Wann fällt die “Marktwirtschaft”?

von 30. Januar 2012

Während es vom historischen Gebäudeensemble am Graseweg gute Nachrichten gibt, rottet die ehemalige “Marktwirtschaft” in der Brüderstraße weiter vor sich hin. In der vergangenen Stadtratssitzung hatte sich nun auch der Stadtrat der Thematik angenommen. Die beiden CDU-Stadträte Raik Müller und Roland Hildebrandt hatten per Dringlichkeitsantrag das historische Gebäudeensemble auf die Tagesordnung heben lassen.

Es bestehe die Gefahr, dass hier Parkplätze geschaffen werden, mahnte Raik Müller. Eine Gefahr, die auch Stadträte anderer Fraktionen sehen. Und so gab es eine große Mehrheit für den Antrag, dass sich der Stadtrat zu dem Gebäudeensemble bekennt. “Der Stadtrat spricht sich für den Erhalt des städtebaulich, denkmalpflegerisch und stadtgeschichtlich wichtigen Gebäudes Brüderstraße 7 aus”, heißt es im Antrag der beiden. Die Stadt solle Bemühungen unterstützen, die das Gebäude erhalten wollen. Über den aktuellen Stand solle regelmäßig im Stadtrat und im Planungsausschuss informieren.

Außerdem gebe es ja ein konkretes Kaufangebot an den jetzigen Eigentümer, der es vor einem halben Jahr erworben hatte und kurz darauf die Baufälligkeit durch eigene Statiker feststellen ließ und den Abrissantrag stellt. Der Arbeitskreis Innenstadt (AKI) will auf diese Weise den Eigentümer, der Besitzer eines benachbarten Casinos, herausfordern.

Überhaupt hatte man beim AKI bereits seit längerem große Sorgen um das Gebäude. Im Dezember stellten die Mitglieder ein Rotes Fahrrad mit einer Hinweistafel am Gebäude auf, um auf die Geschichte und die Bedrohung hinzuweisen. Bereits wenige Tage später folgte der Abrissantrag des Eigentümers.

Der Renaissancebau an der Ecke Brüderstraße / Kleine Steinstraße stammt in großen Teilen aus dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, versehen mit markanten Alterungs- und Umbauspuren. Erster bekannter Besitzer des Grundstücks war Mitte des 16. Jahrhunderts Andreas Grundtmann, mit Christoph Hoffmann und Wolf Bausse folgten weitere angesehene Bürger und Amtsträger der Stadt. Am 4.1.1615 erwarb der Jurist Melchior Hoffmann das damals größere Anwesen für 1500 Gulden. Hoffmann war in der bewegten Zeit zwischen 1620 und 1660 Schultheiß in Halle. Als wichtiger stadtherrlicher Beamter hatte er im Dienste (mindestens) zweier magdeburgischer Administratoren (Christian Wilhelm von Brandenburg und August von Sachsen) bedeutende Amtsgeschäfte auszuführen, u.a. Teile der Gerichtsbarkeit. Derartige Rechtsakte wurden (bis 1669) im Haus des Schultheißen verrichtet, vermutlich hier in der Brüderstraße. Auf diesen speziellen Zusammenhang könnte auch das (später über dem Eingang angebrachte) Wappen hindeuten. Mit Carol Andreas Hoffmann und Christian Bieck folgten im späten 17. Jahrhundert weitere bedeutende Amtsträger als Besitzer; später war das Haus Wohnhaus und Gaststätte: 1863 „Schlüters Kaffeehaus“, ab 1876 „Restauration zum Markgrafen“, ab 1976 „Halberstädter Bierstuben“, von 1998 bis 2007 „Marktwirtschaft“.
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