Schicksalstag für die Demokratie

von 9. März 2016

Budde ergreift zuerst das Wort und beginnt nach dem AfD-Triumph bei der Landtagswahl am 6. März 2016 in Hessen mit einem Appell: Nicht jammern, sondern Verantwortung übernehmen! Vor allem müssen die Flüchtlingsursachen behoben werden. Der Staat, so kann man den Bürgern versichern, ist handlungsfähig. In Ostdeutschland, so Budde, gibt es viele gebrochene Erwerbsbiografien und damit das Risiko von Renten auf Sozialhilfeniveau. “Das wollen wir nicht.” Dann schwenkt sie zum Stargast des Abends und spricht von der Außenpolitik. Die Lösung der Probleme ist nur mit mehr Europa möglich. “Steinmeier trägt Verantwortung da, wo es am heikelsten ist.” Außenpolitik – keiner könnte das besser als er. Es muss, so sagt Budde, darum gehen, Frieden zu schaffen, also die Fluchtursachen zu beheben, um die leidige Diskussion um Obergrenzen los zu werden. Soweit sind Landes- und Bundes-SPD einig, stellt die SPD-Spitzenkandidatin von Sachsen-Anhalt fest um auf einen Unterschied und eine Bitte an die Bundesregierung zu kommen: Die Sanktionen gegen Russland müssen zurückgefahren werden. “Wir brauchen Russland als Partner”, gibt sie einen Wunsch der hiesigen Wirtschaft weiter. Dann widmet sie sich dem politischen Gegner CDU zu (mit dem die SPD zehn Jahre lang – 2006 bis 2016 – einträchtig regiert hat). Haseloff tritt, so Budde, auf seinen Wahlpalakten als Macher auf. Doch er steht für Stillstand. Sachsen-Anhalt hat die rote Laterne. Bei den Flüchtlingen war es zuletzt die SPD, die Unterbringung und Integration durchgesetzt hat, während sich Haseloff auf den Posten des “Seehofer von Wittenberg” (Haseloff ist Wittenberger) zurückgezogen hat. Am Wahltag wird diesmal die Frage beantwortet, schließt Budde, ob der Landtag demokratisch bleibt oder völkisch wird. Letzteres gäbe ein schlechtes Bild in der Welt, ist sie überzeugt.

Jetzt ist Steinmeier dran, der große kräftige Mann mit Vaterfigur und -stimme. Er setzt Buddes Schlussbetrachtung fort: “Denen, die die Demokratie verachten, darf man den Staat nicht überlassen.” Die gute Laune, fährt er fort, müssen die Menschen selbst mitbringen, denn die Welt, in der er ständig herumreist, hat davon nichts zu bieten. Überall Krisengebiete! Sachsen-Anhalt ist noch (!) kein Krisengebiet. “Mit der SPD wird das auch so bleiben.” Doch die Krisen sind nicht so weit weg, mant Steinmeier. “Die Krisen der Welt sind längst bei uns Zuhause angekommen.” Nie seit dem Zweiten Weltkrieg waren so viele Menschen auf der Flucht wie heute. Wer hätte vor zwei Jahren, “als Russland die Krim annektierte”, gedacht, dass die Frage nach Krieg und Frieden noch einmal steht? Wer dachte, dass der Terror so kommt mit zuletzt auch elf toten Deutschen in Istanbul? “Sozialdemokraten sind auch keine Hellseher.” Aber die SPD hat seit 150 Jahre den Frieden in den Genen. Worum es dabei geht, hat Willy Brandt gesagt: “Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.” Die Welt schaut auf Deutschland, auf Humanität und Stabilität. Deutschland ist Hoffnung und Vorbild, das hört Steinmeier auf seinen Reisen durch die Welt.

“Den Brandsatz muss man in der Wahlkabine löschen”

Nach sechs Jahren Frieden und Integration in Europa erlebt der Westen nun den Aufstieg der Rechtspopulisten. Um die SPD macht sich Steinmeier weniger Sorgen. Sorgen macht er sich um den inneren Zusammenhalt in den USA und Deutschland und so weiter. Trump, AfD und die Rechtspopulisten in Europa “machen aus Angst Politik. Das ist der Brandsatz. Diesen Brandsatz muss man in der Wahlkabine löschen.” Es geht jetzt darum, Mut zu machen statt Angst und Verantwortung zu übernehmen, statt Sprüche zu klopfen.

“Die Flüchtlingszahlen müssen runter. Ja!” Aber Grenzen sind kein Weg für ein Land, das wie Deutschland von offenen Grenzen lebt wie kein anderes Land. Man muss zusammenstehen gegen die “Parolendrescher”, betont Steinmeier und bezeichnet die AfD als “geistigen Brandstifter”. Sachsen-Anhalt hat 40.000 Flüchtlinge aufgenommen. Die Freiwilligen, die sich um sie kümmern, “prägen unser Bild in der Welt”. Diesen Helfern dankt Steinmeier herzlich.

“Man muss auch mit schwierigen Partnern reden”

Seine vielfach kritisierte Reise nach Saudi Arabien verteidigt der Außenminister: Man kann sich die Welt nicht schön reden, muss auch mit schwierigen Partnern reden. “Würde ich nur mit denen reden, mit denen ich die politische Auffassung teile, dann hätte ich eine gute Nachbarschaft nur mit Luxemburg.” Der Erfolg beim Atomvertrag mit dem Iran zeigt, so Steinmeier, was mit schweren Partnern möglich ist. Deutschland hat heute mehr Verantwortung: Wir sitzen an Tischen, an denen wir vorher nie saßen. Wir dürfen mitreden, wo wir früher nicht gefragt wurden.

Gute Arbeit, sichere Löhne, Bildung und gleiche Chancen – dafür steht die SPD, so Steinmeier. Die SPD steht für starke Wirtschaft und sozialen Zusammenhalt. “Gehen sie in die Nachbarschaft und bringen sie die Menschen in die Wahllokale.” Steinmeier endet mit dem nachdrücklichen Appell, die Demokratie zu verteidigen und wählen zu gehen. Budde dankt mit einem Präsentkorb regionaler Produkte, nachdem sie Sachsen-Anhalt das “Land des guten Geschmacks” genannt hat. Dieser gute Geschmack wird sich am Wahltag zeigen, schließt sie suggestiv-prophetisch.

Einige Lokalgrößen sitzen an diesem Abend im Enchilada: der Parteienforscher Everhard Holtmann, der Stadtwerke Halle-Chef Matthias Lux, Bauunternehmerin Angela Papenburg und der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby. Draußen auf dem Universitätsring herrschen höchste Sicherheitsvorkehrungen. Als Steinmeier geht, ist alles ruhig, als er mit leichter Verspätung ankam wurde er von einem einzelnen Querulanten lautstark angepöbelt: “Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!”

Nachtrag zum Thema SPD als Partei des Friedens:

  • 1914 stimmt die Reichstagsfraktion den Kriegskrediten für den Ersten Weltkrieg zu. Karl Liebknecht bricht mit dieser Haltung als erster und wird draufhin von der SPD-Fraktion ausgeschlossen.
  • 1979 treibt der von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) angeschobene Nato-Doppelbeschluss zur Stationierung von Atomraketen in Deutschland die Kräfte des Friedens auf die Straße.
  • 1999 beschließt die SPD mit den Grünen als Juniorpartner der damaligen Bundesregierung den Einsatz der deutschen Luftwaffe beim völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Nato in Serbien.

der hallesche Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz über Angst

https://www.youtube.com/watch?v=hNJPrqXtwtw

Dr. Hans-Joachim Maaz auf der 3. Bürgerversammlung in Dresden

https://www.youtube.com/watch?v=hNJPrqXtwtw

Dr. Hans-Joachim Maaz – Psychiater, Psychoanalytiker und Autor aus Halle – spricht auf der dritten Bürgerversammlung in der Kreuzkirche in Dresden am 3. März…