Wie ticken Sachsen-Anhalter?

von 13. Oktober 2009

Zum zweiten Mal nach 2007 wurden die Einwohner Sachsen-Anhalts in einer repräsentativen Umfrage zu ihren Wertvorstellungen und politischen Ansichten befragt. Die Umfrage von infratest dimap fand im Juni und Juli 2009 statt, 1000 Menschen wurden befragt. Die Auswertung erfolgte durch das Institut für Politikwissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Auftraggeber der Studie war die Landeszentrale für politische Bildung.

Zu ausgewählten Ergebnissen des Sachsen-Anhalt-Monitors 2009:

Einschätzung der allgemeinen und persönlichen Lage
Die wirtschaftliche Lage in Sachsen-Anhalt wird von 19% der Befragten als gut oder sehr gut eingeschätzt. Vor zwei Jahren teilten diese Einschätzung noch 29%. Hier schlägt wohl die gegenwärtige Wirtschaftskrise zu Buche. Allerdings hatten im Jahr 2002 nur 5% der Sachsen-Anhalter die wirtschaftliche Lage in ihrem Land positiv bewertet. Optimistisch sind die Befragten hinsichtlich der Zukunft. So sind 29% der Bürgerinnen und Bürger der Überzeugung, dass in einem Jahr die Wirtschaftlage wieder gut oder sehr gut sein wird, allerdings mit regionalen Unterschieden. Während diese Einschätzung 33% der Einwohner der Region Börde/Magdeburg teilen, sind es im Harz nur 24%.

Mit ihrer derzeitigen Lebenssituation zufrieden oder sehr zufrieden sind 73% der Sachsen-Anhalter. Damit ist die Zufriedenheit seit 2007 (72%) leicht gestiegen. Am zufriedensten ist die Altergruppe der 35- bis 44-jährigen (80%), während die 45- bis 59-jährigen hier mit 63% das Schlusslicht bilden.

Erfreulich ist, dass der Anteil der Sachsen-Anhalter, die ihre persönliche Zukunft optimistisch sehen, gestiegen ist. Blickten 2007 noch 67% der Befragten optimistisch in die Zukunft, so sind es jetzt 74%. Dabei sind unter den 18- bis 24-jährigen mit 81% die meisten Optimisten, während hier wiederum die 45- bis 59-jährigen mit 67% am Ende rangieren. Optimistisch in die Zukunft sehen selbst die über 60-jährigen mit einem Wert von 72%.

Der gewachsene Optimismus überträgt sich auch auf das Land Sachsen-Anhalt. Auf die Frage, ob sie die Zukunft des Landes eher optimistisch oder pessimistisch sehen, antworteten 62% optimistisch. Das sind 4 Prozentpunkte mehr als 2007 (58%). Interessant ist, dass hier die Unterschiede zwischen den Altergruppen, den Bildungsarten und dem Erwerbsstatus gering sind. Selbst eine Mehrheit der Arbeitslosen (55%) sieht die Zukunft Sachsen-Anhalts optimistisch.

Regionale Identitäten
Eine starke oder sehr starke Verbundenheit mit Sachsen-Anhalt bekundeten im aktuellen Sachsen-Anhalt-Monitor 65% der Befragten. Dies ist ein leichter Rückgang um zwei Prozentpunkte gegenüber 2007. 1995 hatten sich 45% der Befragten dem Land stark oder sehr stark verbunden gefühlt. Die höchste Verbundenheit mit dem Land herrscht in der Region Börde/Magdeburg vor (69%), die niedrigste in der Region Saale-Unstrut/Halle (59%). Generell nimmt die Verbundenheit mit dem Alter zu. Fühlen sich von den 18- bis 24-jährigen nur 34% mit Sachsen-Anhalt stark oder sehr stark verbunden, erreichen die über 60-jährigen mit 72% den höchsten Wert.

Wird nach der Verbundenheit mit anderen Gebieten (der unmittelbaren Region, Ostdeutschland, Deutschland oder Europa) gefragt, so nennen hier 80% der Sachsen-Anhalter eine starke oder sehr starke Verbundenheit mit Ostdeutschland. Am stärksten ist diese Verbundenheit in den Altersgruppen der über 35-jährigen ausgeprägt. Die geringste Verbundenheit mit einem Gebiet ist bei den 18- bis 24-jährigen zu verzeichnen. Interessant ist jedoch, dass in dieser Altersgruppe mit 52% der höchste Wert der Verbundenheit mit Europa erreicht wird (Landesdurchschnitt 41%).

Wertvorstellungen und Demokratieverständnis
Nach Dingen gefragt, die ihnen wichtig bzw. außerordentlich wichtig sind, gaben jeweils 98% der befragten Sachsen-Anhalter an, einen Partner zu haben, dem man vertrauen kann und ein gutes Familienleben. Gesetz und Ordnung zu respektieren war für 91% wichtig, Fleiß und Ehrgeiz für 88%. Weniger wichtig dagegen waren mit 58% ein hoher Lebensstandard und mit 39% politisches Engagement. Am Ende rangierten mit 19% der Glaube an Gott und der Besitz von Macht und Einfluss (16%).

Das Demokratieverständnis der Sachsen-Anhalter hat sich in den letzten zwei Jahren nicht grundlegend verändert. Wie 2007 stimmen 79% der Befragten der Aussage mehrheitlich zu, dass die Demokratie die beste Staatsidee ist. Völlig abgelehnt wird diese Aussage wie schon vor zwei Jahren nur von 4%. Insgesamt 89% sind der Meinung, dass man Andersdenkende und ihre Lebensweisen akzeptieren müsse (2007: 88%) und 84% lehnen eine Diktatur als alternative Staatsform ab (2007: 82%). Mit dem politischen System in Deutschland sind 74% der Sachsen-Anhalter zufrieden (2007: 72%). Unterschiede gibt es hier jedoch zwischen den Altergruppen. Während die Demokratie als beste Staatsform von 89% der über 60-jährigen erkannt wird, sind es bei den 18- bis 24-jährigen nur 57%. Und während jeder vierte dieser Altergruppe zur Not auch eine Diktatur akzeptieren würde, ist es bei den Altersgruppen über 35 nur jeder achte. Andererseits ist der Respekt Andersdenkenden gegenüber bei den 18 bis 24-jährigen mit 96% so stark wie in keiner anderen Altergruppe ausgeprägt.

Vor die Frage gestellt, was ihnen wichtiger sei, wenn sie sich für eines entscheiden müssten, Freiheit oder Gleichheit, antworteten 54% der Befragten: Freiheit (2007: 52%). Werden Freiheit und Sicherheit zur Wahl gestellt würden sich jedoch nur 26% für die Freiheit entscheiden (2007: 25%). Auch hier hat es nur geringfügige Änderungen gegenüber dem letzten Monitor gegeben.

Politische Mitwirkung und Funktionieren der Demokratie
Das politische Interesse in Sachsen-Anhalt hat leicht zugenommen. So gaben 59% (2007: 58%) an, sich stark oder sehr stark für Politik zu interessieren. Allerdings hat eine deutliche Differenzierung zwischen den Altergruppen stattgefunden. Festzustellen ist, dass das tendenziell höhere politische Interesse der älteren Menschen in Sachsen-Anhalt noch gewachsen ist, während das ohnehin bereits geringere Interesse der Jüngeren weiter sinkt. So interessierten sich zwar 73 % der über 60-jährigen stark oder sehr stark für Politik (2007: 67%), aber nur 32% der 18- bis 24-jährigen (2007: 38%).

Bei Männern (68%) ist das Interesse an Politik immer noch stärker ausgeprägt als bei Frauen (51%). Dieser Unterschied wird noch größer hinsichtlich des subjektiven politischen Kompetenzgefühls. Während sich 68% der Männer Kompetenz in politischen Fragen zubilligen, sind es nur 46% der Frauen. Insgesamt ist die Zahl derjenigen, die sich politische Kompetenz zubilligen, in Sachsen-Anhalt gestiegen. Waren es 2007 nur 45%, so sagen dies in diesem Jahr 57% der Befragten.

Ein Wandel deutet sich in der Frage an, welche Informationsquellen genutzt werden, um sich über das politische Geschehen zu informieren. Während Tageszeitungen (25%) und Radio (15%) im Jahr 2009 in etwa gleich oft genannt wurden wie zwei Jahre zuvor, ist das Fernsehen zwar immer noch die wichtigste Informationsquelle, aber in seiner Bedeutung gesunken. Im aktuellen Sachsen-Anhalt-Monitor wird es von 45% als Hauptinformationsquelle genannt, 2007 waren es noch 52%. Demgegenüber hat das Internet seinen Anteil verdoppeln können, von 7% auf 14%. Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn man sich die Generationen betrachtet. Für die unter 35-jährigen besitzt das Internet als Informationsquelle heute schon einen höheren Stellenwert als das Fernsehen. Besonders deutlich ist der Unterschied bei den 18- bis 24-jährigen (Fernsehen 29%, Internet 39%).

Die Frage, inwieweit sich die Bürger in Sachsen-Anhalt von der Politik ernst genommen fühlen, wird noch immer mehrheitlich negativ beantwortet. 74% der Befragten glauben nicht, dass die Politik ihre Interessen angemessen vertritt. Diese Ansicht wird mit geringen Unterschieden über alle Altersklassen und Bildungsabschlüsse vertreten. Dennoch ist die Zahl der Menschen, die mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland zufrieden sind, gewachsen. Waren 2007 insgesamt 41% der Sachsen-Anhalter mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden, sind es in diesem Jahr 49%.

Als größtes Problem im Land wird wie 2007 von 89% der Befragten die Arbeitslosigkeit genannt, aber nur 18% billigen hier dem Staat Lösungskompetenz zu. Eine höhere Kompetenz wird im Schutz vor Kriminalität gesehen (39%), die von 51% der Bürger als Problem gesehen wird. Die Problemwahrnehmung hat sich in den vergangen Jahren nur geringfügig verändert. Eine Ausnahme bildet hier die Frage der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West. Wurde dies 2007 von 64% der Befragten als besonderes Problem gesehen, waren es 2009 nur noch 54%.

Das Vertrauen in Institutionen bei den Menschen in Sachsen-Anhalt liegt immer noch unter dem Bundesdurchschnitt. Das höchste Vertrauen genießt nach wie vor der Bundespräsident (72% Zustimmung). Die Bundesregierung genießt bei 39% der Befragten Vertrauen (2007: 36%). Den Parteien vertrauen nur 19% (2007: 17%).

Größeres Vertrauen genießen Institutionen auf Landes- oder Gemeindeebene. So vertrauen 62% der Sachsen-Anhalter ihrem Oberbürgermeister und 50% ihrem Stadt- oder Gemeinderat. Die Landesregierung genießt bei 41% der Bürger Vertrauen (2007: 45%) und der Landtag bei 37% (2007: 39%).

Geschichtswissen, Rückblick auf die DDR
Das richtige historische Ereignis mit dem 3. Oktober 1990 verbinden 79% der Sachsen-Anhalter (2007 82%). Unter den 18 bis 24-jährigen sind es nur 61%. Für 62% haben sich die Wendehoffnungen in wesentlichen Teilen erfüllt (2007: 59%). Dass die Wiedervereinigung für sie persönlich Vorteile erbracht hat, glauben 65% der Befragten, während Vorteile für Ostdeutschland insgesamt etwas weniger, nämlich 53% sehen.

Der Systemvergleich der DDR mit dem vereinigten Deutschland fällt differenziert aus. Allerdings verschiebt sich das Urteil im Vergleich zu 2007 etwas zuungunsten der DDR. Vorteile für die DDR werden gesehen im Umgang miteinander (77% – 2007: 84%), in der Kinderbetreuung (68% – 2007: 75%) oder der sozialen Absicherung (57% – 2007: 64%). Im vereinten Deutschland wird besser eingeschätzt die persönliche Freiheit (81% – 2007: 80%), der Lebensstandard (69% – 2007: 65%) und das politische System (62% – 2007: 55%).

Dass der 20. Jahrestag des Mauerfalls für sie ein freudiges Ereignis ist, sagen 77% der Befragten. Das politische System der DDR kennzeichnen 79% der Sachsen-Anhalten als Diktatur (2007 82%). Groß sind allerdings die Unterschiede in den Altersgruppen. Während 83% der über 60-jährigen die DDR als Diktatur sehen, sind es nur 63% der 18- bis 24-jährigen.

Ausländerfeindlichkeit und extremistische Anschauungen
Ausländerfeindliche und extremistische Einstellungen sind in Sachsen-Anhalt entgegen der öffentlichen Wahrnehmung weniger verbreitet als in Ostdeutschland insgesamt und zum Teil auch deutlich geringer als in den alten Bundesländern. Dass Ausländer ihren Lebensstil besser an den deutschen anpassen sollen, fordern in Sachsen-Anhalt 40% der Befragten, im ostdeutschen Schnitt sind es 61%, in den alten Bundesländern fordern dies 49%. Dass Ausländern jede politische Betätigung untersagt werden sollte, meinen 10% der Sachsen-Anhalter, in Ostdeutschland aber 16% und im Westen 14%. Wenn Arbeitsplätze fehlten, würden 9% der Westdeutschen Ausländer zurückschicken wollen, in Sachsen-Anhalt sind es 12% und in Ostdeutschland insgesamt 17%.

Scham über die deutschen Untaten an den Juden empfinden 63% der Sachsen-Anhalter (Westdeutsche 49%, Ostdeutsche 58%). Dass Juden die deutsche Vergangenheit ausnutzen, glauben 13% der Menschen in Sachsen-Anhalt (Westdeutsche 24%).

Der Aussage, dass sich rechtsextreme Parteien um die Probleme der Menschen kümmern, stimmen wie 2007 nur 2% der Befragten zu. Der Anteil jüngerer Menschen, die dieser Aussage zustimmen, ist jedoch gewachsen, von 0% auf 4% bei den 18- bis 24-jährigen und von 1% auf 5% bei den 25- bis 34-jährigen. Dagegen spielt diese Einstellung bei den über 35jährigen fast keine Rolle.