Schockierender Keil, halbgarer Platz

von 7. November 2016

Anderseits tun sich zahlreiche Fragen auf und immer wieder muss ich mit dem Kopf schütteln. Wo wird sichtbar, dass es sich beim Steintor-Campus um ein Sozial- und Geisteswissenschaftliches Zentrum handelt? Ist Gandhi die Schlüsselfigur dieses Themas und ist er es in Deutschland? So viel Platz und so wenig Botschaften – das ist unbegreiflich. Wo sind die großen Sinnsprüche unserer Kultur, die an jeder Ecke dieses Platzes und auch darauf Raum gehabt hätten? Stattdessen sehe ich ein leeres „Blatt“ und das ausgerechnet da, wo das Wort sonst so viel Bedeutung hat! Ist es symptomatisch für diese Zeit, dass man eigentlich nichts zu sagen hat? Ist alles abgearbeitet, ausdiskutiert, verworfen, erledigt, abgehakt? Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, wann die Lücken auch auf dem Steintor-Campus durch das in Halle leider allgemein übliche Geschmiere an gut sichtbaren Häuserwänden der Stadt verschandelt wird.

Weitere Fragen zur Architektur schließen sich an: Warum wirkt die Bibliothek oben wie abgeschnitten und ist letztlich kein Würfel? Abgesehen davon hätte die äußere Optik der Bibliothek, die durch Lage und Form so prominent präsentiert wird, deutlich mehr Aufmerksamkeit und Liebe verdient. Ein echte Touristenattraktion hätte an der Stelle entstehen können, auch wenn zur Verteidigung des Halbgaren sicher wieder Geldmangel ins Feld geführt wird. Halle hat immerhin eine Kunsthochschule mit einer 100-jährigen Tradition und ein Orientalisches Institut. Da hätten die Bauherren ruhig etwas orientalisch werden und Mosaiken anbringen können zur Stadt-, Landes- und Universalgeschichte.

Und noch eine Frage: Warum wurde die intakte, denkmalgeschützte Ziegelbau-Häuserreihe an der Emil-Abderhalden-Straße durch einen einfallslosen Betonsperrriegel ersetzt? Dieser Frevel an Halles Baugeschichte und -kultur ist unbegreiflich. Doch es geht noch schlimmer. Der Blick geht dazu auf die andere Seite des Campus‘ Richtung Steintor. Es ist wahrlich schockierend, welcher hässliche Keil dort in die gründerzeitliche Häuserzeile getrieben worden ist als Verbinder zwischen Steintor-Vorplatz und Steintor-Campus. Ich war fassungslos, als ich diese unförmige, stillose Monstrum erstmals sah. Es ist schlicht ein Fremdkörper, der allein durch seine brachiale Gewalt auffällt, nicht aber durch die geschickte Anpassung an seine Umgebung oder eine Präsentation gelungener, moderner Architektur, die es verdiente, sich so prominent an einen Platz zu stellen, wo sie gesehen wird. Der Zuschnitt, das Material, ja selbst die Verbinderfunktion sind völlig verunglückt. Die langweilige, viel zu steile Betontreppe vom Campus zur Passage ist selbst für durchschnittlich mobile Menschen eine Zumutung. Beim Erklimmen der Tempel der Azteken oder der Pyramiden der Ägypter ließe man sich solche Klettertouren gefallen, mitten in Halle frage ich mich jedoch nach Sinn und Ziel solcher Barrieren. Für elegantere Lösungen wäre genügend Platz gewesen. Nun aber werden Rollstuhl- und Fahrradfahrer genötigt, den Fahrstuhl zu benutzen oder diese Stelle gleich ganz zu meiden.