Uniklinik: “Wurden eiskalt erwischt”

von 14. Juni 2011

“Das hat uns heute morgen eiskalt erwischt, ohne Vorwarnung.” Birgit Dräger, Prorektorin für Struktur und Finanzen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zeigte sich überrascht über Prüfpläne der Landesregierung, das Universitätsklinikum zu privatisieren. Im Vorfeld habe es keinerlei Andeutungen gegeben. Immerhin gab es unmittelbar nach der Presseveröffentlichung ein kurzes Telefonat mit Wirtschaftsstaatssekretär Marco Tullner. Auch er sei laut Dräger überrascht von den neuen Plänen gewesen.

Am Dienstagmorgen hatte es aus dem Finanzministerium noch geheißen, die Uniklinik Halle sei defizitär. Deshalb drohe ihr im Gegensatz zu Magdeburg eher die Privatisierung. Gegen solche Aussagen wendet sich die Uni. Man schreibe seit 2006 mit der Klinik schwarze Zahlen, so der Dekan der Medizinischen Fakultät, Professor Michael Gekle. Freilich sei die Ausbildung selbst auf Zuschüsse angewiesen. Doch wenn man so herangehe, wäre der gesamte Bildungssektor ein Zuschussgeschäft.

Gekle sieht durch eine Privatisierung einige Probleme auf die Klinik zukommen. Dabei gehe es um die Qualität der Behandlung. Doch fraglich sei auch, ob denn ein privater Betreiber in dem Maße noch Mittel für Forschung bereit stellt. Dabei habe man schon jetzt ein Fachkräfteproblem. Aktuell bildet die MLU 255 Mediziner und 42 Zahnmediziner aus. “Die Medizin ist für die MLU sehr wichtig”, hob Gekle hervor. Kürzlich sei beispielsweise erst das Proteinforschungszentrum bewilligt worden. Direkte Gespräche im Vorfeld habe es von Seiten der Landesregierung nicht gegeben. Man habe zwar etwas rumoren hören, aber ohne konkrete Infos. “Wir haben eine riesige Wut im Bauch”, schimpfte Gekle deshalb über das Vorgehen. Immerhin solle es aber im Laufe der Woche nun einen Gesprächstermin mit dem Ministerium geben.

Überraschend kommen die Privatisierungspläne auch für den ärztlichen Direktor des Uniklinikums Halle, Thomas Klöss. Fusionsdiskussionen seien immer anstrengend und ressourcenfressend. Er wies daraufhin, dass es im Vorfeld der Landtagswahl mit allen Parteien Gespräche gegeben habe. Alle hätten die Privatisierung damals ausgeschlossen und dies sogar in den Wahlprogrammen erwähnt. In den letzten fünf Jahren sei dies die dritte Privatisierungsdiskussion, so Klöss. Dies mache die Mitarbeiter unruhig und erschwere zudem, neue Mitarbeiter – insbesondere Führungskräfte – für die Uniklinik zu gewinnen.

Einer Diskussion zur Privatisierung wolle man sich aber nicht gänzlich verschließen. Möglicherweise bringe ja beispielsweise eine Beteiligung durchaus Zugewinne, so Gekle. Ein kompletter Verkauf bringe seiner Meinung nach aber nur einen einmaligen Veräußerungsgewinn und keine nachhaltigen Effekte.

Uniklinik und Medizinische Fakultät verfügen über insgesamt 3.400 Vollzeitstellen und mehr als 4.000 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz liegt bei 270 Millionen Euro. Der Gewinn bei knapp einer Million Euro. Ein Verkauf könnte einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag einbringen.