeisterung stößt. “Doch dürfen die Kritiker nicht vergessen, dass dieses Entgelt erstens in den meisten Bundesländern Normalität ist, wir zweitens auch den Geberländern im Länderfinanzausgleich zeigen müssen, dass wir die Haushaltskonsolidierung ernst nehmen und dass drittens die Einnahmen aus dem Entgelt in einen Bereich fließen, der uns in Sachsen-Anhalt sehr wichtig ist: nämlich die Wasserwirtschaft mit Hochwasserschutz und Gewässersanierung.“

Sollte es trotzdem in Einzelfällen zu erheblichen Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen kommen, greife eine Härtefallregelung, die weit über die Regelungen anderer Bundesländer hinausgehe. Die nun vorliegende Verordnung räume die Möglichkeit ein, das Entgelt auf Antrag nach dem tatsächlichen Verbrauch zu entrichten. Auch wurden die Entgeltsätze für das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern für Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft von 0,07 auf 0,04 bzw. für den Einsatz von Grundwasser als Kühlwasser von 0,04 auf 0,02 Euro reduziert. Der Entgeltsatz für die öffentliche Wasserversorgung wurde um einen Cent je Kubikmeter erhöht. Der Wegfall der Stufenregelung gleicht das im Wesentlichen aus, so dass sich das für die Bürger kaum bemerkbar macht. Für Nutzer der öffentlichen Wasserversorgung bleibt es bei einer Kostensteigerung von sechs bis sieben Cent pro Kubikmeter Wasser. Pro Kopf liegt die Belastung bei 2 bis 3 Euro im Jahr oder etwa 20 Cent im Monat.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Christoph Erdmenger, begrüßte die Einführung. “Wir leben nicht in einer Bananenrepublik. Wenn Unternehmen jahrelang kostenlos unser Wasser genutzt haben, muss das nicht auch in Zukunft weiterhin so sein.” Um Kindergärten und Bildung zu finanzieren, brauche die Landesregierung Geld. Dafür Schulden zu machen, wäre die denkbar schlechtes Lösung. Der Wassercent als neue Einnahmequelle sei hingegen “ein erster Schritt zu einem modernen, zukunftsfähigen Haushalt.“

Das größte Manko des Wasserentnahmentgeltes ist nach Meinung des langjährigen Mitglieds des Umweltausschusses, Dr. Uwe-Volkmar Köck (DIE LINKE), dass es 20 Jahre zu spät kommt. “Als damit noch eine Lenkungswirkung zu Gunsten eines sparsameren Trinkwasserverbrauchs erreichbar gewesen wäre, hat man sich seiner Einführung verweigert”, sagte er. “Während Sachsen-Anhalt noch unter Grundwasserhöchstständen leidet, hat die Landesregierung den Wassercent entdeckt. Vollends zur Abzocke verkommt das Wasserentnahmeentgelt, weil nicht der tatsächliche Verbrauch, sondern die verbrieften Wasserrechte die Bemessungsgrundlage sein sollen.” 15 Planstellen würden neu geschaffen. “Die Bürokratie reibt sich die Hände, während die Decke der Mitarbeiter für die Bewältigung der wasserwirtschaftlichen Fachaufgaben immer kürzer wird.” Die Einführung werde vor allem eine Flut von Anträgen zur Kürzung von Wasserrechten auslösen, lautet die Prognose von Dr. Köck. “Anwälte und Juristen werden vermutlich viel zu tun bekommen. Im Namen der Umwelt, aber nicht in ihrem Sinne, streckt die Landesregierung die Hand nach den Portemonnaies der kleinen Leute aus. Was sie den Großverbrauchern erlässt, bürdet die Landesregierung zusätzlich den Bürgerinnen und Bürgern sowie Handwerkern und Freiberuflern auf.” Ein Wasserentnahmeentgelt dieser Couleur lehne man als Linke ab.

„Der Wassercent schwächt die heimische Wirtschaft in Sachsen-Anhalt“, kritisierte FDP Landeschef Veit Wolpert die Einführung des Wassercents im kommenden Jahr. Durch die Einführung des neuen Gesetzes seien in der Chemieindustrie und der Landwirtschaft ca. 2.500 Arbeitsplätze in Gefahr. Diese Entwicklung nehme die Landesregierung billigend in Kauf. “Die FDP setzte sich in Sachsen-Anhalt über Jahre erfolgreich gegen die Einführung des Wassercents ein! Daher bedauern wir diese Fehlentwicklung im Besonderen“, so Wolpert weiter. „Zudem halten wir die Einführung des Wassercents auch für verfassungsrechtlich bedenklich, da dieser nicht aus umweltpolitischen Gründen, sondern aus fiskalischen Gründen eingeführt wird“, gab Wolpert zu bedenken.

Der Wassercent führe zu einer doppelten Benachteiligung der von der Abgabe betroffenen Landwirtschaftsbetriebe, heißt es vom Landesbauernverband. Der Wassercent sei eine willkürliche und unverhältnismäßige Abgabe, die nicht gesetzlich verankert werden dürfe. Es dürfe keinesfalls Ziel einer Landesregierung sein, künstlich Ungerechtigkeit für die hierzulande wirtschaftenden Betriebe und ihre Mitarbeiter zu erzeugen. Dass andere Bundesländer diese Abgabe bereits eingeführt haben und deshalb Sachsen-Anhalt nachziehen müsse, lässt der Bauernverband nicht gelten. Die Erhebung eines Entgeltes sei nur begründbar, wenn Wasserdienstleistungen in diesem Zusammenhang erbracht werden. Selbst als Beitrag oder Gebühr lasse sich der Wassercent nicht begründen, weil mit der Entnahme von Grund- oder Oberflächenwasser keine öffentliche Einrichtung oder Infrastruktur des Landes genutzt werde.