Spitzenkandidaten im Dialog

von 11. November 2010

Am 21. März 2011 wählt Sachsen-Anhalt einen neuen Landtag. Derzeit liefern sich aktuellen Umfragen zufolge CDU und Linke ein Kopf-an-Kopf-Rennen, liegen gleichauf bei 30 Prozent. Abgeschlagen dahinter kommt die SPD mit 21 Prozent. Am Mittwochabend fand in der Händelhalle in Halle (Saale) der offizielle Auftakt des Wahlkampfs statt. Der Mitteldeutsche Rundfunk hatte zum ersten Wahlforum mit den Spitzenkandidaten der vier im Landtag vertretenen Parteien eingeladen. Im Podium stellten sich Reiner Haseloff (CDU), Jens Bullerjahn (SPD), Wulf Gallert (Linke) und Veit Wolpert (FDP) den Fragen des MDR-Info-Moderators sowie der Zuschauer in der Händelhalle.

In der ersten Frage versuchte der Moderator auszuloten, wie die Politiker untereinander klar kommen. „Wie wohl fühlen Sie sich neben Wulf Gallert“, fragte er SPD-Spitzenkandidat Bullerjahn. Das sollte schon direkt in Richtung „rot-rote Koalition“ gehen. Doch auf diese Antwort sollten die knapp 200 Besucher noch zwei Stunden warten müssen. Diplomatisch waren die ersten Antworten aller Beteiligten. Ganz gut fühle er sich neben Gallert, schließlich kenne er ihn schon seit 1994, meinte Bullerjahn. Aber auch mit Reiner Haseloff arbeite er gut zusammen. „Sie werden es kaum glauben: ich habe auch Freunde in anderen Parteien. Und es gibt auch SPD-Mitglieder, mit denen ich mich nicht so gut verstehe.“ Haseloff wiederum unterstrich, hinter der großen Koalition aus CDU und SPD liege eine „erfolgreiche Legislatur ohne ideologische Grabenkämpfe.“ Er lobte den sachlich-nüchternen Arbeitsstil. Wolpert und Gallert wieses auf den in Sachsen-Anhalt herrschenden guten Stil, das die Parteien untereinander gut miteinander reden könnten. Eine Kooperation mit den Sozialdemokraten sei durchaus denkbar, sagte Gallert, schließlich gebe es viele Gemeinsamkeiten im Wahlprogramm. Die Schnittmengen sah auch Bullerjahn. Gleichzeitig kritisierte er aber auch, dass zu vielen Forderungen der Linken die finanzielle Untersetzung fehle.

Den weitaus größten Teil der Debatte nahm die Bildungspolitik ein. Dringenden Handlungsbedarf sah Haseloff bei der Stärkung der Sekundarschullandschaft. Diskutiert werden müsse über die Inhalte der Bildungseinrichtungen, denn es sei unverantwortlich das 10 Prozent aller Schüler in Sachsen-Anhalt ohne Abschluss von der Schule gehen. Das könne sich Sachsen-Anhalt auch mit Blick auf die Demografie und den drohenden Fachkräftemangel nicht leisten. „Wir müssen jeden zur Ausbildungsfähigkeit bringen“, so Haseloff. Er forderte ein wettbewerbsfähiges Abitur. Bullerjahn sagte unter Applaus des Publikums, künftig dürfe es nicht mehr zugelassen werden, dass naturwissenschaftliche Fächer am Gymnasium abgewählt werden können. Außerdem brauche es mehr Schüler mit besseren Abschlüssen. Die fehlende Durchlässigkeit von der Sekundarschule beklagte Linken-Spitzenkandidat Gallert. Seine Partei favorisiert ohnehin eine Ganztagsgesamtschule. 10 Prozent eines jeden Jahrgangs würden derzeit an Förderschulen ausgesondert, kritisierte er. Auch entscheide die soziale Herkunft über die Schulabschlüsse. Gallert wies darauf hin, dass es laut OECD zwei Länder mit sinkender Akademikerquote gebe: USA und Deutschland. Keine Strukturveränderung will die FDP, stattdessen setzen die Liberalen auf Kontinuität. Viermal habe Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren das Schulsystem geändert, so Wolpert. Die Abbrecherquote habe aber nicht gesenkt werden konnten, während dies zum Beispiel Sachsen und Thüringen ohne Änderungen am Schulsystem gelungen sei. Möglicherweise sei sich in den letzten Jahren zu sehr auf die Struktur und zu wenig auf die Schüler konzentriert worden.

Auch die Abwanderung wurde thematisiert. „Wir müssen die Abwanderung stoppen und Zuwanderung organisieren“, sagte Veit Wolpert. „Wir brauchen fremde Menschen um die Folgen der Demografie abzumildern. Die Linken sprachen sich für einen Mindestlohn aus, um die Menschen im Land zu halten. 8.50 Euro sollten es sein, so Gallert. Sachsen-Anhalt habe im bundesweiten Vergleich die niedrigsten Einkommen. Wer arbeite müsse in Würde davon leben können. Bessere Einkommen sind auch für Jens Bullerjahn der Weg, die Leute im Land zu halten. Pfiffig müsse sich Sachsen-Anhalt auch anstellen, die vielen westdeutschen Studenten im Land zu halten, die an den Unis studieren. So könne man der Abwanderung ebenfalls ein Schnippchen schlagen. „Ich bin auch für Mindestlöhne“, erklärte CDU-Kandidat Haseloff. „Aber branchen- und regionsspezifisch und über die Tarifpartner.“ Also Arbeitergeber und Gewerkschaften sollten Mindestlöhne aushandeln, so Haseloff.

Und wer regiert künftig Sachsen-Anhalt? Eine Fortsetzung der CDU-SPD-Koalition scheint ebenso möglich wie ein Bündnis aus SPD und Linken. „Ich kann mir die Linken als Partner vorstellen“, sagte SPD-Mann Bullerjahn. „aber keinen Linken Ministerpräsidenten. Ich glaube nicht, dass ein solcher die schwierigen Fragen auf Aufgaben lösen kann, die unserem Land bevorstehen.“ Doch als Juniorpartner wollen sich die Linken nicht unterbuttern lassen. Gallert machte deutlich: „wer die meisten Stimmen hat, führt die Koalition.“ Dies sei nötig, wolle man die Wähler in ihrer Entscheidung noch ernst nehmen.

Doch warum sollte man die einzelnen Parteien wählen? „Wir sind eine konstante und glaubwürdige Kraft und machen vernünftige Politik“, sagte FDP-Mann Wolpert. CDU-Spitzenkandidat Haseloff: „wir haben nachgewiesen, dass das Land gut mit uns gefahren ist. Wer keine Experimente will, wählt CDU.“ Bullerjahn (SPD) sagte: „wir sind die Partei mit dem Kandidaten der Erfahrung hat und schon vorher offen über Dinge redet.“ Und Gallert (Linke) warb um Stimmen, weil durch die Partei das Land sozial gerechter werde, man weg wolle vom Niedriglohn, und das Bildungssystem verbessern wolle.