Stadt Halle droht Sozialkahlschlag

von 19. August 2010

Nun ist die Katze aus dem Sack. Der Stadt Halle (Saale) droht ein Kahlschlag im sozialen Bereich. Die Stadtverwaltung hat diversen Vereinen der Stadt mitgeteilt, dass sie die Mittel für so genannte “freiwillige Aufgaben” wie zum Beispiel Begegnungsstätten grundsätzlich komplett sperre. Selbst für Pflichtaufgaben setzt die Stadt den Rotstift an. Hier werden nur 70 Prozent der Mittel ausbezahlt. Bereits erteilte vorläufige Bescheide werden zurückgezogen. Darüber informiert die Stadt die Vereine in diesen Tagen, wie HalleForum.de erfuhr. Begründet werden diese “einschneidenden Maßnahmen” mit den Auflagen zur Haushaltsgenehmigung durch das Landesverwaltungsamt. Sozialdezernent Tobias Kogge verteidigte gegenüber HalleForum.de diesen Schritt. Er wisse auch, dass dies für die Vereine nicht einfach ist. “Doch durch die erlassene Haushaltssperre kann ich von 100 eingeplanten Euro nur 70 ausgeben.” Im September werde der Nachtragshaushalt vorgelegt. Dieser werde dann konkrete Sparvorschläge für einzelne Bereiche umfassen. Eine bunte Liste mit konkreten zu streichenden Projekten werde es aber nicht geben. Kogge sieht dabei nicht nur bei den freiwilligen, sondern auch bei den Pflichtaufgaben erhebliches Sparpotential. “Halle hat eines der dichtesten Netze von Schuldnerberatungsstellen”, sagte der Beigeordnete. Fraglich sei, ob tatsächlich solch ein umfangreiches Netz verschiedener Beratungsstellen und Träger nötig sei. Das Gesetz schreibt zwar den Betrieb einer Schuldnerberatungsstelle vor, aber nicht die Größe.

Eine Schuldnerberatungsstelle betreibt zum Beispiel der Humanistische Regionalverband Halle-Saalkreis. Und der sieht sich nun in arger finanzieller Bedrängnis. Denn das eine zu erbringende Pflichtleistung von der Stadt nicht mehr bezahlt wird, ist neu. Wie Peggy Rarrasch von den Humanisten auf Nachfrage von HalleForum.de sagte, gehe damit für die Schuldnerberatung das Geld im nächsten Monat aus. “Eigentlich müsste ich nun sofort den Mitarbeitern kündigen”, so Rarrasch. Doch auch das sei nicht möglich, schließlich sei sie an Kündigungsfristen gebunden. Dass die Stadt überhaupt bei Schuldnerberatungen kürzen will, ist für sie unverständlich. “Seit Jahren bekommen wir das gleiche Geld von der Stadt, müssen aber immer mehr Klienten betreuen”, erläutert Rarrasch. Mit dem zum 1. Juli in Kraft getretenen Regelung zur Kontenpfändung habe sich der Beratungsbedarf weiter erhöht. Laut Rarrasch gebe es schon jetzt Wartezeiten von 8 bis 12 Wochen bei allen Schuldnerberatungsstellen.

Angesetzt wird der Rotstift auch beim Begegnungszentrum für Menschen mit psychischen Erkrankungen des Labyrinth e.V., der Wärmstube der Diakonie, der psychosozialen Beratungsstelle, der Selbsthilfekontaktstelle und diversen Begegnungsstätten. So steht das Bürgerhaus E ebenfalls auf der Kippe. 6.500 Euro erhielt die Einrichtung bisher für die Betriebskosten von der Stadt. Ob es in diesem Jahr etwas gibt, ist nach dem Schreiben der Stadt unklar. Damit stünde auch ein Kommunal-Kombi-Projekt, mit dem Langezeitarbeitslose wieder eine BEschäftigung gefunden haben, vor dem Aus. Sven Weise von der Liga der freien Wohlfahrtsverbände kritisiert das Verhalten der Stadt. Gewohnt ist man mittlerweile, dass es bei städtischen Zahlungen immer mal stockt. Das nun aber Mittel (vorerst) zu 100 Prozent gekappt werden, hat für die zahlreichen Anbieter der so genannten freiwilligen Leistungen enorme Auswirkungen. Denn ermuntert von der Stadt wegen der angespannten Haushaltslage und der seit Jahren sinkenden Zuschüsse haben sich die Träger schon anderweitig Mittel besorgt. Doch oft handelt es sich um so genannte Ko-Finanzierungen. Das heißt: ein Teil der Gelder kommt von der Stadt, der Rest beispielsweise aus Förderungen von Bund, Land oder Europäischer Union. “Ganze Projekte können nun nicht mehr finanziert werden”, meint Weise. Seinen Informationen stehen nun zahlreiche Träger vor der Zahlungsunfähigkeit, müssten – sollte die Stadt nicht einlenken – im September schließen. Im kommenden Stadtrat wollten die Vereine deshalb Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados auf die dramatische Lage aufmerksam machen.

Und die Spitze des Eisbergs ist noch nicht erreicht. Die Haushaltsansätze für freiwillige Leistungen werden im nächsten Jahr um 10 Prozent, im Jahr 2012 um ein Viertel eingestampft. Die Pflichtleistungen sollen auf das gesetzliche Minimum zurückgefahren werden.