Studie: Sachsen-Anhalt ist Niedriglohnland

von 11. April 2012

Viele haben es geahnt, nun gibt es die Ergebnisse erstmals schriftlich. Sachsen-Anhalt ist Niedriglohnland. Das geht aus einer Studie hervor, die DGB, die IG Metall und Landesarbeitsminister Norbert Bischoff am Mittwoch vorgestellt haben. Über 1.000 Beschäftigte haben sich an der repräsentativen Umfrage zu den Arbeits- und Leistungsbedingungen beteiligt. Finanziert wurde die Befragung durch die EU und die Landesregierung Sachsen-Anhalt.Demnach sind die Entgelte 33 Prozent niedriger als in West- und Süddeutschland. In Geld ausgedrückt bedeutet dies, dass Sachsen-Anhalter im Durchschnitt monatlich 600 Euro weniger verdienen.44 Prozent der Beschäftigten im Land erhalten monatlich weniger als 1.500 Euro. Im Produktionssektor sind es 36 Prozent der Beschäftigten, die ein Entgelt von unter 1.500 Euro erhalten, 33 Prozent sogar im Rahmen von Vollzeitarbeit. 200.000 Menschen halten sich mit Minijobs über Wasser. Daneben arbeiten 28.000 Menschen als Zeitarbeiter. 70.000 Menschen verdienen so wenig, dass sie aufstocken müssen. Lediglich 50 Prozent der Beschäftigten in Sachsen-Anhalt fallen in den Geltungsbereich von Tarifverträgen. Rund 85 Prozent der Befragten halten Tarifverträge aber für wichtig und 75 Prozent der Beschäftigten halten einen Betriebsrat für wichtig. 55 Prozent der Beschäftigten fühlen sich nicht angemessen entlohnt, im Produktionsbereich sind es sogar 63 Prozent. Deshalb ist auch die Bereitschaft groß, den Arbeitgeber zu wechseln. 30 Prozent der Beschäftigten würden ihren Arbeitgeber verlassen, sobald sich bessere Verdienstmöglichkeiten bei einem anderen Arbeitgeber ergeben. 8 Prozent suchen aktuell nach einem neuen Arbeitgeber. 28 Prozent der Beschäftigten können sich einen Wegzug aus Sachsen-Anhalt vorstellen, Hauptmotiv sind bessere Arbeitsbedingungen, Beschäftigungs- und Aufstiegschancen. „Die Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt müssen endlich ordentliche Löhne zahlen, wie sie im Westen üblich sind“, fordert Hartmut Meine, IG Metall-Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. „Die Arbeitgeber gefährden mit ihrer rückwärtsgewandten Politik die wirtschaftliche Entwicklung des gesamten Landes.“ Der DGB-Landesvorsitzende Udo Gebhardt verweist auf den hohen Anteil von Beschäftigten im Niedriglohnbereich und fordert einen Mindestlohn von 8,50 Euro. „Jeder dritte Vollzeitbeschäftigte in Sachsen-Anhalt erhält im Monat nicht mehr als 1.500 Euro. Viele Beschäftigte werden schlecht bezahlt, obwohl sie teilweise unter schwierigeren Bedingungen arbeiten müssen als die Beschäftigten in Westdeutschland. So ist der Anteil von Wochenend- und Schichtarbeit sowie schwerer körperlicher Arbeit deutlich höher als im Westen“, so Gebhardt. Arbeitsminister Norbert Bischoff (SPD) erklärt zum Ergebnis der Befragung: „Die Studie zeigt, dass durchaus noch Nachholbedarf beim Angebot guter Arbeitsplätze besteht. Wenn wir gut qualifizierte Beschäftigte im Land halten wollen, muss auch etwas für sie getan werden. Auf der anderen Seite wurde deutlich, dass sich die Arbeitnehmer mit ihrer Arbeit identifizieren und das gute Klima im Kollegium schätzen. Sie sind hoch motiviert. Die Studie belege in trauriger Weise, was auch DIE LINKE seit vielen Jahren kritisiere, erklärte der Vorsitzende der Links-Fraktion im Landtag Wulf Gallert: „Sachsen-Anhalt ist Niedriglohnland. Es wäre zu wünschen, dass dem Ministerpräsidenten bewusst wird, wie wenig sinnvoll seine so genannten Rückholaktionen sind, die Aussagen der Studie sprechen für sich.“ Die Landesregierung sei offenbar nicht einmal im Ansatz in der Lage, dem Problem zu begegnen. „Jüngster Beweis dafür ist ihr Umgang mit dem Vergabegesetz. Eine gesetzliche Mindestlohngrenze von 8,50 Euro bei öffentlichen Aufträgen wurde auf Druck der CDU kurzerhand herausgestrichen, mit Duldung der SPD. Armut trotz Arbeit, das ist für viele im Lande bittere Realität, angesichts derer die gestern vorgestellte Jubelbilanz der Landesregierung geradezu wie ein Hohn wirkt. Für DIE LINKE ergibt sich die Konsequenz, weiterhin den Kampf für einen gesetzlichen Mindestlohn zu führen, der ein existenzsicherndes Leben in Würde gewährleistet.“”Die Zahlen zeigen: Die Arbeitgeber setzen in Sachsen-Anhalt auf eine Niedriglohnstrategie”, erklärt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Franziska Latta. “Diese Kurzsichtigkeit ist absolut gefährlich, denn so gehören wir zu den Verlierern beim Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte. Angesichts dieser Zahlen müssen endlich die politischen Rahmenbedingungen für einen gesetzlichen Mindestlohn vorangetrieben werden. Und ich appelliere auch an die Wirtschaft: Zahlen sie vernünftige Löhne, damit die qualifizierten Menschen in Sachsen-Anhalt bleiben.”