Seit Donnerstagnacht wird auch die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg wieder bestreikt, Studenten halten das Audimax besetzt. In den nächsten Tagen sind noch einige Aktionen geplant, die Besetzung geht weiter. Doch schon bei der Vollversammlung wurde deutlich, das nicht alle Studenten hinter diesem Schritt stehen.
Wir versuchen unser Studium, unseren Job und unser Engagement unter einen Hut zu bekommen, während eine kleine Minderheit meint die Mehrheit der Studenten von Lehrveranstaltungen aussperren zu können, so Marcus Gedai vom Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS). Das schadet eindeutig mehr den Studenten als den Professoren oder den Politikern. Die Kritik am Bologna-Prozess sei zwar in Teilen richtig. Aber die konkreten Veränderungen würden in den Gremien der Hochschule durchgesetzt und nicht durch bloße Krawalle und das Schimpfen auf Politiker. Bei den Organisatoren des Streiks scheine noch immer die Hoffnung auf die Weltrevolution vorhanden zu sein. Sie seien zu bequem, um sich mit den Realitäten an den Hochschulen auseinandersetzen. Eine Ideologisierung der Bildung ist von den Studierenden nicht gewollt, doch nun springen Linksradikale und Krawallmacher auf den Zug auf und sperren lernwillige und motivierte Studierende aus ihrer Hochschule aus, so Gedai. Die Parole der Streikenden Bildung für alle und zwar umsonst sei von vorgestern. Die Möchtegern-68er haben noch nicht verstanden, dass man für Veränderungen nicht nur laut schreien, sondern hart arbeiten muss. Dafür aber sind sie fast immer zu bequem. Außer ein paar Schlagzeilen erreichen diese Studenten nur, dass unsere Vorlesungen ausfallen und wir, die normalen Studenten, noch mehr Stress haben.
Unterdessen gibt es Vorschläge, die Regelstudienzeit zur Erlangung eines ersten Bachelor-Abschlusses auf überwiegend acht Semester anzuheben. Die Vorschläge offenbaren eine gewisse Hilflosigkeit, sagt der hochschulpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Marco Tullner. Jeder ist sich im Klaren, dass die Reform von Bologna nicht mehr so einfach rückgängig gemacht werden kann, aber keiner wagt diesen Schritt in die Diskussion einzubringen. Wenn jetzt das Studium bis zum ersten Hochschulabschluss wieder bis auf 8 Semester Regelstudienzeit erhöht werden soll, dann sei dies kein Beitrag zur Verkürzung der Studiendauer. Gerade darum gehe es aber der Wirtschaft, Absolventen früher und besser ausgebildet in die Betriebe und Unternehmen zu bekommen.
Die GEW Sachsen-Anhalt unterstützt indes das Bündnis Bildungsstreik. Wir teilen die Befürchtung, dass Kultusminister Olbertz die Hochschulen in Haftung nehmen will, sich selbst aber nach dem Motto Haltet den Dieb! zu den Zuschauern gesellt, kommentierte der GEW-Landesvorsitzende, Thomas Lippmann, die politische Situation in der Auseinandersetzung an den Hochschulen. Man sehe in den erneuten Protesten der Studierenden ein deutliches Warnsignal an die Landesregierung und die Hochschulleitungen, die Probleme in den Hochschulen endlich ernst zu nehmen. Der Kultusminister und die Landesregierung müssen sofort umsteuern. Das geht nur durch Verbesserung der Hochschulfinanzierung und die Rücknahme restriktiver hochschulgesetzlicher Regelungen, mit denen freies Studieren kaum noch möglich sei. Die Ursachen für die massive Unzufriedenheit liegen nicht im Bachelor- und Mastersystem, sondern darin, unter welchen Bedingungen die neuen Studiengänge eingeführt wurden. Aus Sicht der GEW ist nicht Bologna gescheitert, sondern der deutsche Weg der Umsetzung, sagte Lippmann.