Wenn Kinder wählen könnten

von 15. September 2009

Am 27. September wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Kinder und Jugendliche haben dabei kein Mitspracherecht. Doch sie sind die Wähler von Morgen. Und bei der U 18-Bundestagswahl am Freitag, 18. September, dürfen auch alle Unter-18-jährigen ihre Stimme abgeben. Zur Wahl stehen dabei die Parteien, die auch 9 Tage später bei der Bundestagswahl um die Stimmen der Erwachsenen buhlen.

Am Dienstag stellten sich Vertreter der fünf im Bundestag vertretenen Parteien im Stadthaus in Halle (Saale) den neugierigen Fragen von rund 100 Kindern und Jugendlichen. Die Fragen zeugten durchaus von Zukunftsängsten. „Was tun Sie gegen Armut?“, fragte ein Mädchen, ein Junge fragte, wie die Politik darauf reagieren kann, dass die Zahl der sogenannten Aufstocker wieder sinkt. „Mindestlohn“ ist das Thema für Petra Sitte (Linke), Johannes Krause (SPD) und Undine Kurth (Grüne). Es sei unerträglich, dass Menschen von ihrem Lohn nicht leben können, so Sitte, die sich für einen Mindestlohn von 10 Euro aussprach. „Wer mehr verdient, der gibt auch mehr aus“, erklärte die Linken-Politikerin. Daneben forderte sie als ersten Schritt eine Anhebung der Hartz IV-Bezüge auf 500 Euro sowie langfristig eine Abschaffung und Ersetzung durch menschenwürdigere Hilfsleistungen. Gegen einen Mindestlohn ist hingegen Cornelia Pieper. Arbeit müsse sich wieder lohnen, derzeit gehe mehr als die Hälfte des Verdienstes für Steuern und Abgaben drauf. „Der Staat nimmt zuviel weg.“ Pieper sprach sich für ein einfacheres Steuersystem und Bürgergeld. Auch Christoph Bergner (CDU) hält den staatlich verordneten Mindestlohn nicht für den richtigen Weg, weil die Politik nur die Wirtschaft gesamt im Blick habe und nicht auf spezifische Erfordernisse einzelner Branchen Rücksicht nimmt. Stattdessen sei es Aufgabe der Gewerkschaften, über die Tarifverhandlungen einen angemessenen Lohn auszuhandeln. Sofort erntete er daraufhin Widerspruch von Johannes Krause (SPD). „Tariflohn ist nicht Mindestlohn“, so Krause, der einen Lohn forderte, von dem man „eine Familie ernähren kann.“

Und was machen die Parteien für Jugendliche? Die Bedingungen in den Kitas, Schulen und müssten verbessert werden, auch die Bekämpfung der Armut und die Anerkennung der landesspezifischen Schulabschlüsse bundesweit stehen bei der Linken-Politikerin weit vorn. „Sicherung der Chancengleichheit und Generationengerechtigkeit“, forderte Christoph Bergner (CDU). Dabei stünden auch Fragen nach den Möglichkeiten für die heranwachsende Generation und wie wir die Erde den Enkel hinterlassen auf der Agenda. Bergner kritisierte die hohe Staatsverschuldung, forderte eine stärkere Bekämpfung der Kinderarmut und mehr Investitionen in Bildung. Johannes Krause wiederum lag mit den Linken nicht so weit auseinander. Vergleichbare Schulabschlüsse und Bafög für Schüler nannte er als wichtige Punkte. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für reiche Menschen schlug der Sozialdemokrat auch vor, die Mehreinnahmen sollen in Bildung und kostenloses Mittagessen fließen. Für Undine Kurth ist Politik für Jugendliche auch Klimapolitik, immerhin müssen die Kinder von heute noch morgen in dieser Welt leben. Die Grünen-Politikerin forderte ein Wahlrecht ab 16 und die Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention. Weil Rentner die größere Gruppe sind, stürzen sich die meisten Politiker auf diese Wählerklientel, kritisierte Kurth. Sie sprach sich für die Aufnahme der Generationengerechtigkeit ins Grundgesetz, die Abschaffung von Studiengebühren und Wehrpflicht sowie die Schaffung neuer Freiwilligendienste aus. Auch eine andere Drogenpolitik schwebt Kurth vor, eine Entkriminalisierung gewisser Betäubungsmittel. Cornelia sieht die Bildungspolitik weit vorn. „Bildung schafft Arbeit“, so die Liberale. Zudem müsse man weg von einer Wehrpflicht hin zu einer Freiwilligenarmee.

Vor der eigentlichen Runde mussten sich die Politiker schon kurz vorstellen – mit ihren Zielen. Aus dem Wort „Ziel“ sollten sie Wörter mit den jeweiligen Anfangsbuchstaben bilden. Zuversichtlich, Internetoffen, Einfallsreich und Links ist Petras Sitte. Zupackend, Interessiert, Engagiert und Logisch will Christoph Bergner sein. Johannes Krause hält den Zusammenhalt für wichtig, ebenso Innovation, Ehrlichkeit und Lernfähigkeit. Undine Kurth bildete aus den ZIEL-Buchstaben Zukunft, Internationalität, Engagement und Lust. Cornelia Pieper kam für diese Aufgabe leider zu spät, ihr Zug rollte etwas verspätet auf dem Bahnhof an.

Und die jungen „Wähler“? Die dürften sich bei einigen Antworten angesprochen gefühlt haben. Doch leider verfielen alle Kandidaten immer wieder in Politikersprache mit umständlichen Bezeichnungen. Hier gibt es also noch etwas Nachholbedarf. Doch positiv hervorheben sollte man, dass sich tatsächlich 5 Bundestagskandidaten – bis auf Johannes Krause sogar alle bereits als Abgeordnete im Bundestag vertreten – der Runde gestellt haben.

Überrascht war die Runde von einer recht deutlichen Frage bezugnehmend auf den Zwischenfall in einer Münchner U-Bahn, bei der ein Mann der Zivilcourage zeigen wollte getötet wurde. Die Forderung eines Jugendlichen: Einführung der Todesstrafe.