Tabula Rasa für Unizentrum

von 29. Oktober 2010

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Nun ist die Katze endgültig aus dem Sack. Für den Bau des neuen Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Zentrums der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sollen großflächig Gebäude abgerissen werden. Darüber informieren Bauminister Karl-Heinz Daehre und Kultusministerin Birgitta Wolff. Vor allem der festgesteckte Kostenrahmen von 52 Millionen Euro zwingt dazu, meinten die Minister. Eine Sanierung sei zu teuer und mache funktional keinen Sinn. “Wir müssen im Kostenrahmen bleiben”, so Daehre.

Deshalb rücken nun also die Abrissbagger an. Stehen bleiben demnach nur das jetzt durch das Haustiermuseum genutzte Gebäude und das Hörsaalgebäude. Alle denkmalgeschützten Häuser im Innenhof sowie entlang der Emil-Abderhalden-Straße werden abgerissen. Entsprechende Anträge wurden beim Landesamt für Denkmalpflege gestellt. Die hat nun der Leiter Harald Meller auf dem Tisch. Er kann schon sagen, welche Auswirkungen die Pläne haben. Derzeit sei das Ensemble noch ein Gesamtdenkmal. Diesen Status würde es mit dem Abriss verlieren. Doch das Land müsse nun nachweisen, dass eine Sanierung wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.

Genau das ist die Argumentation der Landesregierung. Es gebe keine andere Möglichkeit, so Bauminister Daehre. Der Minister verwies auf sonst explodierende Kosten. Außerdem könne man es niemandem zumuten, in einem ehemaligen Kuh- oder Schweinestall zu sitzen. Urin und Blut seien in den Gebäuden bis tief ins Gemäuer eingezogen. Stattdessen sollen an der Emil-Abderhalden-Straße Neubauten entstehen, während der Innenhof begrünt wird. Schlimm findet Daehre den Abriss nicht. “Jedes Jahrhundert hat seine eigene Architektur.”

“Der neue Campus ist total kommunikativ angelegt”, findet Kultusministerin Wolff. Nun könne es gelingen, die an 17 Standorten sitzenden 56 Professuren an einem Standort zu konzentrieren. “Bislang müssen die Studenten von Pontius zu Pilatus laufen.” Von der Großen Steinstraße aus soll ein Durchgang zum neuen Campus errichtet werden. Man sei dazu in Gesprächen mit dem Steintor Variete. Möglicherweise wird ein benachbartes Gebäude abgerissen. Tag und Nacht solle der Campus offen stehen, erläuterte Uni-Kanzler Martin Hecht. So soll der Campus viel Grün enthalten, der Bevölkerung als Park dienen. Im jetzigen Haustiermuseum ist eine Cafeteria geplant, später soll hier auch ein Kraftraum für die Studenten entstehen.

Und die Stadt, lange Zeit erbitterter Gegner des jetzigen Standortes? Hat sich arrangiert. “Die Planung sieht vernünftig aus”, so Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados. “Die Entwicklung der Universität hat oberste Priorität. Denn mit der Universität strahlt Halle nach außen”, meinte das Stadtoberhaupt und versuchte auch, bei den noch immer vorhandenen Gegnern des Standortes zu werben. “Wenn wir noch ewig diskutieren geht es zu Lasten der Uni. Und mal ehrlich: vermissen wir das Denkmal wirklichen?“ Denn die Gegner waren auch zur Vorstellung der Pläne gekommen, darunter der CDU-Landtagsabgeordnete und Vorsitzender der Stadtratsfraktion Bernhard Bönisch. Kritisch betrachtete er die Pläne zu einem flächenhaften Abriss und brachte den Gestaltungsbeirat ins Spiel. Doch der ist genauso ein zahnloser Tiger wie es das Landesamt für Denkmalpflege ist. Denn das Land ist eigener Bauherr, kann sich die Genehmigungen zum Abriss und Neubau selbst erteilen.

Doch nicht nur Abriss und anschließende Neubauten sollen die Kosten im Rahmen halten. Auch beim ohnehin geplanten Bibliotheksneubau wird der Rotstift angesetzt. Das Gebäude wird kleiner ausfallen als bislang geplant. Ein Hilfsgutachten habe gezeigt, dass die Fläche zu groß angesetzt gewesen sei, meinte Kultusministerin Wolff.

Bei der Universität freut man sich, dass es nun endlich losgeht. Immerhin hat das Thema schon einige Rektoren beschäftigt. Halles neuer Uni-Rektor Udo Sträter hofft nun, dass spätestens zum Ende seiner Amtszeit das GSZ steht.

Angefasst werden muss im Rahmen des GSZ-Baus auch die Steintor-Kreuzung selbst angesichts des zu erwartenden Verkehrs. Daehre sagte zu, sich um eine Lösung kümmern zu wollen.

Sorge über die GSZ-Pläne äußert der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder und fordert eine breite öffentliche Diskussion. Der AHA schlägt zudem vor, lieber gegenwärtig oder künftig leerstehende Landesimmobilien zu nutzen wie das Gelände der Medizinischen Fakultät in der Magdeburger Straße. “Der gegenwärtig angedachte Baustandort im Gelände der Landwirtschaftlichen Fakultät in der Ludwig-Wucherer-Straße/Emil-Abderhalden-Straße ist nach wie vor weder infrastrukturell, noch baulich geeignet, ein solches Gebäude mit den zu erwartenden zusätzlichen Verkehrsströmen aufzunehmen bzw. zu verkraften”, so AHA-Sprecher Andreas Liste. “Ferner ist ein bedeutsamer Gehölzbestand auf dem Gelände der Landwirtschaftlichen Fakultät akut bedroht, welcher ökologisch und gebietsprägend sehr wertvoll ist.” Immerhin hier gab Bauminister Daehre Entwarnung. Die Bäume sollen weitestgehend stehen bleiben.