Stadtverwaltung stellt sich den Neustädtern

von 15. April 2010

Friedhof, Scheibenhochhäuser, verfallene Platten, Sauberkeit. Das waren die großen Themen beim dritten Bürgerforum, welches am Mittwochabend im Kulturtreff in Halle-Neustadt stattfand. Die Stadtverwaltung stellte sich dabei wieder den Fragen und Anregungen der Neustädter. Auch zahlreiche Stadträte waren gekommen, darunter Andreas Schachtschneider, Raik Müller, Uwe Köck, Petra Sitte, Hendrik Lange, Thomas Felke, Christoph Menn und Katja Raab.

Begrüßt wurden die rund 150 Gäste mit Händels Hallelujah. Im Anschluss warb Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados für das aktuell laufende Themenjahr „Halle verändert“ und wies auf die Internationale Bauausstellung unter dem Titel „Balanceakt Doppelstadt“ hin. Im Rahmen der IBA wird die Hochstraße am 30. Mai für einen Tag gesperrt. Viele Aktionen und Veranstaltungen würden dann auf die Hallenser warten, erläuterte die Oberbürgermeisterin. Im Skatepark sei von 10. bis 12. September ein Festival vorgesehen.

Und auch einige Projekte stehen demnächst in Neustadt an. Die Fassade des Christian- Wolff Gymnasium wird mit Hilfe des Konjunkturpaketes erneuert. Zudem habe der Stadtrat die Bestandsfähigkeit der Schule bestätigt, so Szabados. Vorbereitet wird derzeit der Umbau des Bahnhofs Nietleben zu einer Schnittstelle zwischen Bus und S-Bahn. Auch das Stadion wird mit Hilfe des Konjunkturpakets saniert. “Neustadt bekommt nun wieder einen vorzeigbaren Sportplatz”, erklärte das Stadtoberhaupt.

Ein Problem für viele Neustädter: die Scheibe C. “Wir stehen mit dem Land in Kontakt”, sagte Szabados. Man müsse endlich zu einer Konzeption für die gesamten Scheibenhochhäuser kommen. Mit ihrem maroden und verwahrlosten Äußeren würden sie den Gesamteindruck Neustadts nach unten ziehen. “Das ist kein gutes Aushängeschild”, befand die Oberbürgermeisterin.

Eine Forderung nach dem Ausbau des Gimritzer Damms gab es schon immer von Seiten der Politik. Für Szabados steht der Ausbau nun so gut wie fest. “Wir werden den Gimritzer Damm vierspurig ausbauen. Das ist dringend notwendig. Wir brauchen ihn als Zufahrt zum Weinberg Campus”, sagte die Oberbürgermeisterin, die mit einer Fertigstellung in den Jahren 2012 oder 2013 rechnet. Weil noch gar kein Stadtratsbeschluss gefasst wurde, fragte HalleForum.de genauer nach. “Die Stelle zwischen Eissporthalle und Heideallee ist ein Engpass”, sagte Szabados auf Nachfrage. Genauer wusste es Baudezernent Thomas Pohlack. Seinen Worten zufolge laufen derzeit Untersuchungen zur Verkehrsbelegung. Diese sollen dann nachweisen, ob ein vierspuriger Ausbau sowie ein Kreisverkehr an der Kreuzung zum Weinberg Campus sinnvoll sind. Die Verwaltung rechnet zumindest mit positiven Ergebnissen.

Ein Fazit zog Szabados vor der neuen Fragerunde noch über das letzte Bürgerforum. Nach der großen Diskussion um den Erhalt des Friedhofs habe man einen “vernünftigen Kompromiss gefunden”, sagte sie. Bis 2028 sei eine Nutzung noch normal möglich. “Und wenn wir 2018 merken, dass der Beschluss falsch war, können wir ihn noch rechtzeitig wieder vom Stadtrat aufheben lassen.” Mehrere Schmutzecken wurden beim Bürgerforum vor anderthalb Jahren kritisiert. “Die sind nun weg”, konnte Szabados erfreut berichten, so zum Beispiel an der Unstrutstraße. Auch der zum Schandfleck verkommene Blumenladen Gerbera ist Geschichte. Die GWG hatte das Gebäude am Tulpenbrunnen gekauft und abreißen lassen. Vor sich hin rottete auch der nördliche Tunnelbahnhof. Er ist mittlerweile ebenfalls abgerissen. Und einen Wunsch äußere Szabados noch: ”Wir brauchen einen Radweg von Dölau nach Nietleben.” Eigentlich schwebe ihr ja immer noch die ehemalige S-Bahn-Strecke vor. Die Verwaltung werde am Thema dranbleiben.

Neustadt und die Radler
Das erste Wort in der Diskussion gehörte Klaus-Dieter Weißenborn vom SPD-Ortsverein Neustadt. Sein Wunsch nach einem Radweg bis nach Bennstedt wird wohl so schnell nicht erfüllt. “Das Land wäre hier Baulastträger. Dort sieht man aber keinen Bedarf. Wir hatten schon mehrere kontroverse Diskussionen”, so Baudezernent Pohlack. Man werde das Thema bei Gesprächen mit dem Land aber immer wieder auf die Tagesordnung setzen. Eine Radwegeverbindung wünschte sich Weißenborn zudem zwischen Magistrale und Lise-Meitner-Straße entlang des Neustadt-Centrums. Die Stadt solle hier entsprechende Markierungen schaffen und zudem die Bühne entfernen, die sich nachts als Unfallquelle darstelle. Die Verwaltung will nun die Sachlage prüfen.

Gebäude
Beim Thema Scheibe C solle die Stadt mehr Einfluss auf das Land ausüben, forderte Klaus-Dieter Weißenborn. Heinz-Günter Ploss regte gar studentisches Wohnen an. Die Stadt solle mal mit dem Studentenwerk reden. Es gebe einen Bedarf an preiswerten Wohnungen. In dem Fall würden die Studenten in anderen Heimen fehlen, entgegnete Pohlack. Allerdings sei das Scheibenproblem eine Aufgabe, die dringend gelöst werden müsse. “Es gibt fünf Scheiben, vier sind leer, zwei der Eigentümer nicht erreichbar.” Im Rahmen eines neuen Konzepts soll nun der Bereich nördlich der Passage untersucht werden. Möglich seien eine Herabzonung der Hochhäuser oder ein Abriss und Teilneubau. “Wir dürfen nicht mehr zu lange alten Träumen hinterherrennen”, so Pohlack. Das eine Nutzung möglich sei, beweise Scheibe D, erklärte Liane Lang. Die Scheiben seien nicht einfach ein Plattenbau, sondern nach einer schwedischen Technologie errichtet. “Eigentlich gehören sie unter Denkmalschutz. Sie bestimmen das Bild Neustadts.”

Eingeschlagene Fenster, Brandschäden. So zeigt sich seit Jahren das ehemalige Datenverarbeitungszentrums hinter der Schwimmhalle. Von der Stadt aus sei das Gebäude zum Abbruch vorgesehen. “Aber es ist im Privatbesitz”, so Planungsdezernent Pohlack. Man stehe aber mit dem Eigentümer in Verhandlungen. So sei ein Konzept entwickelt worden, das Haus als Ordnungsmaßnahme abzureißen. Dabei könnte der Eigentümer die Hälfte der Kosten gefördert bekommen.

Für die Zukunft des Passendorfer Schlösschen interessierte sich Klaus-Dieter Weißenborn. “Die Sanierung der Nebengebäude hat begonnen”, konnte Planungsdezernent Pohlack berichten. Im Haupthaus seien Wohnräume vorgesehen, also keine öffentliche Nutzung. Auch hier stünden noch in diesem Jahr die Arbeiten an.

Immer wieder brennt es bei der einstigen Station der jungen Techniker am Kinderdorf, so ein Anwohner. “Wir hatten auf eine Nachnutzung gehofft”, sagte Szabados. Nun solle das Gebäude noch in diesem Jahr abgerissen werden.

Thema von Anfragen waren auch mehrere andere Bauruinen wie das Bauarbeiterzentrum BAZ, die alte Richard-Horn-Schule (hier sollte ein Gehörlosenzentrum errichtet werden, der Investor sprang dann aber doch ab) und eine Schule am Niedersachsenplatz. Bei letzter knallen bei starkem Wind immer wieder die Türen. Die solle man doch wenigstens aushängen, meinte ein Anlieger. Oberbürgermeisterin will nun darauf drängen, dass nicht mehr genutzte Einrichtungen verstärkt abgerissen werden.

Kultur
Klaus Kühner ist musikalischer Stadtführer. Doch Kultur vermisst er in Halle-Neustadt. Er wünsche sich mehr Kneipen und eine breitere kulturelle Szene. “Die Kneipen gehen dorthin wo sie Kunden erhoffen”, entgegnete Oberbürgermeisterin Szabados. Doch wer kulturelle Angebote in Neustadt präsentieren will, solle bitte den Kulturtreff dazu nutzen. Diese stehe kostengünstig zur Vermietung bereit. Bei gemeinnützigen Projekten könne man sicher auch mal auf die Miete verzichten.

Ärztliche Versorgung mangelhaft
Die ärztliche Versorgung lag Klaus-Dieter Weißenborn am Herzen. Nur noch einen Allgemeinmediziner gebe es im ersten Wohnkomplex. “Wir sind nicht für die ambulante Versorgung zuständig”, so Szabados. Das sei Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung. Laut deren Aussagen gebe es in Halle sogar eine Überversorgung mit Ärzten. Das aber ist je nach Stadtteil unterschiedlich stark ausgeprägt. “Die Ärzte siedeln sich dort an, wo die Nachfrage da ist”, meinte Szabados. Allerdings wolle sie noch einmal mit dem Ärzteverband reden. Möglicherweise könne man ja zwei Mediziner aus dem Paulusviertel bewegen, nach Neustadt zu ziehen. Apotheker Albrecht Bader sieht aber die Schuld für die Ärzteabwanderung bei der Stadt. Die lasse ihr Ärztehaus am Gastronom verkommen. “Sind Sie überhaupt noch interessiert, das Ärztehaus zu halten? In den letzten Monaten sind hier drei Ärzte weg. Das Haus ist nicht mehr attraktiv genug”, meinte Bader. Die Stadt will beim Gebäude nun noch einmal genauer hinschauen. Immerhin aber sei ein zunächst vorgesehener Verkauf der Ärztehäuser nicht mehr angedacht, sagte Wirtschaftsdezernent Wolfram Neumann. Diese brächten eine halbe Million Euro an Mieteinnahmen im Jahr. “Die Ärztehäuser sind attraktiv und ein Zukunftsmodell”, so Neumann.

Ordnung und Umwelt
Dreckig ist es an vielen Ecken in Neustadt, bemängelte Neustadts langjährige Oberbürgermeisterin Liane Lang. “Ordnung und Sauberkeit lassen zu wünschen übrig.” Die Daniel-Pöppelmann-Straße sehe aus als wäre ein Müllauto durchgefahren und habe den Müll abgeladen. Daneben seien an vielen Stellen die Grünanlagen ungepflegt. “Wir waren mal die Stadt mit dem meisten Grün. Heute ist es ein unmöglicher Zustand”, so Lang. Äste würden herunterfallen, Büsche über die Bordkanten hinausragen. Um sich einen besseren Eindruck zu verschaffen, solle es vor Bürgerforen eine Begehung des Stadtviertels durch die Verwaltung geben, so Lang. Sie regte zudem eine Wohngebietsverwaltung mit fünf bis acht Personen an. So könnten Probleme im mit 45.000 Einwohnern noch immer größten Stadtteil Halles schneller geklärt werden. “Das ist finanziell machbar.”

Das Gelände der ehemaligen Kita Hase und Igel im Sanddornweg sei total vernachlässigt, so eine Anwohnerin, gleiche einer Müllhalde. Hier solle die Stadt mal aufräumen. Auch die Buschbereiche in der Galerie im Grünen seien ungepflegt, merkte sie an. An der Pusteblume werde ihrer Meinung nach nur einmal im Jahr der Rasen gemäht. Sie schlug zudem vor, den Spielplatz an der alten Liebknechtschule wieder zu öffnen. Der sei auf dem einstigen Schulgelände und umzäunt.

Ungepflegt ist auch der Außenbereich am Cliquentreff Schnatterinchen. Man solle den Jugendlichen mal zeigen was eine Harke ist, so eine Bürgerin. “Die werden schon nicht kaputt gehen, wenn sie arbeiten. Wir haben früher auch Arbeitseinsätze gemacht.” Hier konnte Oberbürgermeisterin Szabados etwas positives vermelden. Die Jugendlichen werden sich im Rahmen eines Projekts um die Umfeldgestaltung kümmern. Nachdem auch andere Bürger Dreckecken nannten, wies Moderator Michael Schädlich auf das bürgerschaftliche Engagement hin. Und Bürgermeister Pohlack ergänzte, es sei nicht die Stadtverwaltung die den Müll fallen lassen. “Die Menschen sind es.” Derzeit laufe aber eine Frühjahrsputzaktion. In der Straßenreinigungssatzung sei zudem geregelt, das für bestimmte Bereiche die Anwohner für die Sauberkeit verantwortlich sind.

Hin und wieder fließt Wasser im Saugraben. Schön wäre es, wenn der kleine Bach dauerhaft mit Wasser gefüllt sei, merkte Heinz-Günter Ploss an. Laut Pohlack hänge der Pegel von verschiedenen Faktoren ab wie dem Grundwasserpegel und der Niederschlagsmengen. Das kleine Gewässer diene als Überlaufkanal des Heidesees. Um zumindest das Wasser länger im Graben zu halten, soll das Bachbett nun mit Ton und Lehm verdichtet werden.

Udo Mittinger vom Neustadtverein erkundigte sich nach den geschlossenen Toiletten am Skaterpark. Die sind entgegen erster Aussagen der Stadtverwaltung nicht wegen Überlastung, sondern wegen Vandalismus geschlossen. In den nächsten Tagen sollen sie repariert werden.

Friedhof
“Beim Friedhof gibt es keine Ruhe”, erklärte Liane Lang mit bestimmenden Worten. Neustadt sei der größte Stadtteil und brauche eine Begräbnisstätte. “Ein Friedhof ist ein sensibles Thema, den schließt man nicht”, erklärte sie unter dem Applaus des Publikums. “Beim Friedhof wird nicht zur Kenntnis genommen, dass wir einen sehr weit offenen Kompromiss ausgehandelt haben”, entgegnete Bürgermeister Thomas Pohlack. Bis 2018 seien Bestattungen ohne Einschränkungen möglich. Zudem gab er bekannt, dass eine komplette Konzeption für alle städtischen Friedhöfe erstellt werden soll. “Ich appelliere an die Vernunft der Oberbürgermeisterin”, sagte Rolf Hermann. “Das ist der schönste Friedhof von Halle.”

Eine Anwohnerin kritisierte, dass die Schwimmhalle zu oft für die Öffentlichkeit geschlossen sei. “Wir können Ihnen individuelle Angebote unterbreiten”, so Sportdezernent Bernd Wiegand. “Wir brauchten bisher niemanden abweisen.”

Und zum Schluss sorgte dann noch Finanzdezernent Egbert Geier für einen Schmunzler. Schließlich kam er ja in der Diskussion zuvor nicht zu Wort, Fragen an seinen Bereich waren nicht vorhanden. Aber er konnte die Frage einer Bürgerin nach der Goldsteinstraße beantworten. Benannt sei sie nach Kurt Goldstein.