Stadtwerke Halle steigern Gewinn und Umsatz

von 16. Juni 2009

(ens) “Spannende Zeiten” liegen vor den Stadtwerken Halle. Eine Aussage von Stadtwerkesprecher Stefan Böttinger, die noch gar nicht die Tragweite erkennen lassen. Denn nach dem Beschluss des Stadtrates steht nun die Umstrukturierung des Konzerns an. Das Firmengeflecht wird gelichtet, die Stadtwerke mit ihrer Muttergesellschaft Verwaltungsgesellschaft für Versorgungs- und Verkehrsbetriebe der Stadt Halle GmbH (VVV) verschmolzen. Doch am Dienstag hat der Stadtwerkeverbund zunächst eine Bilanz über das vergangene Geschäftsjahr gezogen. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage und schlechter Rahmenbedingungen wie zurückgehender Bevölkerung habe man mit einem positiven Ergebnis abschließen können, so Böttinger. Der Umsatz kletterte von 421,4 auf 430 Millionen Euro, ein neuer Rekord. Der Gewinn im ausgeklungenen Jahr betrug 13,2 Mio Euro, ebenfalls eine Steigerung. 2007 hatte der Gewinn rund 10.5 Mio Euro betragen, ein Jahr zuvor wurde sogar tiefes Minus erwirtschaftet. Im kommenden Jahr soll der Gewinn der Stadtwerke sogar noch weiter wachsen, 15 Millionen Euro sind ans Ziel ausgegeben.

EVH als Cash-Cow
Die stärksten Umsätze erzielte der Konzern im Energiesektor. Allein beim Strom wurden im letzten Jahr 185,9 Millionen Euro umgesetzt (2007: 179,4). Zu verdanken ist dieser Zuwachs auch dem Wachstum außerhalb Halles. Die Hälfte des Strom – 572 Gigawattstunden – werde laut EVH-Chef Berthold Müller-Urlaub nach ganz Deutschland exportiert. Dabei habe man auch namhafte Kunden wie Stihl, Eberswalder Würstchen oder die Deutsche Bahn gewinnen können. Doch auch im Heimatmarkt will die EVH nicht zu kurz kommen, kämpft weiterhin um Kunden. Trotz Liberalisierung des Strommarktes beziehen noch immer rund 90 Prozent aller halleschen Haushalte die Elektroenergie von der EVH. Das will Müller-Urlaub durch die begleitenden Services erreichen, denn der Strommarkt sei ein “ruinöser und knallhart umkämpfter Markt.” Manche Unternehmen kämen mit Dumpingpreisen auf den Markt. Und auch in den weiteren Geschäftsfeldern der Energieversorgung Halle klettern die Zahlen. Im Erdgasbereich meldet die EVH Umsätze von 45,8 Mio Euro (2007: 42,7), auch bei der Fernwärme war ein Anstieg von 48,9 auf 52,5 Millionen Euro feststellbar. Durch den Leerstand fallen gerade in den Plattenbauvierteln Kunden weg. Doch als Neukunden konnten unter anderem die Forschungseinrichtungen am Weinberg Campus gewonnen werden. Die weiteren Umsätze: Netznutzung: 9,8 Mio, Abwasserentsorgung: 40,7, Wasserversorgung: 32,2, Abfallentsorgung: 15,1, Reinigungsdienstleistungen: 10,2, IT-Dienstleistungen: 6,2, Maya Mare: 3,7, Hafen: 0,6, Sonstiges 27,4 Mio Euro.

Wirtschaftskrise greift um sich
In der Abfallwirtschaft und beim Hafen machen sich hingegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise schon deutlich bemerkbar. So konnten Anfang 2008 für Sekundärrohstoffe wie Papier und Altkunststoffe noch hohe Preise erzielt werden. Zum Jahresende hin war ein erheblicher Nachfragerückgang zu spüren. Der Umsatz blieb aber ziemlich stabil, was nicht zuletzt auch einer Anpassung der Angebot zu verdanken ist. Rund 2000 Besucher täglich würden auf den Wertstoffmärkten gezählt. Neu seit diesem Jahr ist die Annahme von alten Speiseöl. Besonders hart getroffen hat die Krise den Hafen. Kletterte der Containerumschlag Anfang vergangenen Jahres noch auf das Dreifache des Jahres 2006, brachen die Aufträge ab September drastisch ein, zum Teil um die Hälfte.

Preisgestaltung
Viele Kunden interessiert vor allem, ob auf sie höhere Kosten zurollen. Erst einmal nicht. Strom- und Gaspreise sollen laut Müller-Urlaub in den nächsten Monaten stabil bleiben. Der EVH-Chef verwies auch noch einmal darauf, das es in diesem Jahr bereits zweimal zu Preissenkungen bei der Energie gekommen sei. Anders die Situation bei der Wasser- und Abwassergebühr. Denn die HWA wurde mit einer Auflage des Kartellamtes belegt. Demnach müssen künftig bei der Preiskalkulation künftig die Grundpreise stärker herangezogen werden. Bislang spielt der mengenmäßige Verbrauch eine Rolle. Laut Stadtwerke-Chef sei Anfang nächsten Jahres mit einer neuen Gebührensatzung zu rechnen, entsprechende Beschlüsse würden gerade vorbereitet. Für etwas 2000 bis 2500 Kunden – vor allem Hauseigentümer und Wohnungsvermieter mit hohem Leerstand – würden die Gebühren dadurch klettern. Familien mit vielen Kindern und einem hohen Wasserverbrauch zahlen hingegen weniger. Wie es mit den Müll-Gebühren weitergeht ist noch unklar. Nach einem Stadtratsbeschluss, 1,5 Mio. Euro aus den Anteilsverkauf an der einst geplanten Müllverbrennungsanlage Lochau in die Gebührenkalkulation mit einfließen zu lassen, wurden die Gebühren etwas abgesenkt. Ab 1. Januar 2010 gelte dann eine völlig neue Gebührensatzung. Derzeit würden laut Matthias Lux die neuen Gebühren kalkuliert. Frühestens im Herbst sei mit Ergebnissen zu rechnen.

VNG und END-i AG spülen Geld in die Kassen
Für 90,8 Millionen Euro haben die Stadtwerke ihre Anteile an der Verbundnetz Gas AG (VNG) verkauft. Damit soll ein Beitrag zu Sanierung des städtischen Haushalts geleistet werden. Stadtwerke-Chef Wilfried Klose zeigte sich zufrieden über das erzielte Ergebnis. In den nächsten Wochen würde man die Kaufsumme auf den Konten erwarten. 75 Millionen Euro davon würden gleich an die Stadt weiter überwiesen, dies habe der Aufsichtsrat beschlossen. Doch für immer soll der VNG-Ausstieg nicht gewesen sein. “Wir behalten uns vor, uns in naher Zukunft wieder an der VNG zu beteiligen”, so Klose. Kurzfristig sei daran aber erst einmal nicht zu denken. Weitere 14,2 Mio Euro erwarten die Stadtwerke aus dem Verkauf der Aktien an der End-i AG.

Stadtwerke buhlen um Kunden
Neue Kunden gewinnen? Ein wichtiger Punkt, gerade in Zeiten liberalisierter Märkte. Da müssen Preis und Leistung stimmen. Und vor allem die Großkunden legen wert auf die Zusatzservices. Ebenso hält das Unternehmen viele Angebote für Privatkunden bereit. Zu nennen wäre die Solar-Plus-Aktion, bei der eine kleine Solaranlage gefördert wird, mit der das Warmwasser aufbereitet wird. Um die Hallenser zum Umsteigen auf Energiesparlampen zu bewegen, wollen die Stadtwerke in der nächsten Woche eine starten, bei der Solarkugeln an Kunden verschenkt werden sollen. Die Kraft der Sonne – angeboten von einem Konzern, der mit dem Verkauf von Strom sein Geld verdient – das ist eine zunächst ungewöhnliche Konstellation. Doch Berthold Müller-Urlaub erläuterte den Sinn. “Was nutzt uns ein Kunde, wenn er die Rechnung nicht bezahlen kann.” Kunden ans Unternehmen binden will man aber auch mit sozialen Aktionen. So gibt es seit über einem Jahr die Spieleinsel “Wikiwiki mamokpuni”. Wegen der großen Nachfrage – die aufblasbare Hüpfburgen-Insel ist für dieses Jahr ausgebucht – wurde jetzt eine zweite Spieleinsel in Auftrag gegeben.

Großer Beliebtheit erfreue sich laut Müller-Urlaub die Erdgas-Tankstelle. Immer mehr Autofahrer würden auch die umweltfreundliche Antriebsmöglichkeit zurückgreifen. Mittlerweile gebe es in Halle schon eine Firma, die ihren kompletten Fuhrpark auf Erdgas umgestellt hat.

Beteiligen wollen sich die Stadtwerke an der Betreibergesellschaft für das neue Fußballstadion. Klose machte jedoch deutlich, dass man sich nicht darüber hinaus in Form von Sponsoring in der neuen Gesellschaft engagieren werde.

Große Rückgänge gab es bei den Investitionsausgaben. Rund 42,7 Mio Euro wurden in Baumaßnahmen gesteckt, 2007 waren es noch 20 Mio Euro mehr. Finanziert wurden damit unter anderem Baumaßnahmen in der Delitzscher Straße, Fritz-Hoffmann-Straße und Großen Märkerstraße.

Als einziges Stadtwerk in Sachsen-Anhalt sind die Hallenser auch im Ausland aktiv, so unter anderem in Namibia, Indien und China. Zwar dürfen die Stadtwerke nicht im Ausland investieren, verdienen aber mit Beratungsleistungen Geld. So stehe man den asiatischen Ländern bei der Lösung ihrer Ver- und Entsorgungsprobleme zur Seite. In Kasachstan unterstütze man den Bau eines Wasserwerks.

Stadtwerke als Arbeitgeber
Mit 1.666 Mitarbeitern gehören die Stadtwerke zu einem der größten Arbeitgeber der Stadt. 127 Lehrlinge sind derzeit im Unternehmen beschäftigt. Klose lobte die gute Qualität der Ausbildung. Zwar könnten nicht alle Azubis übernommen werden. Doch wegen der anerkannt guten Qualität sei es für die Lehrlinge später leicht, einen anderen Job zu finden. 43 Azubis sind bei der Stadtwirtschaft tätig. Die Stadtwerke-Tochter reagiert damit auf den einsetzenden Fachkräftemangel. Sei diesem Jahr wird deshalb auch ein Berufskraftfahrer ausgebildet.