Universität Kassel und Hochschule Merseburg intensivieren sexualwissenschaftliche Forschungskooperation

von 18. Juli 2014

Im Rahmen der Forschungskooperation soll in Zukunft ein regelmäßiger Fachaustausch stattfinden, abwechselnd in Merseburg und Kassel. Neben regelmäßigen Forschungskolloquien sind der Transfer von Lehre sowie ein Studierendenaustausch vorgesehen. Klausurwochen und ein Fachtag sollen ebenfalls auf den Weg gebracht werden.

Hinweis für Redaktionen: Das erste Forschungskolloquium beginnt am 6. August um 11:00 Uhr im Hauptgebäude der Hochschule Merseburg. Hochschulrektor Prof. Jörg Kirbs wird die Teilnehmer/-innen, insbesondere die Gäste aus Kassel, gegen 11:15 Uhr begrüßen.

Zum Hintergrund der Kooperation

Dem ersten Treffen vorausgegangen waren Vorabvereinbarungen, bei denen Kooperationsmöglichkeiten ausgelotet wurden. Nun geht die Kooperation in ihre praktische Phase: Es findet ein erstes Forschungskolloquium zur Thematik „Sexualität ostdeutscher Jugendlicher und Erwachsener“ statt, wofür die Hochschule Merseburg mit einem großen Fachliteraturbestand und der Folgestudie zur Sexualität ostdeutscher Jugendlicher, die zwischen 1980 und 2013 viermal durchgeführt wurde und damit einen einzigartigen Datenbestand beinhaltet, bundesweit die zentrale Expertise aufweist.

Die Forschungsgruppe aus Kassel, repräsentiert von Jun.Prof. Alexandra Retkowski, arbeitet an Konzepten, um werdende PädagogInnen und SozialarbeiterInnen bereits im Studium zur Sensibilität gegenüber sexuellen Grenzverletzungen und sexueller Gewalt zu befähigen, unter anderem durch die Integration entsprechender Inhalte in die Lehre. Zudem wird in Kassel ein Forschungsprojekt zu berufsbiographischen Identitätskonzeptionen über Sexualität und Macht von PädagogInnen durchgeführt. Hierbei werden auch die berufsbiographischen Wege von ostdeutschen Frauen und Männer in Interviews erhoben. Alexandra Retkowski wird hierbei, wie der von Merseburger Seite an der Kooperation initiativ beteiligte Forschungsprofessor Heinz-Jürgen Voß, aus Bundesmitteln im Rahmen der Förderlinie “Sexualisierte Gewalt in pädagogischen Einrichtungen” des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert, die im Anschluss an den Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ aufgelegt wurde. Im Jahr 2011 musst der Runde Tisch noch konstatieren:

„Bislang wird das Thema an den Hochschulen viel zu wenig behandelt. Sexueller Missbrauch von Kindern ist, ebenso wie Vernachlässigung und Misshandlung, auch in der Wissenschaft vielfach ein Tabuthema. Das hat weitreichende Folgen. Da es kaum Professorinnen und Professoren, Doktorandinnen und Doktoranden und Habilitierende gibt, die sexualisierte Gewalt zum Schwerpunkt haben, werden nur ausnahmsweise Vorlesungen und Seminare zum Thema angeboten. Die nachwachsende Generation wird in ihrer Ausbildung kaum mit der Thematik konfrontiert.“ (Abschlussbericht 2011: 43)

Das zu ändern ist auch Ziel der Forschungskooperation, wobei unterschiedliche Schwerpunktsetzungen zusammentreffen. An der Hochschule Merseburg wird insbesondere daran gearbeitet, Kinder und Jugendliche zu stärken und mit einer offenen Sexualkultur dazu beizutragen, dass es Kindern und Jugendlichen überhaupt möglich wird, über erfahrene sexuelle Grenzverletzungen und Gewalt zu sprechen. Hierfür werden auch Lösungsmöglichkeiten gemeinsam mit Beratungsstellen und Selbstorganisationen gesucht. Die Kooperation mit Beratungsstellen ist auch der Kassler Forschungsgruppe Anliegen, gleichzeitig zielt sie zentral darauf, PädagogInnen zu befähigen, sexuelle Grenzverletzungen zu erkennen sowie ihnen z.B. im Schulalltag vorzubeugen. Sowohl Kassel als auch Merseburg haben sich in Hinblick auf die Aus- und Fortbildung im Bereich der Familienplanung und Sexualpädagogik bereits größere Verdienste erworben.

Im Rahmen der Forschungskooperation findet nun ein regelmäßiger Fachaustausch statt, alternierend in Merseburg und Kassel. Neben regelmäßigen Forschungskolloquien ist der Transfer von Lehre und der Studierendenaustausch vorgesehen. Zudem sollen Klausurwochen und ein Fachtag auf den Weg gebracht werden, die sich schwerpunktmäßig der Schnittstelle Wissenschaft und Praxis zuwenden sollen. In diesem Theorie-Praxis-Transfer verstehen sich Hochschule und Universität als DienstleisterInnen. Sie wollen die PraxispartnerInnen – Beratungsstellen, Projekte, Selbstorgani-sationen – einladen, ihre Fachexpertise einzubringen. Forschung und Praxis sollen so mehr in Diskussion miteinander kommen.