Sachsen-Anhalts Politiker zu Hartz IV

von 9. Februar 2011

Die Verhandlungen zur Reform der Hartz-IV-Gesetzgebung sind gescheitert. Auch zahlreiche Politiker und Institutionen aus Sachsen-Anhalt haben sich dazu geäußert.

Die eigentliche Entscheidung am kommenden Freitag im Bundesrat steht ja noch bevor. Schwarz-Gelb hat hier keine Mehrheit. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer sagte zu den anstehenden Beratungen: „Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD sieht vor, dass Entscheidungen über das Abstimmungsverhalten Sachsen-Anhalts im Bundesrat im Kabinett beraten und entschieden werden. So wird es auch in diesem Fall sein. Diese Entscheidung steht noch aus.“ Die Koalitionsvereinbarung sieht vor, dass sich das Land im Bundesrat der Stimme enthält, wenn eine Einigung zwischen den Koalitionspartnern nicht zustande kommt.

Der Vorsitzende der Landtags-Fraktion “Die Linke” Wulf Gallert erklärte: „Auch wenn das Scheitern der Verhandlungen kaum noch verwundern konnte – was CDU, FDP, SPD und Bündnis 90/Grüne hier abgeliefert haben, ist nicht weniger als skandalös. Auf dem Altar machtpolitischer Erwägungen gelang es nicht, wenigstens minimale Verbesserungen für die Hartz-IV-Betroffenen zu erreichen. Allen vier Beteiligten – und sie alle haben gemeinsam auch die Hartz-IV-Gesetzgebung selbst zu verantworten – ging es letztlich nur noch um Gesichtswahrung. Klar ist nun auch, dass die für Hartz IV verantwortlichen nicht in der Lage sind, wenigstens eine verfassungskonforme Lösung vorzulegen. Dies aber war der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts. Die Linke bleibt dabei, dass Hartz IV endgültig gescheitert ist und überwunden werden muss. Hinsichtlich der Regelsätze sieht die Linke nach wie vor die Berechnungen der Diakonie Mitteldeutschland mit einer Regelsatzhöhe von 433 Euro als einen allerersten kleinen Schritt in die richtige Richtung, unabhängig von eigenen Berechnungen, die zu einem Regelsatz von 500 Euro pro Monat kommen. Von ihrer Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn hat sich die SPD offenbar vollends verabschiedet, selbst die von ihr geforderte Regelung für Zeitarbeit wird sie nun nicht bekommen. Die Linke wird sich weiter konsequent dafür einsetzen, das System Hartz IV endgültig zu überwinden, und die politischen Konkurrentinnen werden sich dazu verhalten müssen, auch öffentlich.“

Auch die Diakonie Mitteldeutschland kritisierte das parteipolitische Taktieren auf dem Rücken von Menschen in prekären Lebenslagen. "Da wurden Nebenabreden getroffen, die mit dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes zur transparenten Berechnung der Regelsätze nichts zu tun haben. Und dann wurden selbst diese faulen Kompromisse noch in der Sackgasse verhandelt", sagte Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland. Für die große Zahl der Betroffenen in Sachsen-Anhalt und Thüringen sei das Scheitern der Vermittlungsgespräche ein fatales Signal. „Hier grenzt sich eine Gesellschaft nach unten ab. Politik steht in der Verantwortung, den Dialog darüber zu fördern, was ein Mensch in Deutschland braucht, um in Würde und Teilhabe zu leben“, sagte Grüneberg. Stattdessen würden sich die politisch Handelnden verweigern, Menschen in Armut oder in drohender Armut echte Perspektiven zu eröffnen. Die Diakonie Mitteldeutschland hatte gemeinsam mit anderen Diakonie-Landesverbänden eine wissenschaftliche Studie zur Neuberechnung der Regelsätze in Auftrag gegeben und im November 2010 öffentlich präsentiert. Danach müsste der Regelsatz für einen alleinlebenden Erwachsenen im Hartz-IV-Bezug um 74 Euro steigen. Diakoniechef Grüneberg: „Diese Berechnung ist transparent und orientiert sich streng an den Vorgaben, die auch die Bundesregierung anwenden muss. Gemessen am Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes ist die Diskussion in den letzten Monaten aber völlig aus dem Ruder gelaufen.“ Die aktuellen und geplanten Einsparungen bei den Ein-Euro-Jobs verstärken den Eindruck, dass die Bundesregierung den bestehenden Fördermaßnahmen selbst misstraut. „Die Politik hatte die Kraft, einen Konsens herzustellen zur Rettung von Banken und Anlagevermögen. Der private Reichtum ist in kurzer Zeit wieder sprunghaft gewachsen. Jetzt brauchen wir einen gesellschaftlichen Konsens und Programme gegen soziale Ausgrenzung im Interesse von Menschen“, so Eberhard Grüneberg weiter.

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Veit Wolpert, hat die Landesregierung aufgefordert, im Bundesrat der Hartz-IV-Reform zuzustimmen. „Die SPD-Blockadehaltung muss durchbrochen werden. Wir dürfen die wichtigen Reformelemente, wie das Bildungspaket oder die Entlastung der Kommunen, nicht auf die lange Bank schieben, weil die SPD Wahlkampf auf dem Rücken der Betroffenen macht. Es ist schon grob fahrlässig, völlig unterschiedliche Politikfelder miteinander vermengen zu wollen. Im Focus sollten die Interessen der Hartz-IV-Empfänger und vor allem deren Kinder stehen. Die derzeitige Haltung erinnert doch stark an die Blockadepolitik unter SPD-Chef Lafontaine“, sagte Wolpert. Der Fraktionschef forderte Landesfinanzminister Bullerjahn auf, sich auf die Interessen des Landes zu konzentrieren. „Gerade die Entlastung der Kommunen bei der Grundsicherung im Alter ist für die Kommunen im Land ein wichtiger Rettungsanker, angesichts enormer finanzieller Schwierigkeiten. Der Finanzminister muss den Kommunen erklären, warum es mit der SPD keine weitere Entlastung geben wird“, so Wolpert. Dass es der Opposition nicht um eine Einigung gegangen sei, könne an der starren Haltung zu Lohnuntergrenzen erkannt werden. „Alle Zugeständnisse, wie Lohnuntergrenzen für den Wachschutz- und Weiterbildungsbereich, wurden einfach vom Tisch gefegt. Konstruktive Oppositionsarbeit sieht anders aus“, sagte der Liberale.

Katrin Budde, Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und SPD-Landesvorsitzende, erklärte „die Koalition von CDU und FDP hat sich ohne wirkliche Verhandlungsbereitschaft an den Tisch gesetzt. Das Ergebnis war damit vorprogrammiert, die Bundesregierung wollte die Verhandlungen scheitern lassen und hat genau das geschafft.“ Wie wenig dieser Koalition an einer Lösung im Sinne der Menschen liege, zeige die Ankündigung von Unionsfraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU), kleinere Angebote an die Opposition zu streichen. „Hier geht es nicht um Angebote an die Opposition, sondern um tragfähige und gute Regelungen für die Menschen“, so Budde. „Das zeigt, dass die CDU und FDP die Verhandlungen als vertrauensbildende Maßnahme für die eigene Chaoskoalition benutzen, anstatt die Betroffenen im Blick zu haben.“ Empört zeigte sich die SPD-Chefin zudem über die Äußerungen von Wirtschaftsminister Haseloff, der die Verhandlungen als überfrachtet bezeichnet und eine Beschränkung der Themen gefordert hatte. „Herr Haseloff läuft seit Monaten durchs Land und fordert gute Löhne, aber wenn es konkret wird, kneift er“, kritisierte Budde. Die SPD hatte in den Verhandlungen gefordert, dass Leiharbeiter und Stammbelegschaften gleiche Löhne erhalten sollten. CDU und FDP hatten das abgelehnt. „Offensichtlich will Herr Haseloff darüber nun nicht einmal mehr verhandeln“, so Budde weiter. „Das hilft den Beschäftigten in Sachsen-Anhalt kein Stück weiter."

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Silvia Schmidt teilte heute anlässlich der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestag mit: “Die Verhandlungen der vergangenen Nacht sind an der Zerrissenheit der schwarz-gelben Koalition gescheitert. FDP und CDU-Wirtschaftsflügel waren aus ideologischen Gründen nicht bereit, eine angemessene Regelsatz-Erhöhung mitzutragen. Frau Merkel hat sich für den Koalitionsfrieden und gegen staatspolitische Verantwortung entschieden." Weiter sagte sie: „Das Scheitern der Regelsatz-Verhandlungen ist ein Skandal. Schon zu Verhandlungsbeginn zeigte sich, dass es der Regierung nicht um ernsthafte Verhandlungen ging, sondern nur um ein ‚Friss oder Stirb‘. Die Opposition hatte bis zuletzt erhebliche Zweifel, ob die neue Regelsatzberechnung verfassungskonform ist. Einem erneut verfassungswidrigen Regelsatz konnte die SPD auf keinen Fall zustimmen. Doch Schwarz-Gelb war nicht bereit, überhaupt noch über verfassungskonforme Regelsätze zu diskutieren.“

Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Jürgen Scharf, hat sich bedauernd zum Scheitern der Verhandlungen über eine Arbeitslosengeld II-Reform im Bund geäußert: „Dass ein Kompromiss nicht zustande kommt, ist traurig, denn es geht zu Lasten der Kinder aus Arbeitslosengeld II-Familien. Die Grundlagen für einen tragfähigen Kompromiss liegen vor, die Kommunen erhalten mehr Geld. Eine zügige Einigung ist wichtig für die Betroffenen. Die SPD bringt stattdessen sachfremde Erwägungen in die Diskussion mit ein. Die Themen Leiharbeit und Mindestlohn haben mit dem vorliegenden Vorschlag nichts zu tun.“

"Schwarz-gelb blockiert die Existenzsicherung für Hartz-IV-EmpfängerInnen und ausreichende Löhne für die Menschen mit Armutslöhnen und damit für 40 Prozent der Menschen in Ostdeutschland. Eine Einigung in den Hartz-IV-Gesprächen ist an der Blockadehaltung von Union und FDP gescheitert. Erneut stellt Schwarz-Gelb Koalitionsfrieden und Lobbypolitik über das Wohl der Menschen in unserem Land. Am Scheitern dieser Verhandlungen ist nichts gut", so die Landesvorsitzende der Grünen, Claudia Dalbert. “Schwarz und Gelb waren nicht bereit, den Regelsatz verfassungskonform auszugestalten. Sie waren nicht bereit, endlich einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen oder wenigstens mehr Branchenmindestlöhne zu ermöglichen. Hier ist die Koalition erneut vor dem Druck der Wirtschaft eingeknickt. Sie haben eine Lösung blockiert, die das Lohndumping in der Leiharbeit beendet. Gleichen Lohn für gleiche Arbeit wird es für ZeitarbeiterInnen auch künftig nicht geben. Darüber hinaus hat die Bundestagfraktion von Bündnis 90/Grüne beim Bildungspaket in zähen Verhandlungen der Regierung wichtige Veränderungen abgerungen. Diese Änderungen hätten dafür gesorgt, dass die Gelder aus dem Paket für Bildung und Teilhabe dort ankommen, wo sie hingehören, nämlich bei den Kindern. Allerdings war die Regierung nicht bereit, nennenswert in die soziale Infrastruktur zu investieren. Die Zustimmung sollte durch die finanzielle Entlastung der Kommunen erkauft werden. "Wir aber lassen nicht die Kommunen gegen arme Menschen ausspielen. Es ist eine grundlegende politische Frage, wie wir mit den Menschen am unteren Ende unserer Gesellschaft umgehen. Schwarz-Gelb steht für soziale Spaltung, denn sie wollen keine echte Existenzsicherung, sie akzeptieren Armutslöhne und das Anwachsen prekärer Beschäftigung. Wir Grünen wollen eine solidarische Gesellschaft, in der jeder Erwachsene und jedes Kind gerechte Chancen bekommt, in der man vom Lohn seiner Arbeit leben kann und die jedem Menschen das tatsächliche Existenzminimum garantiert", so Claudia Dalbert weiter.