Sachsen-Anhalts Apotheker warnen vor Einschränkungen

von 12. Dezember 2011

(dpa) Noch gibt es in allen Apotheken in Deutschland Beratung – und überall auch spezielle, extra im Labor anzufertigende Medikamente. Grundlage ist die Apothekenbetriebsordnung, die eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln garantiert. Aber dieser Qualitätsstandard ist aus Sicht der Apotheker und ihrer Verbände jetzt durch einen überarbeiteten Entwurf, der zur Abstimmung im Bundesrat kommen soll, in Gefahr. «Wenn die neue Apothekenbetriebsordnung so durchgeht, könnte die Versorgung gefährdet sein», sagt der Vorsitzende des Landesapothekerverbandes Sachsen-Anhalt, Mathias Arnold. Das Bundesgesundheitsministerium sieht das nicht.

Die Hauptkritik zielt auf geplante Veränderungen bei den Apothekenfilialen. Bislang kann der Inhaber einer Apotheke zusätzlich bis zu drei Filialen in seiner näheren Umgebung aufmachen, aber jede dieser Filialen muss dem Standard einer Vollapotheke entsprechen. Das bedeutet, dass auch jede Filiale eine komplette Laborausstattung hat und damit individuelle Medikamente anfertigen kann. Wird die neue Betriebsordnung Gesetz, soll es ab April 2012 möglich sein, kleine Filialen ohne Labor zu betreiben – und das sogar im weiteren Umland.

«Das werden Schmalspurapotheken sein, weil Filialen kein eigenes Labor mehr benötigen. Sie können keine Rezepturen anfertigen und auch keine Arzneistoffe prüfen. Apothekenfilialen müssen dann auch nicht mehr in die Notdienstpläne eingebunden werden», sagt die Geschäftsführerin der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt (Magdeburg), Christine Heinrich. Zudem entfalle mit der neuen Betriebsordnung für die Filialen auch die vorgeschriebene Mindestgröße von 110 Quadratmetern für Apotheken.

Apotheker Mathias Graf in Kalbe (Altmarkkreis Salzwedel) befürchtet ebenso wie sein Kollege Apotheker Tobias Luckner aus Halle mit den geplanten Veränderungen den Einstieg in die «Apotheke light» und damit ein Zweiklassen-Apotheken-System. Denn bislang hätten sich in dünn besiedelten Gebieten Rezeptsammelstellen sowie Zweigapotheken als Alternative bewährt.

«Die Zahl der Ausbildungsplätze wird sinken, wenn nicht mehr alle Apotheken über ein Labor verfügen», sagt die Sprecherin der Apothekengewerkschaft ADEXA (Hamburg), Sigrid Joachimsthaler. «Außerdem werden Mitarbeiter aus Light-Apotheken zunehmend schwerer in Vollapotheken wechseln können, weil sie die nötigen Qualifikationen verlieren und damit droht auch eine schlechtere Bezahlung.»

Aus Sicht des Bundesministeriums für Gesundheit sind die Vorwürfe haltlos. «An der Versorgung des Patienten ändert sich nichts. Im Gegenteil. Mit den Erleichterungen soll gerade einem möglichen Versorgungsmangel in ländlichen Gebieten, in denen sich möglicherweise voll eingerichtete Apotheken finanziell nicht mehr tragen, vorsorglich entgegen gewirkt werden», sagt ein Sprecher. Von einer Zwei-Klassen-Apotheke könne nicht die Rede sein, nur weil zukünftig Apotheken im Filialverbund eventuell einen gemeinsamen Rezeptur- und Laborbereich nutzen und die Nacht- und Notdienste im Filialverbund leisten. Im Übrigen sei der Vorschlag zu Veränderungen der Regelungen für Filialapotheken aus den Reihen der Apotheker gekommen.

Auch Sachsen-Anhalt fordert beim Entwurf grundlegende Nachbesserungen, ansonsten könne das Land nicht zustimmen. «Der Bund hat das Ziel verfehlt, mit einer neuen Apothekenbetriebsordnung mehr Service und Qualität zu erzielen. In der Schule gäbe es für das Papier eine glatte Note sechs», sagt der Sprecher des Landesministeriums für Arbeit und Soziales, Holger Paech. «Es darf nicht sein, dass Filialapotheken keine grundlegenden pharmazeutischen Tätigkeiten wie die Prüfung von Rezepturen oder Ausgangsprodukten vornehmen können.» Ebenso bedeute die Einschränkung der Dienstbereitschaft von Apotheken längere Wege für die Patienten.

Eine Entscheidung des Bundeskabinetts wird am 20. Dezember erwartet. Deutschlandweit gibt es nach Angaben der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt 21 500 Apotheken, davon 617 in Sachsen-Anhalt.

Der gesetzliche Auftrag der Apotheke ist es, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Das ist im Apothekengesetz und der Apothekenbetriebsordnung geregelt. Die Einhaltung wird von den Bundesländern überwacht. Danach ist es nur in Apotheken erlaubt, Medikamente durch pharmazeutisches Personal zu verkaufen. Zudem werden Patienten dort über mögliche Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten aufgeklärt.

Eine Versandhandelsgenehmigung ermöglicht es Apotheken, die Medikamente auch über das Internet zu vertreiben. Generell kann eine Apotheke nur von einem staatlich geprüften Apotheker geführt werden. Derzeit gibt es in Deutschland rund 21 500 Apotheken in denen etwa 144 000 Menschen arbeiten.